Technische Infrastrukturen sind schon seit geraumer Zeit ein Thema innerhalb der Technik- und auch der Wirtschaftsgeschichte. Genese und Effekte großtechnischer Systeme des 18. und 19. Jahrhunderts stehen hier im Mittelpunkt des Interesses. Zuletzt zeigten allerdings auch die Allgemeinhistoriker größeres Interesse an diesen Fragestellungen, wobei hier auch Infrastrukturen des vorindustriellen Zeitalters thematisiert werden.
Von Maximilian Schell
Die Sektion Infrastrukturen der Macht wurde durch einen kurzen Vortrag von Jens Ivo Engels (Darmstadt) mit konzeptionellen Überlegungen zum Verhältnis von Macht und Infrastruktur eröffnet. Prof. Dr. Helmuth Schneider (Kassel) referierte anschließend über den Zusammenhang von politischer Herrschaft und Wohlfahrt im Bezug auf die Infrastruktur des Imperium Romanum. Er bezog sich nur auf die materielle Infrastruktur, also Straßen, Brücken und Kanäle. In der Antike wurde bei der Infrastruktur zwischen öffentlichen Bauwerken wie Verteidigungsanlagen, Heiligtümern oder Bauwerken des öffentlichen Nutzens, z.B. Häfen oder Brücken, und privaten Bauten unterschieden.
* Ein Ausschnitt aus der Tabula Peutingeriana, die das Straßennetz in spätrömischer Zeit zeigt.
Frühe infrastrukturelle Meisterleistung: Straßenbau im Imperium Romanum
Der Straßenbau im Imperium Romanum durchdrang das gesamte Reich. Eine Expansion verlangte eine wachsende Infrastruktur und diese förderte im Gegenzug wiederum die Expansion des Reiches. Schneider zeigte anhand eines antiken Briefwechsels, dass beispielsweise beim Bau von Wasserleitungen vor allem der Wohlfahrtsgedanke und die Förderung der Gesundheit der Bevölkerung im Vordergrund standen. Der Infrastrukturausbau diente neben diesem zivilen natürlich auch einem militärischen Zweck und sicherte somit auch die römische Herrschaft. Abschließend zeigte Schneider auf, dass es keine großen Unterschiede im Ausbau der Infrastruktur zwischen Zentren, an allererster Stelle Rom, und Peripherien gab. Auch in Randgebieten wurden technisch aufwendige Projekte verwirklicht.
Mittelalter: Das Pilgerwegenetz und Wasserstraßen
Im Mittelalter war der Staat zu Beginn an der Infrastruktur und deren Ausbau desinteressiert. Andererseits wurde beispielsweise das Pilgerwegenetz nach Santiago de Compostela und Rom ausgebaut. Als eines der Beispiele für die Ausdehnung der Infrastruktur führte Prof. Dr. Gerrit Schenk die Erweiterung des Straßennetzes in Florenz im 13. Jahrhundert an. Diese wurde notwendig, weil es zu Änderungen in der Bevölkerung gekommen war und für die Erschließung von Ebenen neue Verbindungsstraßen gebaut werden mussten.
Die Wasserstraßen waren einer der Hauptverkehrswege. Daher wurde versucht, diese auch in flachen Gewässern mit Hilfe von Kähnen und infrastrukturellen Baumaßnahmen schiffbar zu machen. Dies zeigt sich z.B. an Baumaßnahmen am Rhein oder am Arno in Italien.
Herr Schenk fasste abschließend zusammen, dass die Frage nach der Infrastruktur im Mittelalter ein riesiges Forschungsfeld ist, in welchem noch viele Fragen erforscht werden können.
Bei Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung von Infrastruktur ging es fast immer um die Stärkung der höfischen Gesellschaft und deren Macht.
Repräsentation und Macht
Die Vorstellung von Natur war in der Frühen Neuzeit sehr dynamisch und unterschied sich von Stand zu Stand. Infrastrukturen waren dahingehend wichtig, als dass sie zur Erhaltung der höfischen Gesellschaft und deren Macht dienten. Die Bauten des Hofes hatten im Vergleich zur Antike keinen Gemeinwohlcharakter. Sie dienten fast ausschließlich zur Repräsentation der Macht und waren auf technischen Fortschritt angewiesen. Sie konnten den Ruhm des Erbauers steigern, diesen jedoch natürlich auch verringern. Auch war dabei oft mehr Schein als Sein. So zeigte Herr Wiland anhand von Quellenmaterial, dass die Kritik an Bauprojekten nicht nur aus dem niederen Volke, sondern selbst von Adligen kam. So kritisierte ein Herzog die Gartenanlage um das Versailler Schloss. Beispielsweise wäre das Wasser dickflüssig und grün und der Garten würde nur nach Außen einen repräsentativen Eindruck machen.
Prof. Dr. Dirk van Laak (Gießen) versuchte mit seinem Vortrag, das „Scharnier” zwischen den vorangehenden Vorträgen und den folgenden Vorträgen aus der Neuesten Geschichte zu bilden. Er zeigte, dass der Begriff der Infrastruktur sich erst seit den 1950er Jahre entwickelte und dieser von den Eisenbahnern kam. Die Infrastruktur wurde im Verlauf des 20. Jahrhunderts immer mehr zu einem Mittel, um Macht zu kontrollieren und andererseits zu einem wichtigen Ziel militärischer Angriffe.
Infrastrukturplanung in der Sowjetunion
Prof. Dr. Klaus Gestwa (Tübingen) referierte über die Infrastrukturen in der Sowjetunion. Den Begriff der Infrastruktur gab es in dieser Form in der UdSSR nicht. Er wurde als materiell-technische Grundlage bzw. Basis bezeichnet. Lenins Infrastrukturplan, das gesamte Land mit Elektrizität zu versorgen, war für ihn so wichtig wie das Parteiprogramm. Für ihn war die Infrastruktur ein Maßstab für die Entwicklung des sowjetischen Staates. Durch den Ausbau der Infrastruktur wandelte sich das Land von einer rückständigen Agrargesellschaft zu einer führenden Wirtschaftsmacht.
Infrastruktur gab dem Staat Handlungs- und Veränderungsmacht.
Infrastruktur gab dem Staat Handlungs- und Veränderungsmacht, als Beispiel sei hier Stalins Aussage „vom Holzpflug zum Atomkraftwerk” angeführt. Desweiteren war sie Mobilisierungs- und Verfügungsmacht, Definitions- und Überzeugungsmacht und sie repräsentierte sowohl die Macht durch Belohnung (sozialer Aufstieg mit dem damit verbundenen materiellen Wohlstand) als auch die Macht des Zwanges und der Ernüchterung. Gestwa führte weiter aus, dass die sowjetische Infrastruktur auf Gewalt und Blut gebaut wurde. So wurden große Teile der Infrastruktur von Zwangsarbeitern aus dem Gulag-System gebaut. Auch stellte er fest, dass die Landbewohner zu den Verlierern des Ausbaus gehörten. In der UdSSR galt das Motto „Think and Build Big”. Mit der neu erbauten Infrastruktur wollten sie die Vergangenheit begraben, wie Lenin in einer seiner Reden feststellte. Das oben genannte Gulag-System war genauso Teil dieser Infrastrukturgeschichte.
Dr. Birte Förster (Darmstadt) schloss mit ihrem Vortrag über die Postkolonialen Machtspeicher die Sektion ab. Sie arbeitete heraus, dass Infrastrukturen auch als Speicher kolonialer Macht anzusehen sind, welche auch noch nach der Kolonialzeit die ehemalige Macht des Kolonialstaates präsentieren. Solch ein Modell war das Volta River Projekt an der Goldküste, im heutigen Ghana. Dort wollte die britische Krone vorhandene Bauxit-Vorkommen abbauen. Das Projekt wurde durch die Krone und die USA finanziert. Meist profitierten nur multinationale Firmen und nicht die Bevölkerung von Projekten wie diesem. Und das, obwohl der Bevölkerung die Infrastruktur als Mittel zur wirtschaftlichen Entwicklung versprochen wurde.
- Link zur Sektionsseite: Infrastrukturen der Macht
Maximilian Schell studiert Geschichte, Geographie und Biologie auf Lehramt an der Universität Heidelberg. |
(Redaktion: KP/MS)
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