Immer dasselbe: Kaum äußern wir zarte Kritik am neuesten Placeboverfahren oder am jüngsten am Markt befindlichen Voodoo-Gerät, schon stapeln sich erzürnte Kommentare und e-mails von begeisterten Anwendern: “Haben Sie das Gerät denn überhaupt schon einmal ausprobiert?!?”
Ein Bericht von Gastautor Roland K.
Eine Uhr, die gegen Schlafstörungen hilft, das Immunsystem stärkt, so
nebenbei noch vor Elektrosmog schützt und den Energielevel erhöht? Klingt esoterisch, sei aber “wissenschaftlich nachgewiesen” worden und das
Ergebnis von “10 Jahren Grundlagenforschung” von Ärzten und
Wissenschaftlern. So ist es jedenfalls in einem Ganzseiteninserat in einer
österreichischen TV-Zeitschrift zu lesen.
Ich staune nicht schlecht: Eine Uhr mit „Quantenchip” der ohne Strom
arbeitet, heilende Frequenzen aussendet, gegen alles Mögliche hilft und
natürlich keine Nebenwirkungen hat. Hab ich da was verpasst? Warum
erforschen zahlreiche WissenschaftlerInnen Quantenphänomene, wenn es
doch schon einen funktionierenden Quantenchip von ISEE gibt?
Mein
Ehrgeiz ist geweckt und ich will es genau wissen. Ich schiebe alle
esoterisch klingenden Erklärungen des Herstellers beiseite und schaue
mir die als wissenschaftlich bezeichneten Beweise an. Es findet sich
eine unverblindete Studie mit 16 Probanden. Auf Grund der fehlenden
Verblindung und der geringen Anzahl an Probanden ist die Aussagekraft
dieser Studie sehr schwach. Auch wenn der Chip überhaupt nicht
funktioniert, kann dieses Ergebnis allein auf Grund des
Placebo-Effektes zustande gekommen sein oder es wurde schlicht die
„Erwartungshaltung” gemessen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen
Chip und Gesundheit kann mit so einem Test nicht nachgewiesen
werden. Das durchführende Institut (ISIS Münster, Gerd Rosenberg) ist
außerdem kein Universitätsinstitut, sondern ist aus einem Verein
hervorgegangen.
Was mich noch wundert: die Uhren auf denen der Chip angebracht ist, stammen von einem bekannten Uhrenhersteller – Jacques Lemans.
Ich schreibe daher ein E-Mail an deren Unternehmenszentrale und bringe
darin sachlich aber direkt meine Zweifel an der beschriebenen Wirkung
zum Ausdruck.
Um es kurz zu machen: Einige Telefonate und Emails später halte ich die
ISEE-Energywatch in meinen Händen. Der Chip-Hersteller (die steirische
Firma PRO ENERGETIC, Geschäftsführer Walter Wittmann) hat sie mir
geschenkt und ist davon überzeugt, dass ich die „positiven
Schwingungen” am eigenen Leib spüren werde. Ich frage vorsichtshalber
nach, wie man feststellt, dass der Chip auch wirklich funktioniert und
nicht defekt ist. Die Antwort ist verblüffend einfach: Man stellt ein
Glas Mineralwasser auf die Uhr, und kurz darauf wird sich der Geschmack
des Mineralwassers merklich geändert haben.
Das hab ich natürlich gleich mal ausprobiert. Resultat: Das Mineralwasser
hat seinen Geschmack nicht im geringsten verändert.
Es gibt übrigens
einige esoterische Produkte, bei denen als Test ihrer Wirkung eine
Geschmacksveränderung behauptet wird. Das könnte damit zu tun haben,
dass die subjektive Geschmackswahrnehmung von der eigenen Erwartungshaltung
unbewusst beeinflusst wird.
Ich habe dem freundlichen Chip-Hersteller,
der mir ja immerhin eine Uhr im Wert von € 300,- geschenkt hat,
angeboten, in Zusammenarbeit mit der GWUP Wien die behauptete
Geschmacksveränderung durch den Chip unter wissenschaftlich
kontrollierten Bedingungen zu überprüfen (doppelblind versteht sich, um
den Einfluss der Erwartungshaltung auszuschalten). Leider konnte oder
wollte der Chiphersteller dieses Angebot nicht annehmen. Schade; hätte
er doch als Erfinder eines geschmacksverändernden Quantenchips
letztlich mit einem Nobelpreis für Physik rechnen können.
Was bleibt sind Verkaufsversprechen, deren Wissenschaftlichkeit
ich nicht nachvollziehen konnte und kann. Mittlerweile sieht man die
ISEE Energywatch in den Auslagen von zahlreichen Uhren- und
Juweliergeschäften und sie hat auch eine Auszeichnung und einen eigenen Artikel
bei Esowatch erhalten. ISEE wirbt mit einer weiteren Studie, wo
angeblich 100 Probanden getestet wurden. Von einer Verblindung ist auch
hier nichts zu lesen.
Wie soll das Ganze noch mal funktionieren? Auf der Homepage von
ISEE liest man:
Durch das Tragen der ISEE Energywatch werden verstärkt
Biophotonen auf natürliche Weise in die Energiebahnen des Körpers
transportiert und gespeichert.
Klingt esoterisch – ist es auch.
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