• Um welche 8 Studien es sich handelt, wird nicht angegeben. Die Hauptaussage wird dadurch nicht nachvollziehbar.
Dieser
angebliche “schwere Mangel” besteht seit drei Jahren nicht mehr. Die im
Originalartikel tatsächlich nicht identifizierten acht Studien wurden
kurz später im Lancet Vol 366 (17. Dez. 2005) nachgereicht. Der “myth of the secret eight” hält sich hartnäckig auf Homöopathie-Webseiten, in einem wissenschaftlichen Skriptum ist er peinlich.
Ein weiterer Kritikpunkt lautet
• Das Auswahlkriterium für die 8 ausgewählten Studien –
die TeilnehmerInnenanzahl – ist einseitig. Die Qualität der Studien aus
homöopathischer Sicht wird nicht beachtet. Wenn Homöopathie falsch bzw.
für falsche Indikationen eingesetzt wird, verwundert es nicht, wenn sie
nicht wirkt. (= Phantomforschung)
Tatsächlich gab es
zwei Auswahlkriterien: Hohe methodische Qualität und große
Teilnehmerzahl. Beide sind in der medizinischen Wissenschaft
unumstritten. Offenbar wird hier behauptet, dass bei den Studien mit
negativen Resultaten die Homöopathie “falsch eingesetzt” wurde. Dies
ist als Immunisierungsstrategie zu qualifizieren. Dass Homöopathie
“richtig eingesetzt” wurde, ergibt sich demgemäß daraus, dass ein
Resultat positiv ausfällt.
Ein dritter Kritikpunkt ist der folgende:
• Die angewandte statistische Methode wird überbewertet:
Ein
Vergleich: Wir haben 30 Apfelbäume und wollen wissen, ob es rote Äpfel
gibt. 25 Bäume tragen rote Äpfel, 5 Bäume viele grüne Äpfel. An Hand
dieser Statistik lautet die Antwort: Es gibt keine roten Äpfel.
Dieser “Vergleich” ist infantil. Jeder weitere Kommentar dazu erübrigt sich.
Zusammenfassend behauptet die Autorin des Skriptums, Shang et al würden
Nach dem Motto: Was wir nicht verstehen, kann es nicht geben …
agieren. Das ist reine Polemik und hat in einem vorgeblich wissenschaftlichen Skriptum nichts verloren.
Im
nächsten Abschnitt wird die Behauptung, RCTs seien zur Beurteilung
klassischer Homöopathie ungeeignet, wiederholt. Es wird behauptet, RCTs
würden erfordern, dass alle Patienten mit demselben Medikament
behandelt werden, woraus gefolgert wird:
Für die
Wirksamkeitsbeurteilung einer klassisch-homöopathischen Therapie – vor
allem von chronischen Erkrankungen – sind RCTs also denkbar ungeeignet.
Wie
bereits oben dargelegt, widerspricht dies der vorangehenden Anpreisung
der RCTs von Jacobs et al 1994 und Frei et al 2005, die beide
klassisch-homöopathische Behandlungen untersuchen. Die Behauptung ist
schlicht unwahr. Als ob der Widerspruch nicht schon deutlich genug
wäre, finden sich in der Zusammenfassung die Zeilen
Randomisiert-kontrollierte Studien:
– sind für den Nachweis von klassischer Homöopathie ungeeignet;
– trotzdem ist ein positiver Wirkungsnachweis möglich
Als besser geeignet empfiehlt das Skriptum epidemiologische Studien wie jene von Witt et al 2005:
Praxisnähere Studien, wie prospektive Kohortenstudien, zeigen klar eine Wirkung der Homöopathie.
Diese
Behauptung verkennt natürlich, dass Kohortenstudien eine spezifische
Wirksamkeit homöopathischer Heilmittel nicht testen können (und auch
nicht wollen). Diese Studien demonstrieren eine “Wirkung der
Homöopathie” in dem Sinne, dass Patienten, die sich freiwillig
homöopathisch behandeln lassen, sich danach besser fühlen. Dies ist
freilich selbst von Homöopathie-Kritikern unbestritten und ist durch
die einschlägigen unspezifischen Effekte der Behandlung erklärbar. Die
Autorin weiß das selbstverständlich, und die Vermengung dieser zwei
ganz unterschiedlichen Interpretationen von “Wirksamkeit” geschieht
offenbar ganz bewusst. Eine Strategie, die man ansonsten eher bei pro-Homöopathie-Aktivisten findet.
Dass Kohortenstudien wie jene von Witt et
al 2005 in diesem Skriptum als Beweis der “Wirksamkeit der Homöoapthie”
angepriesen werden, bestätigt meines Erachtens die Kritik der GWUP (und anderer) an der Einrichtung der schließlich mit Frau Dr. Witt besetzten Stiftungsprofessur an der Berliner Charité:
GWUP-Vorsitzender Amardeo Sarma erinnert an wiederkehrende Versuche, im
Falle sogenannter Alternativ- oder Komplementärmedizin die strengen
Standards der Wissenschaft, wie randomisierte Doppelblindstudien, zu
umschiffen. „Wissenschaftliche Methoden sollen offenbar solange den
Bedürfnissen der Alternativmedizin angepasst werden, bis sie die
Resultate erzielen, die sich die Vertreter der “Komplementärmedizin”
wünschen”, so Sarma. Die Charité dürfe nicht elementare Prinzipien der
Wissenschaftlichkeit über Bord werfen.
Fazit: Das Skriptum Wissenschaftliche Grundlagen & Publikationen zur Homöopathie (Version 2008) präsentiert handselektierte und teilweise veraltete und bereits widerlegte Studien zur Homöopathieforschung. Das Gesamtbild ist extrem verzerrt und führt Medizinstudenten, die sich mit dem Problemfeld “Homöopathie & Wissenschaft” auseinandersetzen wollen, in die Irre. Als Lehrbehelf an einer MedUni ist es ungeeignet.
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