Auf eine aktuelle Forschungsfrage von Klaus antwortet der Klimaforscher und ScienceBlogger Dr. Georg Hoffmann:

Die im Rahmen des IPCC AR4 durchgeführten Klimamodellläufe berechnen eine globale Klimaänderung zwischen ca. +2°C bis + 6°C bis 2100, je abhängig vom ausgewählten ökonomischen Szenario (Bevölkerungsentwicklung, Energiemix, etc.). Selbst wenn man sich auf die “realistischeren” Fälle beschränkt (ist nur meine Beurteilung, nichts offizielles), also vielleicht auf ein Erwärmungsintervall von +2-4°C global, sollte man die aktuelle Erwärmung mit anderen Klimaepochen vergleichen, um einen Eindruck davon zu bekommen, mit welcher erdgeschichtlichen Größenordnung wir es hier eigentlich zu tun haben.

So war die letzte Eiszeit (vor 20.000 Jahren) weltweit etwa 5°C kälter oder das Miozän (vor 20 Millionen Jahren) war nur +2°C wärmer. Trotzdem verbinden auch geologische Laien mit solchen Erdzeitaltern sofort eine im Vergleich zu heute vollkommen verschiedende Fauna und Flora, eben vom Mammut bis zum Riesenfaultier. Es ist somit sofort klar, dass der erdgeschichlich bedeutsame und vor allem geologisch blitzartige Klimawandel des kommenden Jahrhunderts eine oft unangepasste Tier- und Pflanzenwelt vorfinden wird. Die Erwärmung wird extrem schnell vor sich gehen. Wieviele Tier- und Pflanzenarten werden sich nicht anpassen können?

Sehr schwierig wird es sicher für Biome werden, die sich an der unteren Skala der Temperaturtoleranz befinden, etwa das Hochgebirge oder die nördliche Baumgrenze, einfach weil sich nach einer Erwärmung kein Rückzugsraum mehr bietet.

Aber wieviele Taxa könnten denn nun wirklich der Klimaerwärmung zum Opfer fallen? Eine sehr schwierige Abschätzung. Und eine teils sehr theoretische Rechnung, denn schliesslich wird sich in Zukunft nicht nur das Klima ändern. Eine bestimmte Spezies mag aus einer ganzen Reihe von Umwelteinflüssen aussterben. Welcher davon denn nun einer Spezies genau den Coup de Grace gegeben hat, ist nicht immer einwandfrei festzustellen.

Ökologen haben eine Beziehung zwischen Habitatgröße und Biodiversität für verschiedene Biome errechnet, die sogenannten Area-Species-Beziehungen. Benutzt man diese empirischen Beziehungen und wendet sie auf die Zukunft an, so kann man eine Abschätzung anstellen, wieviele Spezies auf Grund der verschwindenden und sich verkleinernden Habitate verschwinden werden. So kam eine Studie in Nature bei einem moderaten Temperaturszenario zu der beängstigenden Zahl von 15-35% Artensterben (Thomas et al. s. unten).

Ist irgendetwas von diesen Trends und Entwicklungen bereits eingetreten? In der Tat beobachtete Camille Parmesan bereits Veränderungen, die mit diesem theoretischen Konzept der Biomeverschiebungen und seinen Konsequenzen für die Biodiversität übereinstimmen (s.unten). Während also sicher viele Faktoren am momentanen Artensterben beteiligt sind, sieht es doch so aus, als könne der Klimawandel als einer der bereits jetzt wirkenden Faktoren identifiziert werden. Das wird sich natürlich in der Zukunft eher noch ausweiten.

Ist das Ganze irgendwie überraschend? Nein, denn auch in der Vergangenheit waren große abrupte Klimaänderungen für große Artensterben verantwortlich. Als ein Beispiel sei an das sogenannte Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum erinnert. Vermutlich haben damals erhebliche ozeanische (oder terrestrische) Methanflüsse zu einem starken Anstieg des Treibhausgaseffekts geführt (globale Erwärmung von ~+6°C).

Das insbesondere im Ozean beobachtete Artensterben (insbesondere benthischer Foraminiferen, von denen ca. 40% ausstarben), war wahrscheinlich ein Resultat, sowohl des starken Temperaturanstiegs, wie auch der von den CO2-Flüssen verursachten Ozeanversauerung (alles ursprünglich emittierte CH4 wird ja in CO2 umgesetzt). Diese CO2-Flüsse sind in solchen Rechnungen, wie denen von Thomas, noch gar nicht berücksichtigt. Kurz: die kommenden Entscheidungen in Sachen Klima könnten nicht nur für die Spezies Homo sapiens enorme Konsequenzen haben.

Links:
https://www.law.arizona.edu/AdaptationConference/PDFs/ParmesanAREES_Impacts2006.pdf
https://www.arp.harvard.edu/sci/climate/journalclub/Parmesan2.doc
https://eprints.whiterose.ac.uk/archive/00000117/01/thomascd2.pdf

Weitere Antworten und Diskussionen sind erwünscht!

 » Dr. Georg Hoffmann ist Klimaforscher und bloggt bei Primaklima i-e61d9109fa38fa5bc299672e4d829f8c-Georg_45.jpg