Ein offener Brief von Erich Eder
Eure Magnifizenzen, sehr geehrter Herr Univ.-Prof. Dr. Waldhäusl, sehr geehrter Herr Univ.-Prof. Dr. Swetly!
Am Wochenende brachte ich meinen Kater wegen plötzlich aufgetretener obstruktiver Uropathie in die Notfallambulanz der VetMed. Er bekam einen Katheter sowie die für solche Erkrankungen üblichen schmerzstillenden und krampflösenden Medikamente bzw. Infusionen.
Am Montag rief mich der diensthabende Arzt an, um mir von der Besserung der Symptome zu berichten – gleichzeitig aber, um mir für meinen Kater eine homöopathische Behandlung anzubieten. Ich glaubte zunächst, mich verhört zu haben.
– An einer Universitätsklinik erwarte ich die Behandlung nach dem “state of the art” und nicht nach einem seit 200 Jahren unveränderten, lediglich medizinhistorisch interessanten, unwissenschaftlich-magischen Konzept. Auf meine Nachfrage, wie er auf die Idee komme, mir so einen Unsinn anzubieten, stimmte der Arzt meiner Einschätzung im Prinzip zu, meinte aber, er und seine KollegInnen seien „angehalten”, den Tierbesitzern diese Behandlung anzubieten.
Angehalten?
Von wem? Und wozu? Um die Kosten (insgesamt 776,-) noch zu erhöhen? Für eine Scheinbehandlung ohne Wirkung? An einer Universitätsklinik?
Sehr geehrter Herr Vizerektor Waldhäusl, sehr geehrter Herr Vizerektor Swetly, als promovierter Mediziner bzw. Biochemiker haben Sie (und Ihre universitären KollegInnen als Veterinärmediziner) einen Eid darauf geleistet, sich in Ihrem Fachgebiet fortzubilden und auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu halten. Daher müssen Ihnen die Publikationen
J. Maddox et al. (1988): ‘High-dilution’ experiments a delusion. Nature 334: 287-291.
Ph. Wernet et al. (2004): The Structure of the First Coordination Shell in Liquid Water. Science 304: 5673.
L. Hektoen (2005): Review of the current involvement of homeopathy in veterinary practice and research. Vet. Rec. 157: 224-229.
A. Shang et al. (2005): Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. Lancet 366: 726-32.
M. L. Cowan et al. (2005): Ultrafast memory loss and energy redistribution in the hydrogen bond network of liquid H2O. Nature 434, 199-202.
M. Baum & E. Ernst (2009): Should we maintain an open mind about homeopathy? Am. J. Med. 122: 973-974.
bekannt sein. Aus diesen geht nicht nur hervor, dass Homöopathie wirkungslos ist, sondern auch klar, warum dies so ist: Sie widerspricht physikalischen Grundgegebenheiten. Die WHO hat im Vorjahr die Gesundheitsminister aller Länder vor Homöopathie gewarnt und an sie appelliert, die Förderung der Homöopathie bei lebensbedrohlichen Krankheiten zu bekämpfen. In den USA ist Homöopathie von der FDA nicht als veterinärmedizinische Behandlung zugelassen. An Ihrer Universität (!) wird sie angeboten. Was kommt als nächstes? Wünschelruten, Pendel, Heilsteine? Tier-Astrologie an der VetMed?
Ich ersuche Sie, medizinisch-wissenschaftlich (und nicht wirtschaftlich oder anhand von Meinungsumfragen) zu begründen, warum an Ihrer Universität eine dem Stand der Wissenschaft nicht entsprechende und nachweislich nicht über den Placeboeffekt hinaus wirkende pseudomedizinische Methode praktiziert wird und weise Sie darauf hin, dass ich diesen offenen Brief und Ihre Antwort auf scienceblogs.de veröffentlichen werde.
Dem Kater geht es inzwischen übrigens wieder gut – ohne Homöopathie. Wäre ich so naiv gewesen und hätte der homöopathischen Behandlung zugestimmt, so gehörte ich heute wohl zu jenen zahlreichen Befürwortern, die sagen: “Es hat sogar bei meinem Haustier geholfen, und da gibt es ja keinen Placeboeffekt…!”
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Erich Eder
Lehrbeauftragter an der Univ. Wien (Fakultät für Lebenswissenschaften)
Vizepräsident der Gesellschaft für Kritisches Denken (GWUP Wien)
CC zur Information: Univ.-Prof. Dr. Ivo Schmerold, Institut für Pharmakologie d. VetMed.
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