Frau Axolotl ist eine Diva. Als der Vorführ-Lurch des Instituts einmal für einen Kalender in Szene gesetzt werden sollte, blieben die leuchtend roten Außenkiemen eingeklappt. Bis der Fotograf entnervt Kamera, Lampen und Stative wegpackte. Kaum war die letzte Tasche verschlossen, entfaltete die Amphibiendame den einzigen Blickfang an ihrem bleichen Körper wieder zu voller Größe.
Florian Frisch führt mal wieder eine Besuchergruppe durch das Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik (warum haben solche Einrichtungen immer so umständliche Namen?) und gibt dabei die Axolotl-Anekdote zum Besten.
Die 25 Berufsschüler, angehende medizinisch-technische Assistenten und -innen, lachen. Ansonsten wirken sie zwar interessiert, aber noch ein bisschen verschlafen.
Die Führung ist gleich zu Ende. “Noch Fragen?” Angesichts des Axolotl taucht dann doch noch eine auf: Ob man das Tier streicheln könne? Die Antwort ist nein: Erstens würde es die ins Wasser greifende Hand für einen zugreifenden Räuber halten und erschrecken. Zweitens könnte die Hand von krank machenden Keimen besiedelt sein.
Rund 120 Mal im Jahr führt der Öffentlichkeitsreferent Kindergärten, Schulklassen, Seniorengruppen und Touristen, die wissen wollen, wie Forscher arbeiten, durch die Labors in dem riesigen blau-grünen Quader. Also etwa alle zwei Arbeitstage. Sogar für Familien- oder Geburtstagsfeiern wird inzwischen ein Bildungsabstecher hierher eingeplant. Klar, dass Frisch auf Fragen aller Art vorbereitet ist und zur Not auch welche anzuregen weiß. Aber, sagt er, “am spannendsten ist es immer mit jüngeren Kindern: Die sind noch ganz offen und stellen Fragen, auf die nicht einmal wir kommen.”
Zum Beispiel: Wie lange braucht Spucke vom vierten Stock bis zum Boden der offenen Eingangshalle? Oder: Brauchen Zebrafische keine Brille? Die Augen liegen so weit auseinander zu beiden Seiten des Kopfes, und außerdem sieht man doch unter Wasser immer unscharf.
Florian Frisch ist die Schaltstelle zwischen Grundlagenforschung und Öffentlichkeit. Nach der Führung interviewe ich ihn daher gleich mal.
Was interessiert die Öffentlichkeit an dem Institut und der Forschung, die hier betrieben wird? Welche Fragen stellen Laien?
“Ich bin inzwischen einiges gewöhnt. Da gab es mal eine Anfrage von jemandem, der behauptete, er hätte sich zum Zwerg operieren lassen, und wolle uns mit der Herstellung von Orks beauftragen – wahrscheinlich wollte der testen, wie wir reagieren. Man wird aber auch mit ganz persönlichem Leid konfrontiert: Manche Leute glauben, sie könnten bei uns eine Therapie für ihre Krankheit bekommen oder bei Medikamentenversuchen mitmachen. Da muss man dann sehr feinfühlig antworten.”
Welches war die dümmste Frage?
“Eine Besucherin wollte wissen, ob transgene Mäuse durchsichtig sind – sie meinte wohl transparent.”
Haben die Besucher trotzdem etwas davon, wenn sie hierher kommen?
“Unsere Direktoren finden manchmal, dass ich zu viel Zeit für Führungen aufwende. Diese bewirken aber weit mehr als so manche Hochglanzbroschüre, weil die Leute sich persönlich einen Eindruck verschaffen, wie Forscher in ihren Labors arbeiten. Kürzlich habe ich eine E-Mail erhalten, dass in dem Kindergarten, der vor einem Monat hier war, die Kinder bis heute davon sprechen.”
Wie oft kommt es vor, dass die Wissenschaftler an den Öffentlichkeitsreferenten herantreten, weil sie Ergebnisse ihrer Arbeit auch beim Laienpublikum bekannt machen wollen?
“Nicht so oft. Es gibt welche, die wissen, dass Klappern zum Geschäft gehört. Die haben meist auch spannende Dinge zu veröffentlichen, zu denen ich dann prompt Anfragen von Fernsehsendern oder Zeitungen bekomme. Aber es gibt auch andere, die lieber zurückgezogen arbeiten. Einzelne fragen auch mal an, ob ihr Thema vielleicht für ein breiteres Publikum interessant sein könnte. Grundlagenforschung ist diesem aber im Allgemeinen schwer zu vermitteln. Ich schicke nur dann eine Pressemeldung hinaus, wenn ich mir sicher bin, dass die Journalisten darauf anspringen. Wenn dies nicht der Fall ist, biete ich den Wissenschaftlern an, ihre Geschichte auf unsere Homepage zu stellen.”
Wenn das Thema spannend genug ist, wie gut können die Wissenschaftler es auf ein verständliches Niveau herunter brechen?
“An den Texten, die sie mir liefern, muss ich meist ziemlich feilen. Wenn ich ihnen dann einen überarbeiteten Vorschlag schicke, machen sie ihn manchmal wieder schwerer lesbar, weil sie Dinge, die ihnen aus wissenschaftlicher Sicht unverzichtbar erscheinen, wieder hineinflicken. Da muss ich dann erneut dran. Andererseits gibt es erstaunlich viele Wissenschaftler, die sehr gute Vorträge halten. Sie machen komplizierte Vorgänge mit einleuchtenden Vergleichen sogar für Kinder anschaulich. Von ihnen konnte ich mir viel abschauen.”
Wie häufig sind Anfragen von Journalisten?
“Das passiert öfter, aber häufig geht es dabei nicht so sehr um die Grundlagenforschung, sondern um ganz andere Dinge: Als es beispielsweise danach aussah, dass die NPD in den Landtag gewählt würde, rief RTL bei uns an und wollte wissen, was wir als international besetzte Einrichtung davon halten. Oder als der Bundestag über Stammzellen debattierte, fragten Journalisten uns nach unserer Meinung, obwohl hier niemand mit menschlichen Stammzellen forscht. Das hat einfach damit zu tun, dass wir bei jeder Anfrage schnell und unkompliziert reagieren. Das wissen die Journalisten. Und weil wir auch die flachen Hierarchien und die familienfreundlichen Arbeitsbedingungen am Institut in die Öffentlichkeit tragen, werden wir eben auch zu solchen Themen um unsere Meinung gebeten.”
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