Es kam, wie wir es im Grunde erwartet hatten, und der Standard und Florian haben bereits gestern darüber berichtet: Das Wissenschaftsministerium hat die letzten zwei Monate intensiv über der von uns unter Federführung von Erich Eder initiierten und schließlich von Parlamentariern von vier Parteien eingebrachten parlamentarischen Anfrage gebrütet. Jetzt wurde amtlicherseits der Beschluss gefasst und per Anfragebeantwortung deponiert, Johann Grander sein zu Unrecht verliehenes Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst NICHT abzuerkennen.
Die Begründung: Johann Grander ist kein Kindermörder.
Nun ist dies zwar unbestritten, hört sich als Begründung allerdings etwas merkwürdig an. Bevor Sie jetzt protestieren, die schriftliche Antwort von BM Johannes Hahn werde hier etwas tendenziös verkürzt wiedergegeben, lassen Sie mich erklären:
Es gab bisher einen einzigen Fall, in dem das Ehrenkreuz für
Wissenschaft und Kunst einer Person nachträglich aberkannt wurde. Es
handelt sich dabei um den NS-Euthanasiearzt Heinrich Gross,
dem die 1975 verliehene Medaille 2003 aufgrund des § 8a
Ehrenzeichengesetz wieder aberkannt wurde. Dieser § 8a verlangt
folgendes:
Werden später Tatsachen bekannt, die einer Verleihung
entgegen gestanden wären, […] so ist das Ehrenkreuz für Wissenschaft
und Kunst abzuerkennen.
Dem Kindermörder Heinrich Gross das Ehrenkreuz abzuerkennen, war
das mindeste, was man tun konnte. (Die ganze Geschichte ist
einigermaßen unrühmlich, tut hier aber nichts zur Sache.) Interessant
ist, wie Gross nun drei Jahre nach seinem Tod durch das
Wissenschaftsministerium instrumentalisiert wird, um die
Nichtaberkennung des Granderschen Ehrenkreuzes zu rechtfertigen.
Einleitend ist
festzustellen, dass jene Sachverhalte im Hinblick auf die
Aberkennungstatbestände des § 8a […], die als Tatsachen einer Verleihung
entgegengestanden wären […], ohne
Frage ernsthafte und schwerwiegende zu sein haben. [Hervorhebung im Original, Anm.]
So weit, so gut. Erst im nächsten Absatz aber wird klar, warum BM Hahn
dies so sehr betont. Die Euthanasie von Kindern, so heißt es sinngemäß,
ist schwerwiegend. Alle anderen potentiellen Sachverhalte sind im Verhältnis dazu nicht schwerwiegend, also keine Aberkennungstatbestände.
In einem
einzigen Fall (Primarius a.D. Dr. Heinrich Gross) gab es ein Verfahren
gemäß § 8a […]. In diesem Fall waren eindeutige ernsthafte und
schwerwiegende Gründe im Sinne des § 8a des zitierten
Bundesgesetzes gegeben. Seitens des Bundesministeriums für Wissenschaft
und Forschung wurden diese zwei Fälle verglichen und Überlegungen
über allfällige ernsthafte und schwerwiegende Gründe angestellt.
Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit der beiden Fälle
zueinander ist die Anwendung des § 8a im gegenständlichen Fall
nicht zu vertreten. [Hervorhebung durch den Autor, Anm.]
Damit können zumindest dem ORF-Report hellseherische Fähigkeiten attestiert werden. Der Sprecher des Berichts (hier als Video verlinkt) sagte bereits am 1. Juli voraus:
Dass die Parlamentarier mit ihrer Initiative Erfolg haben, ist
tatsächlich mehr als fraglich. Erst einmal wurde eine wissenschaftliche
Ehrung aberkannt – die des Euthanasiearztes Heinrich Gross.
Bemerkenswert ist, was BM Hahn alles nicht als Begründung
anführt. Etwa, dass die Widerlegung der Grander-Behauptungen nicht
hinreichend evident sei. Oder dass Grander doch irgendwelche
wissenschaftliche Leistungen vorzuweisen hätte. Offenbar sieht das
Ministerium den Sachverhalt hier genauso wie wir: Es gibt schlicht
keine wissenschaftlichen Leistungen von Johann Grander.
Der § 8a spricht von “Tatsachen […] die einer Verleihung entgegengestanden wären“.
Alles weitere sind die Auslegungen von BM Hahn. Im Gesetz findet sich
nichts über “schwerwiegende” oder “ernsthafte” Tatsachen, geschweige
denn über im Vergleich zu Euthanasie verhältnismäßige.
Man könnte freilich diskutieren, was das denn im allgemeinen für
Tatsachen sein müssten, die “einer Verleihung entgegengestanden wären”.
Dass Grander sein Leben lang keine einzige wissenschaftliche Leistung
erbracht hat – geschweige denn eine anerkennenswerte – scheint mir
allerdings jedenfalls eine solche Tatsache zu sein. Dass BM Hahn dies
verneint, bedeutet, dass in Österreich die Abwesenheit von Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaft keine Tatsache ist, die der Verleihung eines Ordens für Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaft (so die seinerzeitige Begründung der Ordensverleihung!) entgegen steht.
Wilhelm Mohorn, Alexander Tarasov & Co. dürfen also weiter hoffen…
[Nachtrag vom 18. August: Mittlerweile gibt es auch eine ausführliche Darstellung in der Wiener Zeitung und einen hervorragenden “Blattsalat” im Standard dazu.]
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