Der Standard über das gestern (20.8.) erschienene Editorial in Nature:

Dem Universitätsrat der Med-Uni Innsbruck rät “Nature”, “sorgfältig
nachzudenken, bevor er seine Drohung wahr werden lässt, den Rektor unter diesen
Umständen zu feuern”.

Der Standard über die heutige (21.8.) Entscheidung des Unirats der Med-Uni Innsbruck:

Der Rektor der Medizinischen Fakultät Innsbruck Univ.-Prof. Clemens
Sorg ist nach einer Sitzung des Universitätsrates am Donnerstag mit
sofortiger Wirkung abberufen worden.

Morgen berichten vermutlich alle großen österreichischen Zeitungen über das Nature-Editorial, das sich dem neuesten Medizinskandal an der MedUni Innsbruck widmet. Der Standard, die Wiener Zeitung und TT.com haben ihre Kommentare bereits online.

Was niemand hat, ist der Volltext des Editorials. In diesem speziellen Fall, so finde ich, geht das Recht auf Information vor. Ich tue das nicht gern, weil es eine Copyrightverletzung darstellt, aber ich kopiere das jetzt einfach hierher und hoffe, dass der Verlag nicht allzu kleinlich ist.

Ansonsten: Ohne Worte…


Editorial

Nature 454, 917-918 (21 August 2008) | doi:10.1038/454917b; Published online 20 August 2008

Scandalous behaviour

Austria’s most serious report of scientific misconduct in recent memory must be handled properly.

The academic community in Austria often seems to be a closed, elite set, especially in the sphere of medicine. The power and influence wielded by a professor are hard to understand from the outside, and the rigid hierarchy of the academic system has been hard to dismantle from the inside, despite reformers’ best efforts.

The upper echelons of that community also seem to know how to close ranks. Witness an example now threatening to emerge from the Medical University of Innsbruck, where there are worrying signs that investigations into a scandal of unprecedented dimensions in this small country may be thwarted.

According to a report from the Austrian Agency for Health and Food Safety, a urologist at the university, Hannes Strasser, has conducted a high-profile clinical trial so inappropriately that it must be considered entirely invalid (see page 922). Moreover, that trial represents just a fraction of the total number of patients who paid handsomely for the stem-cell treatment for urinary incontinence without knowing it was experimental.

There is no official body in Austria responsible for addressing issues of scientific misconduct.

Strasser’s department chair, Georg Bartsch, insists that he has no connection with, and no responsibility for, the scandal — despite having ‘honorary authorship’ on all the relevant papers, a practice that contravenes the university’s code of practice. And Strasser himself has written an open letter to university authorities denying any wrongdoing.

At the beginning of July, a preliminary version of the report was circulated to those involved. Shortly afterwards, for reasons known only to itself, the university council announced plans to fire the university’s respected rector, Clemens Sorg — who was going public with the problems — on grounds that many university and clinic officials believe to be invalid. Then the Austrian Academy of Sciences put its independent investigation, requested by Sorg, on hold. And on 13 August, the heads of the university hospital suddenly withdrew a letter of support for Sorg that they had sent out a few days earlier, saying they now realized it interfered with the university’s internal affairs.

The council would be wise to think carefully before carrying out its threat to fire the rector under these conditions.

It seems clear that the academy of sciences is doing itself, and the community it represents, an inexcusable disservice by stepping back from helping to resolve a scandal of this magnitude. The academy claims, remarkably, to believe that Sorg asked for its help as an individual, not as the university’s representative, and now that he may be dismissed, his concerns may similarly be dismissed — apparently on the grounds that the academy is an independent body. It would display its independence better by carrying forward its investigation into this shameful affair whether the person of the rector changes or not.

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Kommentare (15)

  1. #1 Fischer
    21. August 2008

    Im Grunde gibt es nur eine sinnvolle Konsequenz: Zeitschriften sollten bis auf weiteres keine Publikationen von Innsbrucker Medizinern mehr annnehmen, bis zumindest die grundsätzliche Integrität der dortigfen Forschung gesichert ist.

    Fälschungsskandale sind zwar heutzutage nichts ungewöhnliches mehr, aber ein Institut, das einen ertappten Forscher deckt, kann nicht das nötige Mindestmaß an wissenschaftlicher Seriosität gewährleisten.

  2. #2 GueSt
    21. August 2008

    Hmmmm.
    Hat die Sorg Geschichte was mit Bartsch/Strasser zu tun? Ist wirklich eine Frage, ich weiß es nämlich wirklich nicht.

    Vielleicht noch zur Erinnerung: nature hatte als ersters über die Strasser-Studie und die Unregelmäßigkeiten berichtet. Dann durfte Strasse einen Leserbrief schreiben, Kurzfassung: Alles OK. Kein Wunder, dass nature jetzt nach dem AGES Report umso härter formulieren, weil sie mit ihrer ersten Geschichte eben doch recht gehabt hatten und Strassers Leserbrief nicht unkontrolliert/kommentiert veröffentlicht haben sollten.

  3. #3 GueSt
    21. August 2008

    also, um meine Frage zu beantworten:

    “Ausdrücklich wurde festgehalten, dass die Diskussion über die Zelltherapie an der Innsbrucker Urologie keine Auswirkung auf die Abberufung Sorgs gehabt hat.”

    Schreibt jedenfalls der ORF
    https://tirol.orf.at/stories/301673/

    Noch ein Sommerrätsel: Wie lautet die korrekte Version vom lezten Satz meines ersten Postings? (haben hätten sollen, oder?)

  4. #4 Ulrich Berger
    21. August 2008

    “veröffentlichen hätten sollen”, wäre mein Vorschlag.

    Wieviel die Sorg-Abberufung mit dem Studienskandal tatsächlich zu tun hatte, weiß wohl nur der Unirat wirklich. Sorg sieht das laut Interview jedenfalls so:

    STANDARD: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Ihrer möglichen Absetzung und dem Skandal um eine Studie, die an Ihrer Universität zur Stammzelltherapie bei Harnschwäche durchgeführt wurde?

    Sorg: Es besteht interessanterweise ein zeitliches Zusammentreffen. Ich habe den Fall der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gemeldet und möchte, dass alle involvierten Personen zur Verantwortung gezogen werden.

    https://derstandard.at/?url=/?id=1219060041962

  5. #5 Tim
    22. August 2008

    @Fischer

    Was soll das? Wissenschaftliche Sippenhaft? Es wird dargelegt, und wer die Szene in Österreich kennt weiss dies, dass die Probleme tiefer liegen. “Austria is a small country, and networks between power-brokers are small and tight.”

    Im Gegenzug könnte der Wissenschaftsminister die Zeitschrift Nature aus den Bibliotheken verbannen und den Online-Zugriff der Unis sperren. Klingt abstrus, aber entspricht der Denkweise der Verantwortlichen in Austria.

  6. #6 whistleblower
    22. August 2008

    Ich hab mal whistleblower gespielt bei einem Plagiat- habe den Sachverhalt zunächst beim Editor von Pediatric Neurology eingebracht, den hat das nicht weiter interessiert, dann bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die hat das bearbeitet.
    Der Plagiarism von I.T wurde bestätigt. Es ging um SSPE in siblings.

    Eine klare Retraction des Plagiats ist bis heute nicht erfolgt.

    Beide papers sind noch online. Das EEG beider papers ist ident, ca die Hälfte der Referenzen des Erstpapers, finden sich im Plagiat.
    Wenigsten hat die Originalautorin korrekterweise die anderen Coworker genannt und auf eine Ehrenautorenschaft von I.T. verzichtet.
    Die fand das paper dann so gut, dass sie es nochmals publizierte- als alleinige Autorin.
    Mein Chef bekam böse Briefe der Plagiateuse. Ich bekam Klagsdrohungen- die haben eine Menge Zeit gefressen.

    Beide papers kamen aus einer deutschen Institution.

    Ermutigt wird man durch solche Querschüsse nicht, nochmals auf scientific misconduct hinzuweisen.

  7. #7 Ulrich Berger
    22. August 2008

    In der NZZ ist bereits vor einer Woche eine sehr ausführliche Schilderung des Falles erschienen:
    https://www.nzz.ch/nachrichten/wissenschaft/medizinische_universitaet_innsbruck_skandal_inkontinenz_ages_hannes_strasser_1.807812.html

  8. #8 Fischer
    22. August 2008

    @ Tim:
    *Was soll das? Wissenschaftliche Sippenhaft?*

    1) Gegenfrage: Der Fall zeigt ja, dass das Institut Fälscher schützt und fördert und gezielt gegen Leute vorgeht, die versuchen, die Integrität der Forschung zu wahren. Was ist von Papers zu halten, die aus einem solchen Umfeld kommen?
    Zumal das Problem, wie du sagst, ja offensichtlich tiefer geht. Und dass seriöse Wissenschaft es in Österreich gelegentlich etwas schwerer hat als anderswo, kann man ja hier in den Scienceblogs zur Genüge nachlesen

    2) Warum nicht? Derzeit gibt es ja offensichtlich kaum soziale Kontrolle, was die Qualität von Veröffentlichungen angeht. Es wird zwar ein Unterschied zwischen herausragend und Durchschnitt gemacht, aber nicht zwischen Durchschnitt und Schrott. Mit der Folge, dass die Zeitschriften mit zweifelhaften quickanddirty-Papers geflutet werden, um Publikationslisten aufzublähen.

    Da muss man generell mal ran. Es ist doch unglaublich, in welchem Ausmaß heutzutage in Papers gestückelt, gemogelt und zurechtgebogen wird, und alle decken sich augenzwinkernd gegenseitig, weil: Macht ja jeder, schließlich brauchen wir ja alle ne lange Literaturliste. Wenn zumindest eine grobe Fälschung mal richtig Kollateralschaden verursacht, gibt es vielleicht die Chance auf ein Umdenken.

  9. #9 Christian
    22. August 2008

    Heute findet sich die traurige Geschichte auch im SPIEGEL:

    Ein Bericht der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), angefordert von Sorg, sollte mehr Klarheit in den Fall bringen. Doch die Prüfer der ÖAW stoppten ihre Untersuchung. Grund: Der Universitätsrat in Innsbruck hatte ein Abberufungsverfahren gegen den Deutschen eingeleitet. Der Senat der Uni allerdings stand hinter ihm. Trotzdem mochten die Kontrolleure nicht weiter kontrollieren. ” Nature” kritisierte deswegen explizit, die ÖAW habe der wissenschaftlichen Gemeinde, die sie vertrete, einen Bärendienst erwiesen. Das Gremium solle mehr Unabhängigkeit demonstrieren.

    Egal wie die Untersuchungen ausgehen, eine Konsequenz hatte die Affäre bereits: Der an Aufklärung interessierte Rektor Sorg ist seinen Job inzwischen los. Der Universitätsrat hat seine sofortige Abberufung durchgesetzt. Begründung: “schwere Pflichtverletzungen”.

    https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,573796,00.html

  10. #10 David Marjanović
    27. August 2008

    Nature: something, it seems, is rotten in the state of Austria

    Aber geh.

    In other news, the sun rose this morning, and experts predict it will set this evening.

    (Bin geborener und gelernter Österreicher.)

    Der Universitätsrat in Innsbruck hatte ein Abberufungsverfahren gegen den Deutschen eingeleitet.

    Ah. Mögen wir wieder einmal keine Piefke.

  11. #11 David Marjanović
    27. August 2008

    Nature: something, it seems, is rotten in the state of Austria

    Aber geh.

    In other news, the sun rose this morning, and experts predict it will set this evening.

    (Bin geborener und gelernter Österreicher.)

    Der Universitätsrat in Innsbruck hatte ein Abberufungsverfahren gegen den Deutschen eingeleitet.

    Ah. Mögen wir wieder einmal keine Piefke.

  12. #12 David Marjanović
    27. August 2008

    Nature: something, it seems, is rotten in the state of Austria

    Aber geh.

    In other news, the sun rose this morning, and experts predict it will set this evening.

    (Bin geborener und gelernter Österreicher.)

    Der Universitätsrat in Innsbruck hatte ein Abberufungsverfahren gegen den Deutschen eingeleitet.

    Ah. Mögen wir wieder einmal keine Piefke.

  13. #13 David Marjanović
    27. August 2008

    Nature: something, it seems, is rotten in the state of Austria

    Aber geh.

    In other news, the sun rose this morning, and experts predict it will set this evening.

    (Bin geborener und gelernter Österreicher.)

    Der Universitätsrat in Innsbruck hatte ein Abberufungsverfahren gegen den Deutschen eingeleitet.

    Ah. Mögen wir wieder einmal keine Piefke.

  14. #14 XY
    28. August 2008
  15. #15 Ulrich Berger
    28. August 2008

    Tatsächlich? Na umso besser.