Über den Islam wird viel diskutiert in diesen Tagen. Spätestens seit Mitte August der Spiegel und die Bild-Zeitung Auszüge aus Thilo Sarrazins neuem Buch „Deutschland schafft sich ab” veröffentlichten, kocht die Debatte hoch. „Du dreckiger Muslim!” gehört heute zu den meistgebrauchten Schimpfwörtern unter Jugendlichen (Quelle: Der Spiegel, Nr. 35/2010, S.126).
Von Christine Buch
„Du dreckiger Muslim!” gehört heute zu den meistgebrauchten Schimpfwörtern unter Jugendlichen. Welches Islambild vermitteln unsere Medien?
Laut einer Umfrage, die am Freitag (1. Oktober 2010) vom Deutschlandradio ausgestrahlt wurde, sind knapp 60% der im Westen lebenden Deutschen und 75% der im Osten der Bundesrepublik Lebenden der Meinung, die Einwanderung von Türken habe zu negativen Folgen geführt. Der geplante Bau eines islamischen Zentrums in unmittelbarer Nähe des Ground Zero sorgte kürzlich auch in den USA für heftige Auseinandersetzungen – in der Schweiz war im vergangenen Jahr eine Volksabstimmung gegen Minarette erfolgreich durchgeführt worden.
In der Öffentlichkeit wird also heftig diskutiert. Vor allem über eine vermeintliche Gefährlichkeit des Islam, die sich insbesondere in der außerordentlichen Gewaltbereitschaft, die diese Religion angeblich auszeichne, zeige.
Ausbildung von islamischen Religionslehrern an Universitäten
Die politisch Verantwortlichen bemühen sich ebenso um eine gelungene Integration der knapp 40.000 Islamisten und ihres Umfeldes in Deutschland (Quelle: Verfassungsschutzbericht, zitiert in: Der Spiegel, Nr. 35/2010, S.126,). Die Universität Heidelberg und die Universität Tübingen konkurrierten zudem in den vergangenen Monaten um ein Prestige-Projekt: den Aufbau eines Instituts zur Ausbildung von Imamen und islamischen Religionslehrern, um islamischen Religionsunterricht an Schulen erteilen zu können. Der Fachbereich zur Ausbildung der Imame geht nun nach Tübingen.
Die Universität Münster hat ebenfalls Interesse am Aufbau eines islamisch-theologischen Institutes bekundet. Die Hochschule bildet bereits seit 2004 als eine der wenigen Universitäten in Deutschland Lehrer für den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht aus. Im Februar 2010 wurden an deutschen Schulen schon 700.000 muslimische Schüler unterrichtet, für die nach Schätzungen zwischen 2.000 und 5.000 Lehrer benötigt werden würden. (Quelle: dpa)
Was genau denken die Deutschen über den Islam? Und wie entstand dieses Islambild, das die öffentlich geführte Diskussion so sehr prägt?
Ist dies ein scheinbarer Widerspruch? Oder ein realer? Spaltet das Thema Islam die deutsche Bevölkerung? Was genau denken die Deutschen über den Islam? Und wie entstand dieses Islambild, das die öffentlich geführte Diskussion so sehr prägt?
Die Referenten der Sektion „Ansichts-Sachen. Fremd- und Selbstwahrnehmung des ‚Islam’ in Bildmedien” untersuchten auf dem 48. Historikertag eben jene eurozentrische Sicht auf diese so fremd erscheinende Religion anhand der Bebilderung in unterschiedlichsten Medien – vom Schulbuch über populär(wissenschaftlich)e Geschichtsmagazine bis hin zu den Massenmedien. Und stellten dabei wenig Erstaunliches fest. Denn in unserer medial geprägten Welt verwundert es kaum, dass öffentliche Meinung und in Medien verbreitete Inhalte übereinstimmen.
Dr. Michael Wobring (Universität Augsburg) stellte in seinem Vortrag „Unterschiedliche Sichtweisen – gemeinsame Bilder? ‚Islambilder’ in europäischen Schulgeschichtsbüchern” für die visuelle Aufarbeitung des Themas Islam bereits in Schulgeschichtsbüchern erhebliche Defizite fest. Und das nicht nur für die Bundesrepublik. Er zog in seinem Forschungsbericht einen Vergleich zwischen Deutschland, Frankreich und Spanien und stellte einen europäischen Trend in der Visualisierung des Islam fest. Und das in einem Medium, betonte er, welches vom Staat offiziell geprüft und gezielt zur Bildung junger Menschen eingesetzt wird – nicht selten seien unter ihnen auch Kinder islamischer Religionszugehörigkeit.
Welches Islambild wird in Geschichtsbüchern für den Schulunterricht vermittelt?
Der Geschichtsdidaktiker wies ebenso darauf hin, dass die von ihm untersuchten Länder historisch bedingt unterschiedlichste Verbindungen zur islamischen Welt hätten. Deutschland habe Kontakte in erster Linie durch Immigration erlebt. Frankreichs Blick auf die Religion sei vor allem durch seinen Kolonialismus geprägt. Und Spanien sehe seine eigenen Wurzeln im mittelalterlichen Islam, der erst durch die Reconquista sein Ende fand.
Kapitel in Schulbüchern, die Zeitgeschichte und Islam thematisieren, zeigen laut Wobring zunehmend Bilder, in denen Gewalt auftauche oder solche, die ursprünglich neutrale oder positive Inhalte zeigten, aber im Zusammenspiel mit Überschriften und anderen Bildelementen eine negative Konnotation erfahren würden. Die besondere Gefahr bestehe darin, dass sich die Wirkung von Bildern ungleich schwerer kontrollieren lasse als die von Texten. Auch die häufige Erwähnung von Konflikten und Krisenherden – zunehmend seit dem Jahr 2002 zu beobachten – sei problematisch. Zwar sollten tatsächliche Probleme nicht bagatellisiert oder verschwiegen werden, aber die Schulbuchredaktionen seien in der Pflicht, falsche negative Schlüsse durch Bildkommentare oder zusätzliche Inhalte aufzubrechen. Den Schülern solle eine wissenschaftliche Herangehensweise ermöglicht werden, indem zum Beispiel auf die Quelle eines Bildes hingewiesen und die damit verbundenen Probleme thematisiert werden. Die Mehrzahl der in Schulgeschichtsbüchern verwendeten Bilder seien nicht unproblematische Pressefotos.
Illustrationen in populären Geschichtsmagazinen
Dr. Jutta Schumann (Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte an der Universität Augsburg) übertrug die Bildanalyse in ihrem Vortrag „Zwischen spannender Unterhaltung und rationaler Auseinandersetzung? Populär(wissenschaftlich)e Geschichtsmagazine bebildern das Thema Islam” auf Zeitschriftsformaten wie GEO Epoche, Damals, P.M. History und G/Geschichte, die sich seit einiger Zeit wachsender Beliebtheit besonders beim nicht-akademischen Publikum erfreuen.
In ihren Untersuchungen spielen zum einen die Darstellung des Themas Islam – in direkter oder indirekter Form – auf Titelblättern eine Rolle, zum anderen die Illustration der Artikel im Heft selbst. Durch die Technik der Collage, die sich seit dem vergangenen Jahrzehnt immer mehr etabliert habe, käme es vor allem auf den Titelblättern häufig zu inhaltlichen Verbindungen, die problematisch seien, so Schumann.
Bildcollagen suggerieren häufig eine Bedrohlichkeit des Islam.
Bilder seien für Geschichtsmagazine ein wesentlicher Faktor des Verkaufserfolges und können in ihrem Einfluss auf Geschichtsbewusstsein und Erinnerungskultur der Gesellschaft kaum überschätzt werden. Die Bebilderung auf Titelblättern diene in erster Linie dazu, aus der Masse des Angebotes herauszustechen – oft seien die Collagen reißerisch gestaltet und würden auf diese Weise zu einer vom Betrachter empfundenen Bedrohlichkeit des Islam beitragen. Hierbei werden Schlachtenszenen aus dem 19. Jahrhundert mit aktuellen Bildern von islamistischen Kämpfern verknüpft. Als Bildcodes treten Turban, Krummschwert und Grün als Farbe des Islam immer wieder auf.
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