Wurden die Wahlen im Iran manipuliert? Und kann man das anhand der nackten Zahlen mittels Benford’s Law nachweisen? Georg Hoffmann hat da seine Zweifel. Doch der Astrophysiker Boudewijn F. Roukema meint JA. Was Benford’s Law ist und wieso Roukema glaubt, den Wahlbetrug damit nachweisen zu können, erklärt sein Kollege und Science Buster Prof. Dr. Heinz Oberhummer in diesem Gastbeitrag.
Wahlbetrug im Iran?
Die Wahl zum iranischen Präsidenten am 12. Juni 2009 brachte laut dem iranischen Innenministerium folgendes Ergebnis:
Ahamdinejah (A): 24.527.516 (62,63%)
Mousavi (M): 13,216.411 (33,75%)
Rezaee (R): 678.244 (1,73%)
Karroubi (K): 333.635 (0,85%)
Der Astrophysiker Boudewijn F. Roukema von der Nicolaus Copernicus
Universität in Torun, Polen, analysierte die Wahlergebnisse der Wahl mit
Hilfe des Benfordschen Gesetzes. Seine Folgerung ist, dass die Wahl
mit großer Wahrscheinlichkeit nicht korrekt
durchgeführt sondern manipuliert wurde.
Der
Iran hat eine große mathematische Tradition und Iraner haben die
Algebra entscheidend weiter entwickelt und verfeinert. Das Wort Algebra
stammt sogar aus dem Persischen. Es ist wichtig für die Bevölkerung im
Iran, dass es nun auch eine wissenschaftliche Grundlage gibt, die den
Wahlbetrug nachweisen kann. Dafür kann man B. F. Roukema nicht genug
danken.
Was ist das Benford’sche Gesetz?
Das
Benford’sche Gesetz beschreibt die Verteilung von 1 bis 9 in der
vordersten Ziffer von Datensätzen. Intuitiv würde man annehmen, dass
die Ziffern 1 bis 9 alle gleich oft an vorderster Stelle stehen. Das
ist der Fall, wenn man z.B. alle Zahlen von 1 bis 9 oder 11 bis 99
verwendet. Für diese beiden Datensätze kommen die Zahlen von 1 bis 9 an
der vordersten Stelle gleich oft vor. Meistens ist das aber nicht der Fall:
Zum Beispiel kommt im Datensatz von 1 bis 19 die Zahl 1 an erster
Stelle in mehr als der Hälfte der Fälle vor. Für genügend große
Datensätze erscheint folgendes Muster: die 1 ist an vorderster Stelle
mit einer Wahrscheinlichkeit von 30,1%, die 2 mit 17,6%, etc.
vertreten, während die 9 nur mehr mit 4,6% erscheint. Diese Verteilung
nennt man nach seinem Entdecker das Benford’sche Gesetz.
Das
Benford’sche Gesetz gilt für eine überraschend große Anzahl von
Datensätzen. Dazu gehören z.B. Einwohnerzahlen von Orten, Auflagenzahlen
von Zeitschriften, Zahlen in beliebigen Artikeln, Zahlen in
Sportstatistiken, Börsendaten, Volkszählungen, Kassenbons im
Supermarkt, etc. Das Benford’sche Gesetz wird auch verwendet um
Manipulationen an Steuerdaten, Versicherungsforderungen, Buchhaltung
etc. aufzudecken.
Das Benford’sche
Gesetz gilt auch für die Verteilung der Stimmen eines Kandidaten in
verschiedenen Wahlbezirken. Abweichungen vom Benfordschen Gesetz
deuten auf nicht korrekte Wahlen oder Wahlmanipulationen hin.
Sind die Ergebnisse der Iranwahl 09 vereinbar mit dem Benford’schen Gesetz?
Nein!
Die Wahlstimmen der einzelnen Kandidaten in den 266 Wahlsprengeln des
Iran erfüllen nicht das Benfordsche Gesetz. Die augenscheinlichste
Abweichung scheint in der überproportionalen Häufigkeit der 7 an erster
Stelle des viert-platzierten Kandiaten K auf. Das könnte man zum
Beispiel erreichen, wenn man in einem einzelnen Wahlbezirk 57.000
Stimmen für Kandidat K durch 7.000 Stimmen ersetzt und die so
gewonnenen 50.000 Stimmen dem Kandidaten A zuschlägt.
Wie viele Stimmen könnten manipuliert sein?
Es
kann sich um viele Millionen Stimmen handeln, die durchaus in der
Größenordnung des Stimmenvorsprungs des ersten Kandidaten gegenüber dem
zweiten liegen könnten. Allerdings kann mit Hilfe des Benford’schen
Gesetz nicht gesagt werden, wie viele Millionen Stimmen genau
manipuliert wurden.
Könnte man eine neue, gerechte Stimmenauszählung durchführen?
Das
ist eigentlich ganz einfach: Man untersucht zumindest diejenigen 41
Wahlbezirke, in denen die abgegebenen Stimmen für den Kandidaten K eine
7 an der vordersten Stelle hat. Man findet dort mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit Wahlfälschung, inkorrekte Auszählung oder
Wahlmanipulation. Stichprobenartige Neuauszählungen, wie vom Wächterrat
angekündigt, sind kaum sinnvoll. Der Wächterrat könnte sogar die obigen
suspekten Wahlbezirke bewusst nicht neu auszählen lassen.
Könnte man Wahlen auch so manipulieren, dass das Benford’sche Gesetz erfüllt ist?
Klar,
man muss ich nur etwas in Mathematik auskennen. Dem Wächterrat traue
ich das nicht zu. Wie man das machen könnte, werde ich daher hier nicht
weiter ausführen.
Originalarbeit von B.F. Roukema und Kritik
Originalarbeit von B.F. Roukema:
Es
gibt allerdings auch Bedenken in die Richtung, dass das Benford’sche
Gesetz für die Verteilung der Wählerstimmen der Kanditaten bei der
Iranwahl 09 nicht unbedingt gelten muss: Princeton Election Consortium
Dort finden Sie jedenfalls weitere Kommentare und
wissenschaftliche Analysen zum wahrscheinlichen Wahlbetrug bei der
Iranwahl 09.
[Anm. UB: Thilo Kuessner hat darauf hingewiesen, dass es auch andere kritische Stimmen gibt, etwa in diesem Artikel in der Washington Post.]
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