Auf eine Forschungsfrage von Laura antwortet ScienceBlogger Christian Reinboth:
Eine vergleichsweise einfach erscheinende Frage, auf die es jedoch keine einfache Antwort gibt. Klar ist, dass uns allein schon die Verantwortung für zukünftige Generationen angesichts der möglichen Folgen des anthropogenen Klimawandels dazu verpflichtet, die gegenwärtigen CO2-Emissionen zu reduzieren. Klar scheint aber auch zu sein, dass sich der momentane Energiebedarf westlicher Industrienationen wie der unseren nicht kurzfristig nur über alternative Energiequellen decken lassen wird. Sinnvoll wäre daher meines Erachtens nach eine Doppelstrategie, die zum einen den weiteren Ausbau und die Erforschung regenerativer Energietechniken vorsieht, zum anderen aber dem wichtigen Aspekt der Energieeffizienz zu mehr Aufmerksamkeit verhilft.
Regenerative Energiequellen wie Solar- und Windenergie, Wasserkraft oder Erdwärme können uns zeitlich nahezu unbegrenzt ein Vielfaches der Energiemenge liefern, die wir benötigen, um unseren gegenwärtigen Energiebedarf zu decken. Zum Vergleich: Die Energiemenge, die allein Deutschland jedes Jahr durch die Sonneneinstrahlung erreicht, liegt bei 380 Billionen Kilowattstunden, der Primärenergiebedarf unseres Landes beträgt dagegen nur etwa 4 Billionen Kilowattstunden – gerade etwas mehr als ein Hundertstel der verfügbaren Solarenergie. Der weltweite Energiebedarf liegt zur Zeit bei knapp 120 Billionen Kilowattstunden. Dies bedeutet, dass – zumindest in der Theorie – bereits ein Drittel der hierzulande verfügbaren Solarenergie ausreichen würde, um den Energiebedarf der gesamten Menschheit zu decken.
Die regenerative Energietechnik hat seit Beginn der verstärkten staatlichen Förderung (eine Folge der beiden Ölkrisen in den 70er Jahren) enorme Fortschritte gemacht – Solarzellen werden jedes Jahr effizienter und es vergeht praktisch kein Monat mehr, in dem nicht mindestens eine technische Innovation oder der Start eines weiteren Großprojekts im Bereich der regenerativen Technologie bekanntgegeben wird. Sogar die wirtschaftliche Nutzbarmachung der Gezeitenenergie rückt in greifbare Nähe – so ist aktuell in Großbritannien ein Gezeitenkraftwerk in Planung, das in Zukunft bis zu 5% des britischen Energiebedarfs decken soll . Obwohl all diese Fortschritte erfreulich sind, dürfte jedoch allein die Förderung regenerativer Energietechnologien nicht ausreichen, um uns mittelfristig von fossilen Energieträgern unabhängig zu machen.
Die Steigerung der Energieeffizienz – also die Senkung des Energiebedarfs bei gleichbleibender Lebensqualität – stellt daher die zweite wichtige Komponente einer nachhaltigen Energiestrategie dar. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Wenn wir unseren Bedarf immer weiter senken können, verringern wir nicht nur unsere Abhängigkeit von importierten Energieträgern, sondern machen es auch einfacher, den verbleibenden Bedarf über regenerative Energiequellen zu decken. Für mein aktuelles Arbeitsgebiet – die Beleuchtungstechnik – lässt sich beispielsweise feststellen, dass wir auf gut und gerne 20% der nächtlichen Außenbeleuchtung ohne jeden Verlust von Sicherheit und Komfort verzichten könnten . Der Energieverbrauch der verbleibenden 80% ließe sich durch den Einsatz effizienter Technologien mittelfristig um weitere 40% senken, was insgesamt eine Einsparung von 52% bzw. knapp 2 Milliarden Kilowattstunden bedeuten würde.
Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz bieten sich überall – angefangen beim Verzicht auf die Standby-Funktion des Fernsehers über den Kauf einer effizienteren Waschmaschine bis hin zu “Green IT” in Unternehmen. Gelingt es, diesem wichtigen Thema in den kommenden Jahren ebenso viel öffentliche Aufmerksamkeit und Unterstützung zu verschaffen, wie den erneuerbaren Energien, wäre ein weiterer Schritt in Richtung einer regenerativen Vollversorgung getan.
Eine zu 100% regenerative Energieversorgung ist übrigens nicht nur aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes erstrebenswert. Da alle fossilen Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas nur in endlichen Mengen verfügbar sind, führt deren zunehmende Verknappung bereits heute zu geopolitischen und wirtschaftlichen Problemen. Auch die Kernkraft – vielfach als vermeintlich umweltfreundlicher Ausweg aus der Krise beschworen – bietet maximal eine Lösung auf Zeit, da auch die förderbaren Uranvorkommen begrenzt sind. Neben der regenerativen Energietechnik bleiben damit allenfalls noch die (ökologisch fragwürdige) CO2-Speicherung und die (technisch noch nicht umsetzbare) Kernfusion übrig, wobei letztere zudem mit dem noch immer ungelösten Problem der Endlagerung radioaktiver Abfallstoffe verbunden wäre.
Der bestmögliche Weg zu einer bedarfsgerechten, CO2-armen und nachhaltigen Energieversorgung ist daher meiner Ansicht nach der weitere Ausbau und die fortgesetzte Erforschung regenerativer Energiesysteme bei gleichzeitiger Senkung des Bedarfs durch effizientere Technologien. Dabei besteht durchaus Grund zu der Hoffnung, dass eine substanzielle Deckung (50% und mehr) des Energiebedarfs aus regenerativen Energiequellen auf diesem Wege in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten erreicht werden könnte.
» Christian Reinboth bloggt bei Frischer Wind |
Kommentare (41)