Auf eine aktuelle Forschungsfrage antwortet der Physiker und ScienceBlogger Dr. Joerg Rings:

Zunächst einmal sollte man vorbemerken, dass in unserer makroskopischen Welt der Zeitpfeil nicht einfach umkehrbar ist. Die Gesetze der Thermodynamik sagen ganz klar und in Stein gemeißelt: Die Menge an Unordnung in einem geschlossenen System wird auf lange Sicht immer zunehmen. Dies passiert zumeist, weil Energie durch Reibung als Wärmeenergie “verloren” geht. So lässt sich auch die Richtung der Zeit definieren, die wir empfinden.

Aber richtig, in einem mikroskopischen System ist die Zeit umkehrbar, wenn wir keine Reibung annehmen. Man stelle sich eine Aufnahme von einem Billiardstoß vor, der mit einer Kamera aufgenommen und rückwärts abgespielt wird: Es ist genauso möglich und wird durch die gleiche Theorie beschrieben.

In der Tat – diese Beobachtung einer Umkehrbarkeit der Zeit ist vielleicht die fundamentalste Erkenntnis, die man in der Physik beobachten kann. Es ist eine Symmetrie – die Symmetrie der Zeitumkehr.

Nach einem wichtigen Theorem, das Emmy Noether 1918 formulierte, entspricht eine Symmetrie einem Erhaltungssatz. Im Falle der Zeitinvarianz gehört dazu die Energieerhaltung, eine Säule der Physik. Bleibt noch zu bemerken, dass man als wirklich fundamental die CPT-Invarianz annimmt. Das bedeutet Invarianz unter gleichzeitiger Vertauschung von Ladung, Raumrichtung und Zeit.

Denn man hat beobachtet, dass wenn man Ladung und Raumrichtung gleichzeitig umdreht, Prozesse der Schwachen Wechselwirkung, einer der 4 Fundamentalkräfte, nicht komplett symmetrisch ablaufen. Es gibt kleine Abweichungen, und daher erwartet man, dass in diesem Fall auch die Zeitinvarianz leicht unsymmetrisch ist, damit im
Endeffekt CPT-Vertauschung wieder symmetrisch wird.

Weitere Antworten und Diskussionen sind erwünscht!

 » Dr. Joerg Rings ist Physiker und bloggt bei Diax’s Rake i-5f1921f747c86d9d51888951c4575ba5-Joerg_Rings_45.jpg

Kommentare (12)

  1. #1 Ronny
    September 21, 2009

    Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass die ‘positive’ Richtung der Zeit NUR dadurch von uns erkannt wird, WEIL die Entropie zunimmt.

    Daraus ergibt sich auch noch ein ganz anderer sehr interessanter Aspekt: Nach dem Urknall muss ein extrem niederentropischer Zustand geherrscht haben. Nicht gerade etwas das man von einer gleichverteilten Plasmawolke erwarten würde.

  2. #2 miesepeter3
    September 21, 2009

    Ich habe erhebliche Schwierigkeiten, mir Zeit als etwas anderes vorzustellen, als einen aufeinanderfolgenden Ablauf. Auch ist mir noch keine Erklärung von “Zeit” vorgekommen, die mir begreiflich erschien. Das mag zum Großteil auch an meiner in diesem Falle eingeengten Vorstellungskraft liegen. Aber ich kann mir z.B. vorstellen, dass morgens um 8:00 Uhr ein Physiklehrer zu seiner gebannt lauschenden Klasse sagt, das er um 9:00 Uhr einen kleinen roten Ball um eine halbe Stunde in die Vergangenheit mit seiner kleinen Zeitmaschine schicken wird. Pünktlich um 8:30 Uhr erscheint in der bis dato leeren Zeitmaschine ein kleiner roter Ball, den der Lehrer der Zeitmaschine entnimmt und dem staunenden Publikun präsentiert. Um Punkt 9:00 Uhr legt er den kleinen roten Ball in die Zeitmaschine, stellt 30 min rückwärts ein und drückt aufs Knöpfchen. Der kleine rote Ball verschwindet mit einem leisen Knall, so sehr viel Luft kann in seinen Platz nicht eindringen, er war ja ein kleiner Ball. Das Experiment ist zur Zufriedenheit aller erfolgreich beendet.
    Nur eine einzige Frage bereitet mir Kopfzerbrechen : woher ist dieser kleine rote Ball gekommen ??
    Kann mir das bitte jemand mit den heute wissenschaftlich anerkannten Definitionen von Zeit erklären?
    Danke im Voraus.

  3. #3 Chartinael
    September 21, 2009

    An wen kann man denn Forschungsfragen stellen? Meine Tochter hätte da eine und ich hab großmäulig verkündet, sie könnte das auf SB.

  4. #4 Jörg
    September 21, 2009

    @miesepeter3: Ganz einfach. Es gibt keine beobachtbaren Zeitreisen. Also gibt es auch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber. Für Spekulationen siehe einschlägige Science Fiction-Literatur.

    @Chartinael: Forschungsfragen kann man hier stellen:
    https://forschungsexpedition.de/

  5. #5 miesepeter3
    September 21, 2009

    @Jörg

    Zitat Anfang”@miesepeter3: Ganz einfach. Es gibt keine beobachtbaren Zeitreisen. Also gibt es auch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber.”Zitat Ende

    Stimmt, d i e s e Erklärung ist wirklich einfach.

  6. #6 matthias
    September 21, 2009

    Natürlich kann man durch die Zeit reisen! guckst du hier…
    Wäre nicht eigentlich das beste Indiz, dass man nicht -in der gängigen Zeitmaschinenvorstellung- rückwärts durch die Zeit reisen kann, das, dass man sich dann massenhaft unauflösbare Paradoxa einfangen würde?

  7. #7 Skeptiker
    September 21, 2009
  8. #8 Ronny
    September 21, 2009

    @Skeptiker
    Guter Artikel, danke.

    @matthias
    Nö, wenn du rückwärts in die Zeit reist, dann passiert alles genauso wie es passierte, da du ja damals auch dort warst 🙂

    @miesepeter
    Lies mal: Der Stoff aus dem der Kosmos ist’ von Brian Greene. Da wird Zeit in einem Kapitel sehr gut beleuchtet.

  9. #9 miesepeter3
    September 22, 2009

    Danke für die vielen schönen Hinweise, ich werde all das lesen und möglicherweise auch das eine oder andere davon verstehen. Nun habe ich diese Frage nach dem kleinen roten Bällchen natürlich nicht einfach so gestellt. Diese Beispiel wurde vor etwa 40 Jahren von einem Physiker, der sich mit dem Problem Zeit beschäftigte, so gestellt, um deutlich zu machen, dass wir mit unserem 3D Verstand das Phänomen Zeit nur schwer erfassen können. Wir stellen uns Zeit als eine Abfolge von Geschehnissen vor, die wie die räumlichen Begriffe vorwärts und rückwärts zu funktionieren scheinen. Das ist leider nicht ganz so einfach. Wäre dem so, gäbe es in vielen Fällen das berühmte Zeitparadoxon (Ich ermorde meinen Großvater vor der Geburt meines Vaters, was ist dann mit mir? Wenn ich dann nicht existiere, kann ich meinen Großvater nichtermorden. Wenn ich dann doch wieder existiere, dann…)
    Ziemliches Chaos in der Vorstellungselt. Ich kam auf diese Frage, weil ich das oben angeführte Beispiel mit der Filmaufnahme des Billiardstoßes, die rückwärts abläuft, genau in diese Kategorie stellen möchte: leider völlig falsch!
    Rückwärts abgespielt würde die Kugel das Queue anstoßen und damit den Eindruck einer ganz anderen Kraftverteilung erwecken. Nur, weil ein anderer Zeitablauf erfolgt, gibt es keine andere Kraftquelle im selben Vorgang. Alles in allem, wenn man die neuesten Erkenntnissse über die Zeit versucht zu verstehen, was nicht so ganz einfach ist, kommt man zu dem Schluß, so sehr viel weiter als vor 40 Jahren ist man in
    diesem Thema noch nicht weitergekommen.

  10. #10 Ronny
    September 24, 2009

    @miesepeter
    Das Großvaterproblem löst sich wenn du dir bewusst machst, dass die Ereignisse damals genauso gelaufen sind WEIL du in die Vergangenheit reisen wirst und quasi immer schon dabei warst. Wenn du es damals nicht geschafft hast deinen Großvater zu ermorden, dann hast du es nicht geschafft. Punkt. Außerdem der beste Beweis dafür dass Zeitreisen nicht funktionieren ist doch die Tatsache, dass bis jetzt kein Zeitreisender gesichtet wurde.

    Was ist seltsam an dem Beispiel mit dem Queue ? Dein Muskel erzeugt aus chemischer Energie eine Bewegung die die Kugel beschleunigt. Diese gibt die Energie in Form von Reibung als Wärme ab. Umgekehrt könnte sich doch die Wärmeenergie unter der Kugel sammeln und diese auf den Queue prallen lassen. Der Muskel federt den Stoß ab indem er Wärme aufnimmt und chemische Energie erzeugt. Rein mathematisch betrachtet, kein Problem. Der einzige Grund warum dies nicht klappt ist der zweite Hauptsatz der Thermodynamik (Entropie). Deshalb auch meine Aussage, dass man die positive Richtung der Zeit NUR an der Entropiezunahme erkennt.

  11. #11 UBs
    September 25, 2009

    Ein wirklich spannendes Thema!

  12. #12 Korrektor
    November 26, 2011

    Im Artikel lese ich:

    Es ist eine Symmetrie – die Symmetrie der Zeitumkehr.
    Nach einem wichtigen Theorem, das Emmy Noether 1918 formulierte, entspricht eine Symmetrie einem Erhaltungssatz. Im Falle der Zeitinvarianz gehört dazu die Energieerhaltung, eine Säule der Physik.

    Joerg, hast Du das wirklich geschrieben, warst Du damals besoffen oder bin ich ein funktioneller Analphabet? Natürlich folgt der Energiesatz nicht aus der Invarianz gegen Zeitumkehr, sondern der Invarianz gegen zeitliche Verschiebung (Invarianzen gehen auf Lie-Symmetren zurück, und natürlich kann eine Spiegelung da nicht mitmischen).

    Da ich schwer davon ausgehe, daß Du das weißt, bleibt es mir nur fassungslos festzuhalten: Der Topfen ist in zwei Jahren keinem Menschen aufgefallen.

    Oder steh ich am Schlauch?