Dieter Gosewinkel, Professor an der Freien Universität Berlin, wählte exemplarisch die Europakonzeptionen der französischen Rechten zwischen 1940 und 1990 für seine Ausführungen. Als Ausgangspunkt für seine Überlegungen bestimmte er die deutsch-französische Kollaboration im Zweiten Weltkrieg. Insbesondere untersuchte Gosewinkel, ob und wenn ja welche Kontinuitäten im Zeitraum der genannten 50 Jahre nachzuweisen sind. Dabei verfolgte er zwei Stränge: zum einen den technokratisch-ökonomischen, zum anderen den substantiell-politisch-ideologischen. Diese beiden Glieder waren zunächst miteinander verflochten, später löste sich die Bindung auf. Die Grundelemente für die Kooperationsbemühungen wurden im Nationalsozialismus, beispielsweise durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Schwerindustrien oder im gemeinsamen Kampf gegen den US-amerikanischen Kapitalismus und sowjetischen Bolschewismus, gelegt.
Auf diesen Wegen entstand auch die Idee zu einem Großwirtschaftsraum. Nach 1945 erlangten die Europaplanungen im rechten Spektrum einen neuen Höhepunkt, wobei die Unterschiede zu den liberalen Europaideen nicht von Beginn an evident waren. Die rechten Kräfte befürworteten eine soziale Gemeinschaft der Arbeiter und Produzenten, die sich auf gemeinsamen Feindbildern konstituiert. Eine generelle Verneinung der technokratischen Europapläne existierte also bis in die 1970er Jahre nicht. Erst danach setzte der Prozess gegen das, so Gosewinkel, „ökonomisch gebrandmarkte Brüssel” ein, und damit der Widerstand gegen die Europäische Union in ihrer jetzigen Ausprägung.
Das deutsch-französische Verhältnis
Abschließend beleuchtete Professor Peter Schüttler Europakonzepte, die in engem Zusammenhang mit der „deutsch-französischen Verständigung” zwischen dem Vertrag von Versailles und dem Élysée-Vertrag stehen. (* Die rechts abgebildete Briefmarke wurde von der Dt. Bundespost zum 25. Jahrestag des Élysée-Vertrags herausgegeben.)
Die Kontinuitäten und Widersprüche dieser Verbindung veranschaulichte er am Beispiel der Biografie Gustav Krukenbergs. In den 1920er Jahren war Krukenberg Mitglied des Mayrisch-Komitees, das sich für den Neubeginn deutsch-französischer Beziehungen nach dem Ersten Weltkrieg aussprach. Im Zweiten Weltkrieg wurde er Inspekteur einer SS-Division. Im Anschluss an den Krieg trat Krukenberg dem Heimkehrerverband bei, dessen Ehrenvorsitzender er wurde. Dieser Verein setzte sich intensiv für die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland ein. Die Biografie Krukenbergs bezeugt die Vielfältigkeit der Europakonzepte. Neben liberalen Ideen beherrschten auch konservative oder christliche Vorstellungen die Debatten. Die Gleichzeitigkeit von Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Vergangenheit formten das Europabild der Gegenwart. Die Verschiedenheit der Pläne zur europäischen Einigung bedingte unterschiedliche, auch nicht-intendierte Effekte, die vermutlich den Erfolg der europäischen Einigung erheblich beeinflussten.
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Bericht von Maria Neumann & Erik Swiatloch
(Redaktion: KP/MS)
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