Diese
Behauptung ist nun eindeutig falsch. Zwar ist das Argument, klassische
(also individualisierte) Homöopathie sei durch RCTs nicht prüfbar, aus
diversen pro-Homöopathie-Webseiten bekannt; sie in einem
wissenschaftlichen Skriptum wiederzufinden ist aber dennoch
erstaunlich. Doppelblinde RCTs klassisch homöopathischer Heilmittel
sind zwar aufwändiger, aber rein methodisch überhaupt kein Problem.
Solange korrekt randomisiert und verblindet wird, kann der
klassisch-homöopathische Arzt für jeden einzelnen Patienten völlig
individualisiert ein anderes Mittel (Globuli oder Tropfen)
verschreiben. Dass RCTs klassischer Homöopathie sehr wohl möglich sind,
zeigt sich auch durch die im Skriptum selbst zitierte Übersichtsarbeit
von Linde und Melchart 1998, die 19 placebokontrollierte Studien
klassischer Homöopathie einschloss.
Im Skriptum offenbart sich zudem ein klarer innerer Widerspruch, wenn im nächsten Absatz behauptet wird:
Grundsätzlich
ist es dennoch möglich, einen Wirkungsnachweis von klassischer
Homöopathie, vor allem bei akuten Erkrankungen, in Doppelblindstudien
nachzuweisen
Nachdem kurz zuvor behauptet wurde,
die klassische Homöopathie lasse sich nicht so “standardisieren”, dass
sie durch RCTs getestet werden könne, präsentiert man nun plötzlich
fettgedruckt
Ein Beispiel für eine hochqualitative RCT – auch aus homöopathischer Sicht:
• Jacobs J. et al :
Treatment of Acute Childhood Diarrhea with homeopathic medicine: A randomized clinical trial in Nicaragua
Pediatrics Vol 93 No.5, May 1994
Die
Selbstwidersprüchlichkeit von Homöopathen, die zwischen “RCTs
klassischer Homöopathie sind nicht möglich” und “RCTs klassischer
Homöopathie beweisen deren Wirksamkeit” hin- und herpendeln, ist kein
neues Phänomen. Wie die Stanford Encyclopedia of Philosophy schreibt:
Promoters of
some pseudosciences (notably homeopathy) tend to vacillate between
opposition to science and claims that they themselves represent the
best science.
Dass
Jacobs et al 1994 von Homöopathen generell gerne als hochqualitative
Studie dargestellt wird, ist bekannt. Die Qualifikation “auch aus
homöopathischer Sicht” bezieht sich einerseits darauf, dass hier mit
klassischer Homöopathie gearbeitet wurde, andererseits wohl darauf,
dass die Resultate stark positiv für die Homöopathie ausfielen. Eine
nüchterne Betrachtung der Qualität dieser homöopathischen
Vorzeigestudie kommt aber zu ganz anderen Schlüssen. Lassen wir Dr.
Wallace Sampson sprechen:
I recall the paper well, because it was the first journal report that I deconstructed and published (Pediatrics,
Oct
1995) as a regular article. I think it was the first time the
journal had published a formal rebuttal outside the Letters section.
[…] The paper had so many flaws, that one letter could not contain
them.
It had five or six end points, several arithmetical errors, graphs with
missing data, only one end point reached consensus signficance
(barely.) […] One could hardly find anything about the paper that
would lend
credibility to its conclusion that suggested homeopathy “worked” better
than placebo.
Eine
von Jacobs et al 2006 in Honduras durchgeführte und methodisch bessere
Studie zur selben Indikation wird von Homöopathen dagegen selten
zitiert. Ihr Ergebnis war komplett negativ, wie die Autoren selbst
bestätigen:
The homeopathic combination therapy tested in this study did not
significantly reduce the duration or severity of acute diarrhea in
Honduran children.
(Nachtrag vom 20.11.2008: Ich wurde darauf hingewiesen, dass diese negative Studie für die klassische Homöopathie keine Aussagekraft besitzt, da ein Komplexmittel benutzt wurde.)
Die zweite im Skriptum als hochqualitativ hervorgehobene Studie ist
• Heiner Frei et al:
Homeopathic treatment of children with attention deficit hyperactivity disorder: a randomised, double blind, placebo controlled crossover trial
European Journal of Pediatrics 164, No 12 Dec 2005
In dieser Studie wurde eine Verbesserung des Conners Global Index um 1,67 Punkte unter Verum beobachtet.
Mit n = 62 war die Studie allerdings eher klein, die Differenz zu
Placebo war gering und statistisch gerade noch signifikant (p = 0,048).
Sekundäre Endpunkte zeigten teilweise sogar eine Verschlechterung unter
Verum.
Am meisten Raum gibt das Skriptum dem Versuch, die vieldiskutierte Metaanalyse von Shang et al 2005, die zu einem negativen Ergebnis für die Homöopathie gekommen war, zu diskreditieren.
• Shang, Egger et al:
Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects?
Comparative study of placebo-controlled trials
of homoeopathy and allopathy
The Lancet Vol 366 Aug 27, 2005
Die Kritik an dieser Metaanalyse beginnt wie folgt:
110
RCTs beider Richtungen wurden verglichen und jeweils 8 davon
herausgegriffen. An Hand jener 8 Studien war „Kein signifikanter Effekt
der Homöopathie nachweisbar”. Die Studie weist jedoch schwere Mängel
auf:
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