Mein ironisches Posting von letzter Woche hat eine unerwartet heftige Diskussion – teils in Reimform – ausgelöst, die ich nach 327 Kommentaren vorzeitig abgebrochen habe. Das Thema war das angebliche perpetuum mobile von Hans Weidenbusch, das dieser 2009 erfunden hatte.
Seit Beginn des Jahres hat Herr Weidenbusch via eigener Webseite, diverser Pressemeldungen und unzähliger Foreneinträge die Welt wissen lassen, er habe ein perpetuum mobile erfunden. Diese frohe Botschaft lässt sich inzwischen auch in der alternativphysikalischen Zeitschrift raum&zeit nachlesen. Um die Glaubwürdigkeit seiner Behauptung zu erhöhen, verwies Weidenbusch auf hunderte Augenzeugen, auf fünf bis acht (die Angaben schwanken) Dekane von Physik-Fakultäten, auf die UC Berkeley, auf die GWUP und auf den GWUP-Physiker Prof. Martin Lambeck. Alle diese hätten bestätigt, dass seine Maschine ein perpetuum mobile sei bzw. den ersten oder zweiten Hauptsatz der Thermodynamik verletze.
Obwohl das eine Selbstverständlichkeit sein sollte, wiederhole ich
nocheinmal, dass diese Behauptung sowohl im Fall der GWUP als auch im Fall von Prof.
Lambeck unwahr ist. Wir haben natürlich niemals derartiges bestätigt, auch wenn dies in der jüngsten wirren Pressemeldung zum x-ten Mal wiederholt wird.
Wer behauptet, ein perpetuum mobile erfunden zu haben, der hat es nicht
leicht. Denn es gibt keine solchen Maschinen – die Hauptsätze der
Thermodynamik verbieten es. Perpetuum-mobile-Erfinder werden deshalb nur von wenigen
Menschen bewundert und von der Mehrheit als Betrüger oder Spinner abgetan, was
in Diskussionen dann leicht ausartet. Die meisten der verschiedenen
Forendiskussionen über das Weidenbusch’sche perpetuum mobile wurden aufgrund teils wüster
persönlicher Beschimpfungen vorzeitig abgebrochen. Was deshalb den
meisten Beobachtern bis heute nicht klar ist, ist die Frage, wie die Maschine
eigentlich genau funktionieren soll, und falls sie doch nicht
funktioniert, warum nicht?
An dieser Konfusion ist Herr Weidenbusch nicht ganz unschuldig. Er hat
z.B. nie verständlich erklärt, was die Augenzeugen bei der Vorführung in einer Schule im April 2010 eigentlich zu Gesicht bekommen haben. Auch
der raum&zeit-Artikel stiftet einiges an Verwirrung. Da ist von einer Nadel
die Rede, die unter Wasser auf eine “Pumpvorrichtung” sinkt, eine
Luftblase aufnimmt, aufsteigt und die Blase an der Oberfläche wieder
abgibt, dann wieder absinkt und so weiter und so fort. Das Prinzip der
Pumpvorrichtung sei aber “aus patentrechtlichen Gründen noch nicht
publiziert”. Das ist wenig erhellend.
Etwas besser ist da schon der alternative Versuchsaufbau beschrieben, der bisher aber offenbar nur auf dem Papier existiert. Hier ist die Rede von zwei gleichartigen Schwimmern, von denen einer in einer Kapillarröhre schwimmt, wo der Wasserspiegel und damit der Schwimmer aufgrund des Kapillareffekts höher liegt. Man könne dann, so Weidenbusch, ohne Energieverlust einen Teil von der Spitze des höheren Schwimmers abschneiden und auf den tieferen Schwimmer aufpflanzen, und gleichzeitig einen Teil vom unteren Ende des tieferen Schwimmers auf das untere Ende des höheren Schwimmers transferieren. Am Ende hätten beide Schwimmer wieder die Ausgangslage erreicht. So jedenfalls die Erklärung zur beigefügten Skizze.
Sehr befriedigend ist das nicht. Denn warum sollte, wie hier klar zu sehen, der linke Schwimmer höher aus der Kapillare aufragen als der rechte aus dem Wasser? Auch diese von Herrn Weidenbusch zur Erklärung benutzte Skizze hilft nicht sehr viel weiter:
Um zu demonstrieren, dass ein Schwimmer in einer Kapillare aufsteigt, verlinkt Herr Weidenbusch regelmäßig auf ein etwas unscharfes YouTube-Video namens “Auftriebskapillar”, das zwei Schwimmer zeigt. Über den einen wird mit Hilfe eines Strohhalms und einer Klammer ein Kapillarröhrchen aus Alufolie gestülpt, woraufhin der Schwimmer ein klein wenig aufsteigt. Zieht man das Röhrchen aus dem Wasser, fällt der Schwimmer wieder zurück. Dieser Vorgang wird mehrfach wiederholt.
Dieses ständig und meist kommentarlos verlinkte Video ist die Ursache aller Verwirrungen. Tatsächlich soll es nur das Aufsteigen des Schwimmers demonstrieren, während viele Beobachter glaubten, es solle das perpetuum mobile selbst in Aktion zeigen. Das ist natürlich absurd, denn das Röhrchen wird offensichtlich von einer externen Kraft gehoben.
Ich glaube das Weidenbusch’sche Prinzip für das perpetuum mobile inzwischen soweit verstanden zu haben, dass ich im Kopf eine verfeinerte Variante angefertigt habe. Die folgende Zeichnung ist natürlich nicht maßstabsgetreu, soll aber das Grundprinzip veranschaulichen. Und so funktioniert’s:
Der linke Schwimmer (grün) steht in einem geneigten Kapillarröhrchen, in dem der Wasserspiegel erhöht ist. Der rechte Schwimmer (rot) steht in einem Wasserbecken, das mit der Kapillare verbunden ist. Die punktierten Linien sind Führungsschienen, in denen die Schwimmer reibungsfrei gleiten können. Die Schwimmer bestehen aus einem Material mit der halben Dichte von Wasser. Sie sind aus jeweils fünf identischen Würfeln aufgebaut.
1.: Ein elfter Würfel (gelb) wird anfangs von außen auf den rechten Schwimmer fallen gelassen und treibt im Fallen eine Turbine an, die die kinetische Energie des Würfels in z.B. Strom umwandelt.
2.: Durch das nunmehr erhöhte Gewicht sinkt der rechte Schwimmer um etwa eine halbe Würfelhöhe ab, woraufhin Würfel A über das Ende der Führungsschiene geschoben wird und durch den unter Wasser herrschenden Auftrieb senkrecht nach oben steigt.
3.: Sobald Würfel A am grünen Schwimmer unten angekommen ist, schiebt er diesen ein Stück nach oben, woraufhin Würfel B über die Führungsschiene kippt.
4.: Würfel B fällt der Schwerkraft folgend nach unten, Richtung Turbine. Wir sind also wieder bei Bild 1. angelangt. So dreht sich das Würfelwerk ewig weiter und treibt noch dazu bei jedem Umlauf eine Turbine an, die Strom und damit Energie aus dem Nichts erzeugt.
Jetzt wissen wir natürlich alle, dass das Ding nicht funktionieren kann. Aber wieso eigentlich nicht? Als Antwort hätte ich gerne eine Erklärung, was hier genau passieren würde, wenn man diese Maschine tatsächlich baut und wie beschrieben in Betrieb nimmt. Ein lapidarer Verweis auf den Satz von der Energieerhaltung oder die Hauptsätze der Thermodynamik genügt mir nicht – das ist eine Begründung für das Scheitern der Maschine, aber keine Erklärung!
Ich persönlich finde das Prinzip der Weidenbusch-Maschine durchaus interessant. Zumindest habe ich beschämend lange gebraucht, um von selbst auf die Erklärung zu kommen. Und all jenen, die die Beschäftigung mit der dreihundertneunundvierzigsten Variante eines perpetuum mobiles für reine Zeitverschwendung halten, möchte ich entgegnen: Sie schult das kritische Denken und die physikalische Intuition! Wie Martin Gardner es einmal ausdrückte:
Even when a pseudoscientific theory is completely worthless, there is a certain educational value in refuting it.
Also los geht’s mit unserem heurigen Sommerrätsel! Refuten Sie! Ich möchte Ihre ernstgemeinten (und bitte nicht gereimten) Erklärungen lesen. Profi-Physiker sind ausgeschlossen und werden um freundliche Zurückhaltung ersucht. Troll-Kommentare werden ohne Vorwarnung gelöscht. Die Auflösung kommt dann nächste Woche.
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