Strom aus überschüssiger Wärme gewinnen – das klingt fast nach dem Ei des Kolumbus. Denn ein Automotor vermag lediglich einen kleinen Teil des eingespeisten Treibstoffs in Antriebsenergie umzuwandeln. Der viel größere Teil erhitzt nur den Motorblock.
Mit Bauteilen aus thermoelektrischen Materialien ließe sich die Wärme, die jetzt nutzlos verpufft, in Strom umwandeln. Und der könnte Fensterheber oder andere elektrische Systeme im Wagen betreiben.
So erklärt mir die Physikerin Deepa Kasinathan, woran sie arbeitet. Allerdings fließen die Ergebnisse ihrer Forschungstätigkeit nicht direkt in die Automobilproduktion oder andere industrielle Anwendungsgebiete. Der Theoriegruppe Festkörperphysik am Dresdner Max-Planck-Institut für die Chemische Physik fester Stoffe, zu der die gebürtige Inderin Kasinathan gehört, geht es vielmehr darum grundsätzlich zu verstehen, was in thermoelektrischen Werkstoffen geschieht.
Deepa untersucht eine von vielen möglichen Stoffklassen, die Klathrate. Das sind in ihrem Fall meist Verbindungen aus Barium, Gallium und Germanium. Die Gallium- und Germanium-Atome bilden “Käfige”, in denen Barium-Atome “gefangen” sind. Die Käfige muss man sich als regelmäßige Vielecke vorstellen, entweder mit 20 oder mit 24 Ecken. Käfig für Käfig ordnen sie sich bei der Herstellung zu dreidimensionalen Kristallgittern an.
Aber wie verwandelt dieses Gitter Wärme in Strom? Um das zu erklären, bemüht die Festkörperphysik wieder einmal ein Quasiteilchen, also ein Elementarteilchen, das eigentlich nicht existiert, sondern eher eine Hilfskonstruktion ist, um Schwingungen oder andere beobachtete Erscheinungen beschreiben zu können. Hier sind es Phononen, und die stehen für Schwingungen des Kristallgitters. Sie sind die Hauptverantwortlichen für die Wärmeleitung: Je freier das Gitter schwingen kann, desto besser gleichen sich Temperaturunterschiede im Material aus. Die Wärme wird quasi geschluckt. Schafft man es jedoch, die Zahl der Phononen zu verringern, zum Beispiel durch ein ungewöhnliches Kristallgitter, zwingt dies die Elektronen, die temperaturausgleichende Rolle zu übernehmen. Elektronen können aber nicht anders: Sie reagieren darauf, indem sie eine elektrische Spannung aufbauen. Voilà: Die Temperaturunterschiede im Werkstoff führen dazu, dass Strom fließt. Je mehr Elektronen dafür zur Verfügung stehen, desto effizienter die thermoelektrischen Eigenschaften des Materials. Genau das will Deepa durch geschicktes Design erreichen.
So versucht sie die Zahl der beteiligten Elektronen zu erhöhen, indem sie die Oberfläche vergrößert, also dünne Schichten statt großer Klumpen verwendet. Am Anfang von Deepas Projekt stand deshalb die Idee, Partikel im Nanomaßstab könnten bessere thermoelektrische Eigenschaften aufweisen als ganze Klathrat-Klötze. Deepa spielt mit verschiedenen Arten simulierter Klathrat-Krümel am Computer durch, wie das gehen könnte. “Wir wissen zwar so ungefähr, was da geschieht”, sagt Deepa, “aber wir müssen erst noch verstehen, in welchem Ausmaß es unter verschiedenen Voraussetzungen geschieht”.
So viel hat sie schon herausgefunden, seit sie vor einem halben Jahr an diesem Projekt zu arbeiten begonnen hat: Es scheint eine Beziehung zu geben zwischen der Dicke der Materialschicht und dem Verhalten der Phononen und Elektronen. Die Computersimulation hat den Vorteil, dass man alle denkbaren Zerkleinerungsarten ausprobieren kann, dass man sogar für einzelne Schichten von Käfigen rechnen und versuchsweise auch ganz andere Atome in das Gitter einsetzen kann. Kann sein, dass dabei in der Theorie eine optimale Nano-Körnung herauskommt, die sich praktisch gar nicht umsetzen lässt. Aber, so Deepa: “Es ist viel billiger, das in Modellen zu berechnen. So viele Experimente wie ich am Computer mache könnte man im Leben nicht praktisch durchführen.”
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