Mein letzter Aufruf wurde dankenswerter Weise mehrfach aufgegriffen und weitergegeben, genutzt hat es freilich nichts. Deshalb hier kein Aufruf – nur ein Hinweis: Auch dieses Jahr gilt es wieder, in vier Kategorien die besten Wissenschaftsbücher des vergangenen Jahres zu wählen. Die Autoren von zwei der fünf Bücher, die in der Kategorie Naturwissenschaften/Technik auf die Shortlist kamen, sind übrigens Mitglieder der GkD (das sind wir), inklusive Präsident! Dass das Buch des Möchtegern-Darwin-Widerlegers Joachim Bauer in der Kategorie Medizin/Biologie auf die Shortlist kam, freut mich weniger. Warum, steht hier.


Apropos Darwin: Heuer ist bekanntlich Darwin-Jahr. Und letztes Jahr sind 111 Menschen in Österreich aus der Kirche ausgetreten
– täglich. Was das miteinander zu tun hat? Nun ja, vielleicht ist Ihnen
schon aufgefallen, dass Ihr Kalender voll mit Heiligen und kirchlichen
Feiertagen ist. Jetzt gibt es eine Alternative: den Darwin-Era Kalender.
Das Besondere daran: Der Nullpunkt der Jahreszählung ist das Jahr, in
dem Darwin die “Origin of Species” veröffentlicht hat, und anstelle der
üblichen Heiligen werden ausschließlich Gedenktage von berühmten
Wissenschaftlern, Freidenkern, Philosophen und Skeptikern erwähnt. Und
das ganze ist auch noch hübsch bunt und lehrreich gestaltet. Die
einzelnen Kalenderblätter lassen sich genauso gratis downloaden wie der
29 MB große Jahresplaner im A0-Format. Sehr empfehlenswert, und auch
für Theisten geeignet. Willkommen im Jahr 150!

Ein Nachtrag zum Passivrauchen.
Vor eineinhalb Wochen hatte ich hier u.a. einen Artikel des
Technikphilosophen Günther Ropohl mit dem Titel “Passivrauchen als
statistisches Konstrukt” kritisiert.
Im Nachhinein habe ich erfahren, dass es zu diesem Artikel bereits eine
scharfe Kritik aus viel berufenerem Munde als dem meinen gibt. Sie
stammt von Dr. Joseph Kuhn vom Bayerisches Landesamt für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit und wer sich dafür interessiert, kann sie (an
Ropohls Artikel angehängt) hier nachlesen.

Kommentare (11)

  1. #1 Christian (ChinaFan)
    17. Januar 2009

    Die Idee mit dem Kalender finde ich toll und würde ich voll unterstützen!
    Man stellt sich sowieso die Frage, warum wir einen Kalender verwenden, der sich am Christentum orientiert, obwohl doch unser ganzes Leben indirekt durch die Wissenschaft gelenkt wird. (Erkenntnisse, Technologien, usw.)
    Fast jeder Feiertag wird ja nur durch irgendwelche biblischen Ereignisse begründet. (Totensonntag, Karfreitag, Ostersonntag, usw.) Die Bezugsperson ist irgendwie immer der Jesus, der ja angeblich alle Sünden der Menschen auf sich genommen hat.

    Religion und Glaube sollte wirklich eine persönliche Entscheidung bleiben und nicht in Form eines Kalenders diktiert und erinnert werden.
    Betrachtet man es von außen, mutet es schon reichlich lächerlich an, dass wir wissenschaftlich aufgeklärt zu sein scheinen und erst kürzlich das Jahr 2009 nach Christus Geburt gefeiert haben.

    Ein Paradigmenwechsel ist in dieser Hinsicht wirklich längst überfällig … und zwar um exakt 150 Jahre! 😉 🙂

    mfg

    Christian

  2. #2 GeMa
    17. Januar 2009

    @Christian
    Es kommt bestimmt gleich wer vorbei und erzählt Dir, dass Du dann Ostern aber auch nicht arbeitsfrei haben darfst :-P.
    Ich fange schon mal an und setze neben die Datumsangabe ein (150 n.D.). Etwas Exzentrik wird einem ja noch gestattet sein 😉

  3. #3 Christian (ChinaFan)
    17. Januar 2009

    Es kommt bestimmt gleich wer vorbei und erzählt Dir, dass Du dann Ostern aber auch nicht arbeitsfrei haben darfst :-P.

    Ja, mit solcherlei “Problemen” wird man sicher konfrontiert werden. 😉
    Dann kommen ja noch die ganzen eingefahrenen Traditionen hinzu. (Z.B. ist es ja Brauch, zu Ostern Ostereier und Schokoladenhasen für die Kinder zu verstecken. Oder später dann die Sache mit dem Nikolaus und Weihnachten.)

    Ich fange schon mal an und setze neben die Datumsangabe ein (150 n.D.).

    Das ist eine gute Idee! 😀
    Man muss sich das nur angewöhnen und auch beim Bloggen immer mal mit als Alternative zum gregorianischen Datum erwähnen. So weckt man sicher bei viel mehr Leuten das Interesse, hinsichtlich der Jahreszahl. Und die Idee würde nicht in Vergessenheit geraten.
    Und am 14. Februar feiern wir dann eben nicht den Valentinstag (auch kirchlich belastet), sondern den Geburtstag von Fritz Zwicky – ein Physiker und Astronom.

    Mir scheint es nur wichtig, dass es eben nicht nur bei einer Idee bleibt, die nach ein paar Tagen wieder vergessen ist, sondern am Leben erhalten wird und sich dadurch immer mehr rumspricht. 🙂

    mfg

    Christian

  4. #4 Sven Türpe
    17. Januar 2009

    Der Mund von Dr. Joseph Kuhn mag berufen sein, besonders überzeugend ist er aber nicht. Bei aller vielleicht berechtigten Kritik an Details liefert Ropohl doch wenigstens eine klare Argumentation, und ob die durch Ungenauigkeiten am Rande untergraben wird, bleibt gerade in Kuhns Antwort offen. Um die Argumentation anzugreifen, müsste man ihr wenigstens eine Stütze wegreißen und dazu erklären, warum es eine war und warum ohne sie alles nichts mehr ist.

    Das versucht Kuhn gar nicht. Er leugnet lieber, dass das Risiko auch beim Tabakrauch mit der Exposition steigt: “Potenziell kann z.B. eine einzige Asbest-Faser, kann ein einziges Nitrosamin-Molekül Krebs erzeugen.” (ohne jede ergänzende Klarstellung). Damit bewegt er sich, so deutlich muss man es sagen, irgendwo zwischen Homöopathie und den Elektrosensibelchen mit Händipanik. Er verweigert sich außerdem jeder rationalen Risikobetrachtung, wenn er schreibt: “Wie viele [Tote] müssten es seiner Meinung nach sein, dass sich epidemiologische und politische Aufmerksamkeit lohnt?”

    Dann doch lieber Ropohl. Der gibt sich wenigstens Mühe, statt nur Haltung zu zeigen. Er erklärt eingangs, was er versucht: nämlich die berechnete Opferzahl als Grundlage politischer Entscheidungen anzugreifen. Das ist ein ehrenwertes Unterfangen, zumal zwei Eingeständnisse in öffentlichen Risikodebatten viel zu selten auftauchen. Man gibt erstens nicht gerne zu, dass vorhandenes Wissen lückenhaft oder unzuverlässig sei. Und zweitens kommt man ungern zu dem Ergebnis, dass man einfach eine Weile gar nichts tun könnte. Das aber ist bei Ropohl — und auch in vielen anderen Debatten auf einer Seite der Front — bereits die Maximalposition. Er fordert nicht mehr als nichts zu tun, jedenfalls nicht mit den berechneten Toten als Begründung. Die Gegenseite hat keine realistische Maximalposition, das macht Kuhns Molekülzählerei ebenso deutlich wie die Tatsache, das die Gesetzgebung an einigen Stellen bereits am Dritthandrauch kratzt, etwa mit dem absoluten Rauchverbot im Taxi.

    Ropohl weist zu recht darauf hin, dass die Rechnerei, mit der den realen Toten angenommene Todesursachen zugeordnet werden, allerlei Unsicherheiten lässt. Kuhn widerspricht ihm letztlich nicht, wenn er wortreich beteuert, dass man sich doch mit Störeinflüssen bereits beschäftige. Was dabei aber herauskommt und mit welcher Unsicherheit die Zahlenangabe von 3301 Toten denn nun tatsächlich verbunden sei, verrät er uns auch bloß nicht. Und selbst wenn wir die Angabe hinnehmen, wissen wir immer noch nicht, was denn ein umfangreicher Rettungsversuch bewirken würde. 3301 Unsterbliche sicher nicht, sondern angesichts der unstrittigen Tabelle — ungefähr 5/6 der berechneten Passivrauchopfer sind im Rentenalter, 2/3 der Gesamtzahl sogar über 75, 1/3 über 85 — wohl 3301 Menschen, die vielleicht wenig später an etwas anderem stürben. Mit der landläufigen Vorstellung von Todesursachen hat es wenig zu tun, wenn die Opfer einer Ursache mehrheitlich erst 75 werden müssen, bevor sich die tödliche Wirkung einstellt. Oder siechen sie jahrzehntelang dahin und werden nur von der modernen Medizin auf eine übliche Lebensdauer gebracht?

    Solche Betrachtungen sind aber wohl zu komplex für jemanden, der mal eben den Laienfehler macht, nur übers Krebsrisiko zu reden (Kuhns Molekülzählerei zur Ablehnung von Grenzwerten), obgleich das doch gegenüber dem Risiko von Herz-/Kreislauferkrankungen recht klein ist. Dass man keine sinnvollen Grenzwerte definieren könnte, begründet er damit nicht.

    Wollte man tatsächlich eine brauchbare Entscheidungsgrundlage für die Politik schaffen, so müsste man sich zuerst von der Einheit “Tote pro Jahr” abwenden, denn die sagt zu wenig aus. Übrigens auch dann noch, wenn man sie wie das DKFZ in Beziehung setzt zur Sterblichkeit durch Nichtrisiken wie BSE oder SARS. Erforderlich wäre eine Einheit, welche die Änderung zeigt, die sich aus Eingriffen ergäbe, so dass man verschiedene Varianten vergleichen kann. Man müsste außerdem bei der Exposition genauer hinschauen, was die Fundamentalisten wie gesehen mit fadenscheinigen Argumenten ablehnen. Das Ergebnis wäre eine Funktion, an der sich Eingriffe durchspielen ließen. Das müsste alles gar nicht perfekt sein, sondern nur die offenkundigen Lücken schließen.

    Derzeit haben wir eine Zahl auf dem Tisch liegen, die dramatischer aussieht als sie tatsächlich ist, und wir haben exakt gar keine Ahnung, welchen Einfluss das Rauchverbot im Taxi oder in der Gastronomie darauf hat. Die Wissenschaft kann uns nicht die erhoffte Objektivität liefern, die ohnehin keine ausreichende Grundlage für kluge Politik ist. Das Tragische daran ist, dass so etwas dem Ansehen der Wissenschaft nachhaltig schaden kann, obwohl man in der Sache eigentlich rein politisch argumentieren und mit nichts anderem als einer demokratischen Übereinkunft genug erreichen könnte. Diese Übereinkunft müsste nichts anderes tun als den Grundsatz zu konkretisieren, dass man einander nicht mehr als nötig und akzeptabel belästigen solle. Wieso man statt dessen lieber wackelige Zahlenspiele verteidigt, ist mir ein Rätsel.

  5. #5 Sven Türpe
    17. Januar 2009

    Der Mund von Dr. Joseph Kuhn mag berufen sein, besonders überzeugend ist er aber nicht. Bei aller vielleicht berechtigten Kritik an Details liefert Ropohl doch wenigstens eine klare Argumentation, und ob die durch Ungenauigkeiten am Rande untergraben wird, bleibt gerade in Kuhns Antwort offen. Um die Argumentation anzugreifen, müsste man ihr wenigstens eine Stütze wegreißen und dazu erklären, warum es eine war und warum ohne sie alles nichts mehr ist.

    Das versucht Kuhn gar nicht. Er leugnet lieber, dass das Risiko auch beim Tabakrauch mit der Exposition steigt: “Potenziell kann z.B. eine einzige Asbest-Faser, kann ein einziges Nitrosamin-Molekül Krebs erzeugen.” (ohne jede ergänzende Klarstellung). Damit bewegt er sich, so deutlich muss man es sagen, irgendwo zwischen Homöopathie und den Elektrosensibelchen mit Händipanik. Er verweigert sich außerdem jeder rationalen Risikobetrachtung, wenn er schreibt: “Wie viele [Tote] müssten es seiner Meinung nach sein, dass sich epidemiologische und politische Aufmerksamkeit lohnt?”

    Dann doch lieber Ropohl. Der gibt sich wenigstens Mühe, statt nur Haltung zu zeigen. Er erklärt eingangs, was er versucht: nämlich die berechnete Opferzahl als Grundlage politischer Entscheidungen anzugreifen. Das ist ein ehrenwertes Unterfangen, zumal zwei Eingeständnisse in öffentlichen Risikodebatten viel zu selten auftauchen. Man gibt erstens nicht gerne zu, dass vorhandenes Wissen lückenhaft oder unzuverlässig sei. Und zweitens kommt man ungern zu dem Ergebnis, dass man einfach eine Weile gar nichts tun könnte. Das aber ist bei Ropohl — und auch in vielen anderen Debatten auf einer Seite der Front — bereits die Maximalposition. Er fordert nicht mehr als nichts zu tun, jedenfalls nicht mit den berechneten Toten als Begründung. Die Gegenseite hat keine realistische Maximalposition, das macht Kuhns Molekülzählerei ebenso deutlich wie die Tatsache, das die Gesetzgebung an einigen Stellen bereits am Dritthandrauch kratzt, etwa mit dem absoluten Rauchverbot im Taxi.

    Ropohl weist zu recht darauf hin, dass die Rechnerei, mit der den realen Toten angenommene Todesursachen zugeordnet werden, allerlei Unsicherheiten lässt. Kuhn widerspricht ihm letztlich nicht, wenn er wortreich beteuert, dass man sich doch mit Störeinflüssen bereits beschäftige. Was dabei aber herauskommt und mit welcher Unsicherheit die Zahlenangabe von 3301 Toten denn nun tatsächlich verbunden sei, verrät er uns auch bloß nicht. Und selbst wenn wir die Angabe hinnehmen, wissen wir immer noch nicht, was denn ein umfangreicher Rettungsversuch bewirken würde. 3301 Unsterbliche sicher nicht, sondern angesichts der unstrittigen Tabelle — ungefähr 5/6 der berechneten Passivrauchopfer sind im Rentenalter, 2/3 der Gesamtzahl sogar über 75, 1/3 über 85 — wohl 3301 Menschen, die vielleicht wenig später an etwas anderem stürben. Mit der landläufigen Vorstellung von Todesursachen hat es wenig zu tun, wenn die Opfer einer Ursache mehrheitlich erst 75 werden müssen, bevor sich die tödliche Wirkung einstellt. Oder siechen sie jahrzehntelang dahin und werden nur von der modernen Medizin auf eine übliche Lebensdauer gebracht?

    Solche Betrachtungen sind aber wohl zu komplex für jemanden, der mal eben den Laienfehler macht, nur übers Krebsrisiko zu reden (Kuhns Molekülzählerei zur Ablehnung von Grenzwerten), obgleich das doch gegenüber dem Risiko von Herz-/Kreislauferkrankungen recht klein ist. Dass man keine sinnvollen Grenzwerte definieren könnte, begründet er damit nicht.

    Wollte man tatsächlich eine brauchbare Entscheidungsgrundlage für die Politik schaffen, so müsste man sich zuerst von der Einheit “Tote pro Jahr” abwenden, denn die sagt zu wenig aus. Übrigens auch dann noch, wenn man sie wie das DKFZ in Beziehung setzt zur Sterblichkeit durch Nichtrisiken wie BSE oder SARS. Erforderlich wäre eine Einheit, welche die Änderung zeigt, die sich aus Eingriffen ergäbe, so dass man verschiedene Varianten vergleichen kann. Man müsste außerdem bei der Exposition genauer hinschauen, was die Fundamentalisten wie gesehen mit fadenscheinigen Argumenten ablehnen. Das Ergebnis wäre eine Funktion, an der sich Eingriffe durchspielen ließen. Das müsste alles gar nicht perfekt sein, sondern nur die offenkundigen Lücken schließen.

    Derzeit haben wir eine Zahl auf dem Tisch liegen, die dramatischer aussieht als sie tatsächlich ist, und wir haben exakt gar keine Ahnung, welchen Einfluss das Rauchverbot im Taxi oder in der Gastronomie darauf hat. Die Wissenschaft kann uns nicht die erhoffte Objektivität liefern, die ohnehin keine ausreichende Grundlage für kluge Politik ist. Das Tragische daran ist, dass so etwas dem Ansehen der Wissenschaft nachhaltig schaden kann, obwohl man in der Sache eigentlich rein politisch argumentieren und mit nichts anderem als einer demokratischen Übereinkunft genug erreichen könnte. Diese Übereinkunft müsste nichts anderes tun als den Grundsatz zu konkretisieren, dass man einander nicht mehr als nötig und akzeptabel belästigen solle. Wieso man statt dessen lieber wackelige Zahlenspiele verteidigt, ist mir ein Rätsel.

  6. #6 Sven Türpe
    17. Januar 2009

    Der Mund von Dr. Joseph Kuhn mag berufen sein, besonders überzeugend ist er aber nicht. Bei aller vielleicht berechtigten Kritik an Details liefert Ropohl doch wenigstens eine klare Argumentation, und ob die durch Ungenauigkeiten am Rande untergraben wird, bleibt gerade in Kuhns Antwort offen. Um die Argumentation anzugreifen, müsste man ihr wenigstens eine Stütze wegreißen und dazu erklären, warum es eine war und warum ohne sie alles nichts mehr ist.

    Das versucht Kuhn gar nicht. Er leugnet lieber, dass das Risiko auch beim Tabakrauch mit der Exposition steigt: “Potenziell kann z.B. eine einzige Asbest-Faser, kann ein einziges Nitrosamin-Molekül Krebs erzeugen.” (ohne jede ergänzende Klarstellung). Damit bewegt er sich, so deutlich muss man es sagen, irgendwo zwischen Homöopathie und den Elektrosensibelchen mit Händipanik. Er verweigert sich außerdem jeder rationalen Risikobetrachtung, wenn er schreibt: “Wie viele [Tote] müssten es seiner Meinung nach sein, dass sich epidemiologische und politische Aufmerksamkeit lohnt?”

    Dann doch lieber Ropohl. Der gibt sich wenigstens Mühe, statt nur Haltung zu zeigen. Er erklärt eingangs, was er versucht: nämlich die berechnete Opferzahl als Grundlage politischer Entscheidungen anzugreifen. Das ist ein ehrenwertes Unterfangen, zumal zwei Eingeständnisse in öffentlichen Risikodebatten viel zu selten auftauchen. Man gibt erstens nicht gerne zu, dass vorhandenes Wissen lückenhaft oder unzuverlässig sei. Und zweitens kommt man ungern zu dem Ergebnis, dass man einfach eine Weile gar nichts tun könnte. Das aber ist bei Ropohl — und auch in vielen anderen Debatten auf einer Seite der Front — bereits die Maximalposition. Er fordert nicht mehr als nichts zu tun, jedenfalls nicht mit den berechneten Toten als Begründung. Die Gegenseite hat keine realistische Maximalposition, das macht Kuhns Molekülzählerei ebenso deutlich wie die Tatsache, das die Gesetzgebung an einigen Stellen bereits am Dritthandrauch kratzt, etwa mit dem absoluten Rauchverbot im Taxi.

    Ropohl weist zu recht darauf hin, dass die Rechnerei, mit der den realen Toten angenommene Todesursachen zugeordnet werden, allerlei Unsicherheiten lässt. Kuhn widerspricht ihm letztlich nicht, wenn er wortreich beteuert, dass man sich doch mit Störeinflüssen bereits beschäftige. Was dabei aber herauskommt und mit welcher Unsicherheit die Zahlenangabe von 3301 Toten denn nun tatsächlich verbunden sei, verrät er uns auch bloß nicht. Und selbst wenn wir die Angabe hinnehmen, wissen wir immer noch nicht, was denn ein umfangreicher Rettungsversuch bewirken würde. 3301 Unsterbliche sicher nicht, sondern angesichts der unstrittigen Tabelle — ungefähr 5/6 der berechneten Passivrauchopfer sind im Rentenalter, 2/3 der Gesamtzahl sogar über 75, 1/3 über 85 — wohl 3301 Menschen, die vielleicht wenig später an etwas anderem stürben. Mit der landläufigen Vorstellung von Todesursachen hat es wenig zu tun, wenn die Opfer einer Ursache mehrheitlich erst 75 werden müssen, bevor sich die tödliche Wirkung einstellt. Oder siechen sie jahrzehntelang dahin und werden nur von der modernen Medizin auf eine übliche Lebensdauer gebracht?

    Solche Betrachtungen sind aber wohl zu komplex für jemanden, der mal eben den Laienfehler macht, nur übers Krebsrisiko zu reden (Kuhns Molekülzählerei zur Ablehnung von Grenzwerten), obgleich das doch gegenüber dem Risiko von Herz-/Kreislauferkrankungen recht klein ist. Dass man keine sinnvollen Grenzwerte definieren könnte, begründet er damit nicht.

    Wollte man tatsächlich eine brauchbare Entscheidungsgrundlage für die Politik schaffen, so müsste man sich zuerst von der Einheit “Tote pro Jahr” abwenden, denn die sagt zu wenig aus. Übrigens auch dann noch, wenn man sie wie das DKFZ in Beziehung setzt zur Sterblichkeit durch Nichtrisiken wie BSE oder SARS. Erforderlich wäre eine Einheit, welche die Änderung zeigt, die sich aus Eingriffen ergäbe, so dass man verschiedene Varianten vergleichen kann. Man müsste außerdem bei der Exposition genauer hinschauen, was die Fundamentalisten wie gesehen mit fadenscheinigen Argumenten ablehnen. Das Ergebnis wäre eine Funktion, an der sich Eingriffe durchspielen ließen. Das müsste alles gar nicht perfekt sein, sondern nur die offenkundigen Lücken schließen.

    Derzeit haben wir eine Zahl auf dem Tisch liegen, die dramatischer aussieht als sie tatsächlich ist, und wir haben exakt gar keine Ahnung, welchen Einfluss das Rauchverbot im Taxi oder in der Gastronomie darauf hat. Die Wissenschaft kann uns nicht die erhoffte Objektivität liefern, die ohnehin keine ausreichende Grundlage für kluge Politik ist. Das Tragische daran ist, dass so etwas dem Ansehen der Wissenschaft nachhaltig schaden kann, obwohl man in der Sache eigentlich rein politisch argumentieren und mit nichts anderem als einer demokratischen Übereinkunft genug erreichen könnte. Diese Übereinkunft müsste nichts anderes tun als den Grundsatz zu konkretisieren, dass man einander nicht mehr als nötig und akzeptabel belästigen solle. Wieso man statt dessen lieber wackelige Zahlenspiele verteidigt, ist mir ein Rätsel.

  7. #7 Sven Türpe
    17. Januar 2009

    Der Mund von Dr. Joseph Kuhn mag berufen sein, besonders überzeugend ist er aber nicht. Bei aller vielleicht berechtigten Kritik an Details liefert Ropohl doch wenigstens eine klare Argumentation, und ob die durch Ungenauigkeiten am Rande untergraben wird, bleibt gerade in Kuhns Antwort offen. Um die Argumentation anzugreifen, müsste man ihr wenigstens eine Stütze wegreißen und dazu erklären, warum es eine war und warum ohne sie alles nichts mehr ist.

    Das versucht Kuhn gar nicht. Er leugnet lieber, dass das Risiko auch beim Tabakrauch mit der Exposition steigt: “Potenziell kann z.B. eine einzige Asbest-Faser, kann ein einziges Nitrosamin-Molekül Krebs erzeugen.” (ohne jede ergänzende Klarstellung). Damit bewegt er sich, so deutlich muss man es sagen, irgendwo zwischen Homöopathie und den Elektrosensibelchen mit Händipanik. Er verweigert sich außerdem jeder rationalen Risikobetrachtung, wenn er schreibt: “Wie viele [Tote] müssten es seiner Meinung nach sein, dass sich epidemiologische und politische Aufmerksamkeit lohnt?”

    Dann doch lieber Ropohl. Der gibt sich wenigstens Mühe, statt nur Haltung zu zeigen. Er erklärt eingangs, was er versucht: nämlich die berechnete Opferzahl als Grundlage politischer Entscheidungen anzugreifen. Das ist ein ehrenwertes Unterfangen, zumal zwei Eingeständnisse in öffentlichen Risikodebatten viel zu selten auftauchen. Man gibt erstens nicht gerne zu, dass vorhandenes Wissen lückenhaft oder unzuverlässig sei. Und zweitens kommt man ungern zu dem Ergebnis, dass man einfach eine Weile gar nichts tun könnte. Das aber ist bei Ropohl — und auch in vielen anderen Debatten auf einer Seite der Front — bereits die Maximalposition. Er fordert nicht mehr als nichts zu tun, jedenfalls nicht mit den berechneten Toten als Begründung. Die Gegenseite hat keine realistische Maximalposition, das macht Kuhns Molekülzählerei ebenso deutlich wie die Tatsache, das die Gesetzgebung an einigen Stellen bereits am Dritthandrauch kratzt, etwa mit dem absoluten Rauchverbot im Taxi.

    Ropohl weist zu recht darauf hin, dass die Rechnerei, mit der den realen Toten angenommene Todesursachen zugeordnet werden, allerlei Unsicherheiten lässt. Kuhn widerspricht ihm letztlich nicht, wenn er wortreich beteuert, dass man sich doch mit Störeinflüssen bereits beschäftige. Was dabei aber herauskommt und mit welcher Unsicherheit die Zahlenangabe von 3301 Toten denn nun tatsächlich verbunden sei, verrät er uns auch bloß nicht. Und selbst wenn wir die Angabe hinnehmen, wissen wir immer noch nicht, was denn ein umfangreicher Rettungsversuch bewirken würde. 3301 Unsterbliche sicher nicht, sondern angesichts der unstrittigen Tabelle — ungefähr 5/6 der berechneten Passivrauchopfer sind im Rentenalter, 2/3 der Gesamtzahl sogar über 75, 1/3 über 85 — wohl 3301 Menschen, die vielleicht wenig später an etwas anderem stürben. Mit der landläufigen Vorstellung von Todesursachen hat es wenig zu tun, wenn die Opfer einer Ursache mehrheitlich erst 75 werden müssen, bevor sich die tödliche Wirkung einstellt. Oder siechen sie jahrzehntelang dahin und werden nur von der modernen Medizin auf eine übliche Lebensdauer gebracht?

    Solche Betrachtungen sind aber wohl zu komplex für jemanden, der mal eben den Laienfehler macht, nur übers Krebsrisiko zu reden (Kuhns Molekülzählerei zur Ablehnung von Grenzwerten), obgleich das doch gegenüber dem Risiko von Herz-/Kreislauferkrankungen recht klein ist. Dass man keine sinnvollen Grenzwerte definieren könnte, begründet er damit nicht.

    Wollte man tatsächlich eine brauchbare Entscheidungsgrundlage für die Politik schaffen, so müsste man sich zuerst von der Einheit “Tote pro Jahr” abwenden, denn die sagt zu wenig aus. Übrigens auch dann noch, wenn man sie wie das DKFZ in Beziehung setzt zur Sterblichkeit durch Nichtrisiken wie BSE oder SARS. Erforderlich wäre eine Einheit, welche die Änderung zeigt, die sich aus Eingriffen ergäbe, so dass man verschiedene Varianten vergleichen kann. Man müsste außerdem bei der Exposition genauer hinschauen, was die Fundamentalisten wie gesehen mit fadenscheinigen Argumenten ablehnen. Das Ergebnis wäre eine Funktion, an der sich Eingriffe durchspielen ließen. Das müsste alles gar nicht perfekt sein, sondern nur die offenkundigen Lücken schließen.

    Derzeit haben wir eine Zahl auf dem Tisch liegen, die dramatischer aussieht als sie tatsächlich ist, und wir haben exakt gar keine Ahnung, welchen Einfluss das Rauchverbot im Taxi oder in der Gastronomie darauf hat. Die Wissenschaft kann uns nicht die erhoffte Objektivität liefern, die ohnehin keine ausreichende Grundlage für kluge Politik ist. Das Tragische daran ist, dass so etwas dem Ansehen der Wissenschaft nachhaltig schaden kann, obwohl man in der Sache eigentlich rein politisch argumentieren und mit nichts anderem als einer demokratischen Übereinkunft genug erreichen könnte. Diese Übereinkunft müsste nichts anderes tun als den Grundsatz zu konkretisieren, dass man einander nicht mehr als nötig und akzeptabel belästigen solle. Wieso man statt dessen lieber wackelige Zahlenspiele verteidigt, ist mir ein Rätsel.

  8. #8 wolfgang
    18. Januar 2009

    Coole Idee am früheren Ostersonntag jetzt Darwins day gibt es Lammbraten und am früheren Ostermontag jetzt Nudelmontag gibt es Pasta zu Ehren des Nudelmonsters und der Pastafarians 🙂

  9. #9 Karl Mistelberger
    18. Januar 2009

    Darwin-Era Kalender: So ein Schmarrn. Endlich hat sich die Welt auf etwas geeinigt:

    “Calendars in widespread use today include the Gregorian calendar, which is the de facto international standard, and is used almost everywhere in the world for civil purposes, including in the People’s Republic of China and India (along with the Indian national calendar). Due to the Gregorian calendar’s obvious connotations of Western Christianity, non-Christians and even some Christians sometimes justify its use by replacing the traditional era notations “AD” and “BC” (“Anno Domini” and “Before Christ”) with “CE” and “BCE” (“Common Era” and “Before Common Era”)”

    aus: https://en.wikipedia.org/wiki/Calendar

  10. #10 Joseph Kuhn
    2. April 2010

    Als später Nachtrag zur “Ropohl-Debatte”: Eine Sache abzuwägen, ist etwas, was jeder Mensch selbst aus Erkenntnisinteresse tun muss. Kein noch so gutes Argument kann einen Menschen dazu zwingen. Hinzu kommt, dass manche Argumente von der Sache her schwerer nachzuvollziehen sind, andere leichter. Die Frage von Grenz- und Schwellenwerten bei krebserzeugenden Stoffen ist kompliziert und man mag die Festlegungen der MAK-Kommission teilen oder nicht. Eine Nähe zur Homöopathie sollte man der MAK-Kommission allerdings nicht unterstellen, da sind Welten dazwischen. Es gibt auch Ansätze, risikobasiert “Schwellen” einzuziehen: http://www.bua-verband.de/pdfs/Risiko_wriedt.pdf. Aber wie gesagt, das ist eine komplizierte Materie. Leicht nachzuvollziehen ist dagegen, dass Herr Ropohl bei seiner Betrachtung der passivrauchbedingten Sterbezahlen schlicht falsch rechnet, ob aus Absicht oder nicht, sei dahingestellt. Seine Interpretation der Sterbezahlen habe ich daher noch einmal zum Gegenstand eines Artikels gemacht: http://www.josephkuhn.de/pdf/Passivrauchen_Buergerorientierung_Evidenz.pdf. Herr Ropohl hat sich auch davon nicht beirren lassen. Daher glaube ich, dass er in dieser Sache mit Argumenten nicht erreichbar ist. Das ist aber eine Voraussetzung für jede wissenschaftliche Debatte, man kann nicht, wie Herr Ropohl, den Anspruch auf eine “wissenschaftstheoretische” Abhandlung erheben und gleichzeitig unbeirrt evident falsche Zahlenspiele weiterbetreiben. Und um es zur Vermeidung von Missverständnissen ganz deutlich zu sagen: Ja, bei Thema Passivrauchen darf man streiten, man darf die Qualität von Studien kritisieren, man darf natürlich auch die Art und Weise der Berechnung der passivrauchbedingten Sterbefälle kritisieren. Aber dadurch wird nicht im Umkehrschluss die Ropohlsche Argumentation richtig.

  11. #11 Ulrich Berger
    2. April 2010

    @ Joseph Kuhn:
    Danke für den Hinweis auf Ihren Artikel, hier nocheinmal als klickbarer link: https://www.josephkuhn.de/pdf/Passivrauchen_Buergerorientierung_Evidenz.pdf
    vG, Ulrich Berger (inzwischen Nichtraucher)