Seinerzeit im Biologieunterricht waren Zellen immer als flüssigkeitsgefüllte Säcke dargestellt, in denen Zellkern, Mitochondrien und Proteine frei herumschwimmen. In Wirklichkeit besitzen sie ein Skelett, das ihnen nicht nur als mechanische Stütze, sondern auch als internes Transportsystem dient.
Das Zellskelett besteht natürlich nicht aus Knochen, sondern aus einem Netzwerk fadenförmiger Strukturen: Manche sind eher wie Spaghetti, manche eher wie lange Makkaroni aufgebaut. Sie fügen sich wie von Zauberhand aus Proteinen zusammen – und lösen sich an anderer Stelle auch ständig wieder auf.
Die Mikrotubuli sind ein Teil dieses Netzwerks. Doch was steckt hinter dem scheinbar magisch ablaufenden Zusammenfügen und Auseinanderbauen der Mikrotubuli? Das ist, in einem Satz, das Forschungsgebiet der Biologin Simone Reber.
Die Methode, mit der sie an diese Frage herangeht, könnte man so zusammenfassen: Sie schaltet Proteine aus, von denen man bisher nur vermutet, dass sie auf der Dauerbaustelle Zellskelett eine Rolle spielen. Das geht mit gezielten Mutationen an den Genen, in denen die Bauanleitung für das fragliche Protein enthalten ist. Die Veränderung am genetischen Code erzeugt eine fehlerhafte Bauanleitung, das Protein funktioniert nicht richtig. In diesem Fall heißt das: Wenn bei Ausfall eines bestimmten Proteins keine vernünftigen Mikrotubuli entstehen, ist es ein Kandidat.
Von einem Protein mit dem merkwürdigen Namen “X-map 215” zum Beispiel weiß man inzwischen, dass es das Wachstum von Mikrotubuli anregt. Das reicht den Biologen aber nicht. Simone Reber testet jetzt systematisch durch, welcher Teil des Proteins dafür zuständig ist und wie viel davon während der Zellteilung oder dazwischen nötig ist. Denn wenn sich eine Zelle anschickt, sich zu vermehren, müssen die Mikrotubuli quasi umprogrammiert werden: Statt als Stütze für die Zelle und als Autobahn für zellinterne Transporte zu dienen sollen sie Chromosomen aufsammeln, ordnen und gleichmäßig auf die beiden Tochterzellen verteilen. Für diese kurzfristige Veränderung ihres Aufgabenbereichs erhöhen sie die Intensität des ständigen Auf- und Abbauens.
Die Ergebnisse dieser Tests fließen am Ende in eine Datenbank ein, die alle Informationen über das komplizierte Geschehen bei der Zellteilung sammelt.
Für ihre Untersuchungen nutzt Simone die Eizellen des afrikanischen Krallenfrosches Xenopus laevis. Die sind bei Biologen beliebt. Erstens, weil sie leicht zu gewinnen sind: Man spritzt den weiblichen Tieren Hormone, worauf sie binnen weniger Stunden reife Eier ablegen. Und diese sind, zweitens, außergewöhnlich groß: Mit über einem Millimeter Durchmesser lässt sich schon unter einem gewöhnlichen Lichtmikroskop sehen, was darin gerade vorgeht. In Heidelberg, wo Simone Reber geforscht hat, bevor sie nach Dresden ans Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik kam, standen nur wenige Tiere zur Verfügung, und viele Wissenschaftler wollten ihnen an den Laich. “Hier bin ich die Einzige”, freut sich Simone: “160 Frösche für mich allein.”
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