Dies ist ein Gastbeitrag von Wolfgang Maurer (Anm. UB)
Mag. DDr. Wolfgang Maurer
Impfwesen
Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde
Medizinische Universität Wien
Bert Ehgartner hat Publizistik studiert und nennt sich jetzt Medizinjournalist. Bert behauptet, streng evidenzbasiert zu arbeiten, wie es ja heutzutage in der wissenschaftlichen Medizin üblich ist. Das behauptet er auch über sein neues Buch „Lob der Krankheit“, welches er auch auf seinem gleichnamigen Blog bewirbt.
In der Internet-Community ist Bert als Impfgegner bekannt, er ist in der Vergangenheit auch bei sogenannten „Impfsymposien” des Impf”kritikers” und gelernten Milchwirts Hans Tolzin aufgetreten. Tolzin hat in der Öffentlichkeit bereits verkündet, dass Homosexualität heilbar ist, dass Poliomyelitis wahrscheinlich durch das Pestizid DDT verursacht wird und ähnlichen Unsinn. Bert hält auch beim nächsten „Impfsymposium 2009″ des Milchwirtes einen Vortrag, bei dem er sein Buch bewerben wird.
Ich habe dieses Buch kürzlich gelesen und hier sind einige meiner Eindrücke:
Es ist ja klar, dass auf 382 Seiten einige Fehler passieren können, aber wenn schon Fehler, so sollten sie wenigstens konsistent sein. Bert schafft es aber, innerhalb von 10 Seiten die Dauer des Nestschutzes (das sind mütterliche Antikörper, die dem Neugeborenen über wenige Monate einen Schutz vor Infektionssymptomen bieten können) einmal so zu definieren:
… wird aber im Laufe der ersten Lebensmonate nach und nach abgebaut und nicht mehr erneuert
und kurz darauf zu behaupten
Der Nestschutz … geht während der ersten zwei Lebensjahre verloren.
Das alles unter dem Titel „der angeborene Schutz” – dieser ist zwar von der Mutter via Plazenta erworben, dafür wird auf die tatsächliche „innate immunity” aber nicht eingegangen.
Beispielhaft ein schwerer Schnitzer, der einfach nicht passieren darf. Auf S. 109 mokiert sich Bert über ein „Antibiotikum” – ist zwar eigentlich ein Antimykotikum, aber bitte – das bei Verwendung im Lebensmittelbereich zu Resistenzen führen könnte. Klar, antibiotika-resistente Bakterien sind ein medizinisches Problem, aber bei unserem Medizinjournalisten
ergibt sich die Gefahr, dass Menschen über den Konsum von Käse resistent gegen diesen Wirkstoff werden…
Na, das ist neu – der Antimykotikum-resistente Mensch – das ist wirklich Käse. Da keimt schon der Verdacht auf, dass Bert in der Mittelschule kräftig geschlafen hat. Immerhin kratzt er auf S. 141 nocheinmal die Kurve, da sind nicht mehr die Menschen sondern „die Keime bereits resistent”.
Bert vermittelt durch das ganze Buch den Eindruck, dass Bakterien, Viren und Pilze ohnehin unsere Freunde sind, wir Infektionen zulassen sollten und Fieber ja was ganz tolles sei. Dazu zitiert er fleißig aus der wissenschaftlichen Literatur. Über die in den USA seit 1995 durchgeführten flächendeckenden Impfung gegen Windpocken (Feuchtblattern) – dort gibt es keine Windpockentodesfälle mehr (bei uns sind sie selten, kommen aber vor) – mokiert er sich, dass es dadurch kaum noch natürliche Windpockenkontakte Älterer gäbe und diese weniger Antikörper haben könnten und so das Risiko eines Herpes Zosters (Gürtelrose) steigen könnte.
Das Windpockenvirus bleibt zeitlebens im Körper und kann unter gewissen Umständen wieder aktiviert werden und eben Gürtelrose bilden, die im Alter qualvoll schmerzhaft sein kann. Diese Bedenken gibt es in der Wissenschaft zwar, aber laut Bert gilt:
In den USA hat sich diese Befürchtung schon konkret bestätigt.
Schaut man sich das Literaturzitat aber genau an, schreiben die Mediziner
if the observed increase in herpes zoster is real, widespread vaccination of children is only one of serveral possible explanations.
Also aus „if … is real” wird bei Bert „konkret bestätigt”.
Bert betreibt konsequentes name-dropping. Er gibt häufig an, er habe mit vielen Spezialisten gesprochen, telefoniert und korrespondiert. Einen von denen, den Bert lobt, habe ich neulich aus anderen Gründen kontaktiert. Der meinte, ja da war ein Telefonat, Bert war lästig und er habe den Eindruck gehabt, der ticke nicht ganz richtig.
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