[Dies ist die Fortsetzung von Homöopathie an der MedUni – Teil 1/2]
Abschnitt “Zum Wirkungsnachweis – Klinische Studien”
Das Skriptum-Kapitel über klinische Studien beginnt mit der Feststellung
Im Zeitraum von 1991-2000 sind mehrere Metaanalysen erschienen, die der Homöopathie im Großen und Ganzen einen positiven Wirkungsnachweis bescheinigen
Die Liste umfasst fünf Metaanalysen: Kleijnen et al 1991, Boissel 1996, Linde and Melchart 1998 und Cucherat et al 2000. Gesondert eingegangen wird danach auf Linde et al 1997.
Kleijnen et al 1991 war die erste Metaanalyse zur Homöopathie. Sie wird heute eher aus historischen Gründen erwähnt als wegen ihres Inhalts. Das Problem der prä-1991-Studien zur Homöopathie ist, dass diese zum Großteil methodisch extrem schlecht waren und ihre Ergebnisse daher so gut wie unbrauchbar. Die Autoren selbst schreiben in ihren Conclusions:
At the moment the evidence of clinical trials is positive but not
sufficient to draw definitive conclusions because most trials are of
low methodological quality and because of the unknown role of
publication bias.
Im Skriptum findet sich dagegen lediglich die kurze Bemerkung:
Bezog 107 Studien ein – 77% beweisen eine Wirkung, unabhängig von der Qualität der Studien.
Besonders das Wort “beweisen” ist in diesem Zusammenhang klar unangebracht; eine solche Formulierung hat in einem wissenschaftlichen Skriptum eigentlich nichts verloren.
Bei der “Metaanalyse” von Boissel 1996 handelt es sich um einen
Bericht an die Europäische Kommission. Dieser Bericht ist anscheinend
niemals in einer Fachzeitschrift publiziert worden und vermutlich nicht
peer-reviewed und kann daher nicht ernsthaft bewertet werden.
Die
beiden Metaanalysen von Linde und Melchart 1998 sowie Cucherat et al
2000 zeigen, wie auch im Skriptum erwähnt, dass die hochqualitativen
Studien keine Signifikanz erreichen. Dieses bekannte Phänomen kann für
eine angebliche Wirksamkeit der Homöopathie wohl kaum als Beleg dienen.
Eine
gesonderte Betrachtung erfährt die Metaanalyse von Linde et al 1997. Im
Skriptum ist die Schlussfolgerung der Autoren fett gedruckt:
The results … are NOT compatible with the hypothesis that the clinical effects of homeopathy are completely due to placebo.
Diese
Metaanalyse wird im Skriptum so präsentiert, als sei sie das letzte
Wort in Sachen Homöopathie gewesen. Was das Skriptum verschweigt, ist,
dass Linde et al 1997 extrem umstritten war. Hauptsächlich lag das an
der Tatsache, dass die Daten wiederum zeigten, dass RCTs umso
schlechter für die Homöopathie ausfielen, je größer und je besser sie
in methodischer Hinsicht waren, was in der Analyse aber nicht
ausreichend berücksichtigt worden war. Dies hatte zur Folge, dass die
Daten von Linde et al 1997 in den folgenden Jahren nicht weniger als
sechs Mal neu analysiert wurden. Diese sechs Re-Analysen bewertete
Ernst 2002 so:
The results of these re-analyses
demonstrate that the more rigorous trials are associated with smaller
effect sizes which, in turn, render the overall effect insignificant.
[…] Collectively these re-analyses imply that the initial conclusions
of Linde et al. was not supported by critical evaluation of their data.
An
zwei der sechs Re-Analysen war Klaus Linde selbst beteiligt, wobei er
seine eigenen Ergebnisse von 1997 stark relativierte. (Tatsächlich ist
die oben erwähnte Metaanalyse von Linde und Melchart 1998 eine der
sechs Re-Analysen.)
Was nicht unerwähnt bleiben sollte,
ist, dass alleine im Zeitraum 1997-2001 tatsächlich 11 weitere
systematische Reviews zur Homöopathie erschienen sind. Eine davon ist
die oben angeführte von Cucherat et al 2000, die restlichen 10 werden
im Skriptum mit keiner Silbe erwähnt. Eine Gesamtbetrachtung dieser 11
Reviews ergibt laut Ernst 2002:
Collectively they failed to provide strong evidence in favour of
homeopathy. In particular, there was no condition which responds
convincingly better to homeopathic treatment than to placebo or other
control interventions. Similarly, there was no homeopathic remedy that
was demonstrated to yield clinical effects that are convincingly
different from placebo.
Dass
hochqualitative Studien keinen signifikanten Effekt der Homöopathie
zeigen, wird im Skriptum nun nicht als Problem der Homöopathie, sondern
als Problem der RCT-Methodik dargestellt:
Die Ursache dafür liegt darin, dass besonders die klassische Homöopathie sich nicht in dieser Form standardisieren lässt.
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