Ein Gastbeitrag von Kommentator noch’n Flo
WSC 2012 – Prolog: Der Science Slam
Nachdem unser lieber Ulrich leider nicht zum WSC 2012 kommen konnte, habe ich ihm angeboten, im Rahmen einer Gastkolumne auf seinem Blog von diesem Ereignis zu berichten. Den grössten Teil des Publikumstages konnte ich leider nicht verfolgen, da ich erst am späten Nachmittag in Berlin gelandet bin, aber immerhin hat es noch für den Science Slam gereicht.
Moderatorin Julia Offe (hier bei SB bekannt durch ihren Blog “Mutterwitz”) konnte dazu insgesamt 4 Nachwuchsforscher aus sehr unterschiedlichen Fachgebieten begrüssen.
Den Anfang machte Sebastian Bartoschek mit seinem Vortrag „Elvis ist nicht tot, er ist nur nach Hause gegangen”, der sich mit dem Bekanntheitsgrad von und der Zustimmung zu verschiedenen Verschwörungstheorien in der Bevölkerung beschäftigt. Florian Freistetter hat diesen Vortrag allerdings schon einmal besprochen, so dass ich mir dieses hier spare.
Als Zweites folgte der Physiker André Lampe. Seine 6jährige Nichte hatte ihn vor einiger Zeit einmal gebeten, ihr eine Geschichte zu erzählen. Die Mutter des Kindes meinte aber, er solle ihr lieber etwas von seiner Arbeit erzählen, damit das Mädchen etwas lernen könne. Daraufhin erzählte er der Kleinen die Geschichte vom Lemur Peter und der Maulwürfin Sieglinde.
Lemuren haben grosse Augen, leben auf Bäumen und sind sehr neugierig. Maulwürfe haben sehr kleine Augen, leben in einem Gangsystem unter der Erde und sind ebenfalls sehr neugierig. Eines Tages tauchte nun ein Glühwürmchenschwarm auf der Wiese auf. Lemur Peter sah dank seines grossen Gesichtsfelds ein grosses Gewusel, aber nur wenige Details. Maulwürfin Sieglinde konnte aus ihrem Hügel heraus nur einen kleinen Ausschnitt des Himmels sehen, und bemerkte demzufolge nur hin und wieder ein einzelnes Glühwürmchen, dass über den Hügel flog, dieses jedoch sehr scharf.
Schliesslich flogen die Glühwürmchen jedoch hinüber zu Horst, der Blumenhecke, und bildeten dort kleine Trauben um die Blüten. Da sie jetzt stillhielten konnte Peter sie nun auch besser erkennen.
Was das nun mit Wissenschaft zu tun hat? Nun, Sieglinde ist ein Konfokal-Fluoreszenz-Mikroskop, Peter ein Weitfeld-Fluoreszenz-Mikroskop. Beide finden Anwendung in der Medizintechnik, wenn es darum geht, Blutproben auf bestimmte Marker zu untersuchen. Die zu messende Substanz wird zunächst markiert, ob dies funktioniert hat (also überhaupt die zu detektierende Substanz erfassbar ist), misst das Konfokal-Fluoreszenz-Mikroskop Sieglinde. Danach werden beads hinzugegeben, an die die markierten Moleküle andocken (Blumenhecke Horst), wo das Weitfeld-Mikroskop Peter sie erkennen kann. Dies meldet er dann an Zählcomputer Erich, der eine Zahl ausspuckt, z.B. 27 (Mediziner haben es grundsätzlich nicht so mit Einheiten…).
Und auf diese Weise wurde schliesslich Waltraut, das Interleukin-Messgerät, entwickelt.
Sehr schöne Art, Kindern Wissenschaft näherzubringen.
Der dritte Vortrag kam von Klaus Schmeh, seines Zeichens Informatiker und Kryptologe, der sich seit längerem mit dem Voynich-Manuskript beschäftigt, einer Handschrift aus dem 15. Jahrhundert, von der man weder weiss, wer sie geschrieben hat, noch, was überhaupt darin steht. Denn der Text ist komplett in eine unbekannten und unverständlichen Sprache verfasst. Klaus Schmeh hat sich nun von mehreren Seiten diesem Problem genähert (und sich nebenbei mit viel Geschick ein eigenes Faksimile der Handschrift gefertigt, die die Besucher des Science Slam auch ausgiebig durchblättern durften). Aus seiner Sicht gibt es 3 Möglichkeiten:
a) die Schrift ist in einer heute unbekannten Sprache verfasst
b) es handelt sich um einen Geheimcode
c) die Schrift ist völlig sinnlos
Sprachen folgen immer bestimmten Gesetzmässigkeiten – bestimmte Buchstaben oder Wörter kommen in verschiedenen Sprachen charakteristisch unterschiedlich oft vor, es gibt Muster. In dem Text des Voynich-Manuskripts gab es jedoch keine durchgehenden derartigen Muster, mal schien die „Sprache” dem Englischen zu ähneln, mal dem Deutschen und manchmal auch dem Lateinischen oder Griechischen.
Auch Geheimcodes folgen gewissen Gesetzmässigkeiten, insbesondere einfache Codes, wie sie in der damaligen Zeit üblich gewesen sein könnten, das unterscheidet sie von modernen Verschlüsselungen. Auch hier müssten also Muster zu finden sein. (Ich hoffe, ich habe hier die Argumentation korrekt wiedergegeben…)
Bleibt also wohl nur die Schlussfolgerung, dass das Voynich-Manuskript eher eine Art Hoax war, vielleicht verfasst, um damit einfach nur Geld zu machen (hey – für wirre und mystische Bücher geben die Menschen bis heute jede Menge Geld aus).
Mir persönlich kam ja noch ein anderer Gedanke. Es kommt bei manchen Formen der Schizophrenie manchmal vor, dass die Betroffenen eine eigene Art von Sprache entwickeln, in der sie ihre Wahngedanken niederschreiben. Ich hatte selber mal vor über 10 Jahren einen solchen Patienten, der ganze Kladden in dieser Weise vollschrieb. Und einem sogar zu jedem Absatz genau sagen konnte, worum es da ging – aber im Gegenzug nicht in der Lage war, einzelne Wörter oder gar Sätze vorzulesen. Das Voynich-Manuskript hat mich frappierend an diese Kladden erinnert. Ich habe mir erlaubt, Klaus Schmeh auf diesen Umstand hinzuweisen.
Zum Schluss gab es dann noch den Vortrag von Jason Dunlop, Kurator am naturhistorischen Museum Berlin. Er hatte den Titel: „Wie alt ist Opa Langbein” und beschäftigte sich mit den Weberknechten. Von diesen gibt es rund 6’500 Arten weltweit (!). Jason Dunlop hatte sich nun gefragt, seit wann es die Weberknechte bereits gibt, und Fossilien aus verschiedenen Zeitaltern untersucht – das jüngste war 28 Millionen Jahre alt, das älteste mehr als 400 Millionen.
Danach erfuhr das Publikum etwas über die Anatomie und das Fortpflanzungsverhalten von Weberknechten. Letzteres war vor allem deshalb interessant, weil das Männchen tatsächlich so etwas wie einen rudimentären Penis besitzt. Und diesen konnte Jason sogar in den fossilen Funden von vor über 400 Millionen Jahren nachweisen – der älteste bislang bekannte Penis der Welt!
Schlussendlich hatte der letzte Vortrag dann auch die Zuschauer am meisten überzeugt, Jason Dunlop erhielt 79 von 90 möglichen Punkten (tja, sex sells!). Zweiter wurde Sebastian Bartoschek mit 69 Punkten, den dritten Platz teilten sich Klaus Schmeh und André Lampe mit jeweils 67 Punkten. Jason erhielt dafür aus den Händen von Julia Offe den Hauptpreis des Abends – ein Fläschchen „Berliner Mauer C200″ (soll gegen Blockaden und Konflikte helfen..).
Mal schauen, wie es morgen weitergeht, wenn der „eigentliche” Kongress beginnt.
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