Die Tante aus Australien war gerade zu Besuch. Nicht meine, die von Simon Alberti. Der hat vor einem halben Jahr damit begonnen, eine neue Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik aufzubauen.
Die Tante war neugierig. Was er denn da so mache, wollte sie wissen. Aber bitte in höchstens zwei bis drei Sätzen. “Da habe ich gesagt, nein, das geht nicht. Wer es wirklich wissen will, muss sich schon ein bisschen Zeit nehmen”, sagt Alberti.
Ich habe ihn zum Abschluss eines langen Gesprächs gefragt, wie er einem, sagen wir mal: fünfzehnjährigen Gymnasiasten erklären würde, was er forscht und mit welchem Ziel.
Also, liebe Tante, ich versuche es auch mal. Simon Alberti will herausfinden, wie die Proteinfaltung in der Zelle kontrolliert wird. Protein ist klar: Das sind die molekularen Maschinen, die in der Zelle alle möglichen Aufgaben erledigen, Stoffwechselvorgänge regulieren zum Beispiel, Substanzen transportieren oder Energie freisetzen. Und zwar in allen Zellen, ob von Hefe, Schleimpilz oder Mensch. Proteine bestehen aus langen Ketten von Aminosäure-Bausteinen, die sich normalerweise auffalten und zu kugeligen Formen verknäueln, so wie das Handyladekabel in Handtaschen heimlich zu tun pflegen. Nur dass sie das auf eine ganz bestimmte Art tun. Wenn sich die Knicke und Schlaufen jedoch von der Produktionsnorm abweichen, funktioniert das Protein nicht mehr so, wie es normalerweise funktioniert.
Nun gibt es aber auch Proteine, die darauf spezialisiert sind, die Qualität bei der Herstellung der anderen Proteine zu überwachen. Sie merken sofort, wenn sich die Aminosäureketten, die sozusagen frisch vom Fließband kommen, nicht ordnungsgemäß falten. Manche von diesen Kontrollettis haben die Wissenschaftler “Chaperone” getauft, also Anstandsdamen. Vielleicht, weil sie aufpassen, dass so ein Proteinknäuel nicht plötzlich sein Innerstes nach außen kehrt. Jedenfalls ziehen die Qualitätswächterproteine die Falschfalter flugs aus dem Verkehr.
An diesem Punkt der Erklärung wollen wissenschaftliche Laie für gewöhnlich wissen, ob bei diesem Forschungsprojekt im Endergebnis ein Medikament gegen Krebs, Rinderwahnsinn oder Alzheimer herauskommt. Denn, so kombinieren sie: Wenn falsch gefaltete Proteine womöglich krank machen, könnte der Weg über die Kontrollproteine womöglich zu einer Therapie führen. Ich brauche die Frage gar nicht zu stellen, Simon Alberti spricht sie von sich aus an und beantwortet sie auch gleich: Kann sein, kann aber auch nicht sein. “Ich bin Biologe”, sagt er, “mich interessiert in erster Linie, wie Leben überhaupt funktioniert.”
Alles klar, liebe unbekannte Tante? Alles klar, liebe Neffen, Nichten, Nachbarn, Blogleser?
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