Das Geheimnis ist gelüftet. Die “Goldene Kopfnuss” ist keine Misshandlung mithilfe von Edelmetall, sondern eine faustgroße Plastik aus gehärteter Knetmasse.
Sie stellt ein Gehirn dar, das statt der echten Walnuss in einer nachgebildeten halben Nussschale ruht. Mit Goldfarbe bepinselt, ging das Werk letzten Montagabend an den Sieger des Science Slam “kurz&klug” in Dresden. Die Organisation dieses Abends, gemeinsam mit den drei hiesigen Max-Planck-Instituten und der Technischen Universität, war integraler Bestandteil meines Dresden-Abenteuers in diesem Jahr. Dass Dirk Stiefs vom Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme die Trophäe gewann, hat jedoch die unabhängige Publikums-Jury entschieden.
Acht Teilnehmer aus verschiedenen Forschungseinrichtungen waren angetreten, zwei Doktoranden, vier Postdocs und zwei Professoren. Die Vorgaben, die Moderator Wolfgang Donsbach zu Beginn erklärte, waren hart: Maximal zehn Minuten hatten die Vortragenden Zeit, dem Publikum ihr Forschungsthema zu erklären. Am Ende bewertete eine Jury aus zehn zufällig ausgewählten Zuschauerinnen und Zuschauern, wie verständlich und gleichzeitig wie unterhaltsam dies gelungen war. Anders als auf einem Seminar für Fachleute waren die Science Slammer aufgefordert, über die bewährte Powerpoint-Präsentation hinaus alle erdenklichen alternativen Kommunikationswege zu nutzen.
Erstaunlich: Alle Teilnehmer blieben unter dem Zeitlimit. Das Klingeln des Backweckers, der sie andernfalls erbarmungslos unterbrochen hätte, ging jeweils im Schlussapplaus unter. Vor allem aber kam tatsächlich eine Vielfalt von Präsentationsformen zum Einsatz.
Der aus Schweden stammende Physiker Janik Kailasvuori illustrierte seinen auf Deutsch gehaltenen Beitrag über “Nicht-Abelsche Anyonen” mit hinreißenden Hüftschwüngen, die zeigten, dass es eben einen Unterschied macht, ob man die sonderbaren Quasiteilchen vorneherum oder hintenherum zu Zöpfen flicht.
Der Australier Steven Lade hatte eine Truppe von Physikerkollegen mit Boxhandschuhen aufgeboten, um das Schicksal des Motorproteins “Myosin-V” auf seinem Weg entlang der Nervenbahnen in Form eines Balletts darzustellen.
Ein anderes Motorprotein, das “Kinesin-1”, trat sogar persönlich auf, glaubhaft verkörpert von dem Molekularbiologen Till Korten mit Zipfelmütze, Medizinball und schwerem Berliner Akzent. Sogar politische Anspielungen baute Korten in seine Schilderung des “Hindernislaufs zum Geistesblitz” ein.
Über “Ha(a)rmonisches aus dem Innenohr” berichtete Kai Dierkes. Bei diesem Vortrag aus dem Grenzgebiet zwischen Physik und Biologie ging es um die gekoppelten Schwingungen der winzigen Härchen, die das Hören ermöglichen. Dem Publikum gefiel dabei hörbar besonders gut, dass für ein gutes Gehör auch Nutella hilfreich sein kann.
Bei dem Beitrag des Verkehrswissenschaftlers Michael Beitelschmidt (“Warum ist die Eisenbahn so laut und was tun wir dagegen?”) hielten sich manche Zuschauer die Ohren zu: Der Originalton eines vorbeifahrenden Güterzuges brachte den Festsaal der Technischen Universität zum Erzittern. Dafür kam massiv Bewegung in die Reihen, als das Publikum mit La-Ola-Wellen die Ausbreitung des Schalls inklusive Dämpfung darstellen musste.
Spektakulär dampfenden flüssigen Stickstoff hatte Ludwig Schultz mitgebracht. Der Experte für metallische Werkstoffe führte in die “Wundersame Welt der Supraleiter” ein, die kleinen Modellbahnen zum Schweben zu bringen, übernahm dann eine versierte Mitarbeiterin.
In das Universum fünf Minuten nach dem Urknall entführte der Astrophysiker Michael Anders das Publikum. Sein Thema war gleichsam brandheiß: Gerade von einem Forschungsaufenthalt in Italien zurück, präsentierte er das noch wenig eindeutige Ergebnis seiner “Suche nach dem Lithium im Heuhaufen”. Wir drücken ihm die Daumen, dass er beim nächsten Mal fündig wird.
Dirk Stiefs, der schließlich als Gewinner aus dem fröhlichen Wettstreit hervorging, hatte kurzerhand sein Hobby, das Jonglieren, zu Hilfe genommen, um seine Forschung über Bifurkationen in dynamischen ökologischen Netzwerken vorzustellen. “Plagen, Pest und Chaos” lautete die Überschrift. Ein simpler Zollstock mit Pfeilspitze markierte das Koordinatensystem, die Jonglierbälle stellten die Lebewesen im Netzwerk dar: Ratten auf einer Insel, deren Zahl von eigens importierten Katzen reduziert wird, deren massenhafte Vermehrung wiederum eine Katzenseuche verhindert, das Ganze wieder von vorne und so immer weiter. Komplett ohne Powerpoint. Das beeindruckte.
Gelungen waren indessen alle Vorträge.
“Dresden Fernsehen” hat den Abend in Ausschnitten in einem Video festgehalten. Dort ist auch die Goldene Kopfnuss kurz zu sehen.
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