Ein Gastbeitrag von Kommentator noch’n Flo
WSC 2012 – Tag 2: The good, the bad, the ugly
Bevor ich mit meinem Bericht vom WSC 2012 mit Tag 2 fortfahre, wollte ich es nicht versäumen, einmal ein wenig vom Kongress selber zu erzählen. Die Veranstaltung ist mit rund 320 Besuchern restlos ausgebucht (genauso wie schon der Publikumstag und der Science Slam). Einen solchen Erfolg hatten die gastgebenden Berliner Skeptiker nicht zu hoffen gewagt. Die Organisation ist spitze, der Veranstaltungsort nahe des Bahnhof Zoo sehr schön – einzig die im Kongresssaal aufgestellten Stühle zeichnen sich durch eine gewisse Unbequemlichkeit aus und stehen ausserdem für meinen Geschmack etwas zu eng beieinander. Bei gut besuchten Vorträgen ist da manchmal durchaus Gruppenkuscheln angesagt…
Besonders beeindruckt bin ich ja von James Randi, der sich mit schier endloser Geduld mit Kongressteilnehmern fotografieren lässt und Fragen beantwortet. SB-Kommentator „pirx” hat ihn schon liebevoll als das „Kongress-Maskottchen” bezeichnet. Aber irgendwie scheinen die Skeptiker auch einfach nur seine grosse Familie zu sein, und er ist der liebe Opa, der irgendwie immer zwischen allen herumwuselt.
Aber genug zum Kongressrahmen, hier nun ein paar Worte zu den Vorträgen des 2. Tages:
Das erste Schwerpunktthema bildete die sog. „Alternativmedizin”. Zunächst führte uns Jürgen Windeler in die Grundlagen des Themas ein und machte sehr deutlich klar, dass die Verwendung von Begriffen wie „alternative” oder „komplementäre” Medizin keinen Sinn macht, und die daraus oft abgeleitete Forderung, diese Verfahren auf andere Weise zu prüfen, wie die etablierte Medizin, keinerlei Basis hat. In der CAM („complementary and alternative Medicine”) wird immer gerne die „Anregung von Selbstheilungskräften” als Ziel formuliert. Allerdings haben Selbstheilungskräfte immer einen wichtigen Anteil an der Heilung von Krankheiten, auch die etablierte Medizin kommt nicht ohne sie aus. Sie müssen allerdings auch nicht besonders angeregt werden.
Hauptvoraussetzung für Aussagen über Effekte einer Methode ist stets der Vergleich. Ein Verfahren isoliert zu beobachten (wie es die CAM gerne tut) macht keinen Sinn, man braucht stets den Vergleich mit entweder einer Nicht- bzw. Scheinbehandlung (Placebo) oder einer anderen Therapie.
In entsprechenden Studien kommt der Randomisierung und der daraus resultierenden Unberechenbarkeit für den Probanden, ob er nun mit einem Placebo oder der tatsächlich zu testenden Therapie (Verum) behandelt wird, die grösste Bedeutung zu. Wurde hier in einer Studie schlecht gearbeitet, sind die Ergebnisse oft nicht verwertbar.
Ebenfalls wichtig, wenn auch lange nicht so wichtig wie die Randomisierung, ist die Verblindung. Hier gibt es aber verschiedene Grade:
– die einfache Verblindung – hier weiss lediglich der Patient nicht, ob er mit Verum oder Placebo behandelt wird
– die doppelte Verblindung (die häufigste Form) – hier weiss auch der Behandler nicht, ob er Verum oder Placebo verabreicht
– die dreifache Verblindung – hier weiss auch der auswertende Statistiker nicht Bescheid
– die vierfache Verblindung – hier weiss nicht einmal der Autor der Studie, welche Ergebnisse zu welcher Gruppe gehören, muss aber trotzdem eine Entscheidung treffen, welches getestete Verfahren das effektivere ist
Es ist offensichtlich, dass nicht jede Studie gleich stark verblindet werden kann. So ist bei vielen Operationen nur eine einfache Verblindung möglich. Es sollte aber stets angestrebt werden, den maximal möglichen Verblidungsgrad zu erreichen.
Den nächsten Vortrag hielt Gerd Antes von der Uni Freiburg. Er setzte direkt beim letzten Vortrag an und erklärte zunächst den Unterschied zwischen Meta-Analysen (eine gewisse Anzahl von Studien wird miteinander verglichen) und der Analyse der Varianz individueller Patientendaten (bei denen aus mehreren Studien die einzelnen Patientendaten in einen grossen Topf wandern und dort neu untersucht werden). Besonders letztere ist sehr gut geeignet, um Verfahren zu validieren, bei denen zu Beginn die Studienergebnisse noch nicht ganz eindeutig waren.
Mittlerweile werden pro Jahr 20’000 (!) neue randomisierte doppeltverblindete Studien neu in medizinischen Fachjournalen veröfftenlicht. Das Ziel muss es daher sein, immer die maximal verfügbare Menge vorhandener Daten in neue Studien mit aufzunehmen. Leider werden aber immer häufiger die Ergebnisse älterer Studien nicht mehr mit einbezogen; im Schnitt werden in einer neuen Studie nur noch 2 ältere Studien zitiert.
Ausserdem kommen 50% der Informationen aus Studien nie beim Praktiker an. Manche Studien verschwinden ganz von der Bildfläche, manchmal werden einfach nur genehme Teildaten veröffentlicht. Dies hat verschiedene Gründe – die Folgen sind jedoch schwerwiegend: nicht nur für die Patienten, sondern auch für die weitere Forschung, die auf den mangelhaften Daten aufbaut. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der Tamiflu-Skandal.
Um solchen Problemen künftig entgegenzuwirken, müssen in der Schweiz seit 2011 alle Studien vor Beginn registriert werden (damit sie nicht mehr heimlich, still und leise in der Schublade verschwinden können). In Deutschland gab es zu diesem Thema bereits 2 Debatten im Bundestag, passiert ist jedoch bislang nichts.
Zum Schluss wies Prof. Antes nochmals darauf hin, dass Anekdoten keinerlei wissenschaftliche Funktion erfüllen. Dies liegt insbesondere daran, dass im Regelfall überhaupt nur Erfolge gemeldet werden, Misserfolge jedoch nicht. Die Erfolgsrate ist somit überhaupt nicht berechenbar, die Erfolgsquote wäre immer 100%.
Nach einer kurzen Pause folgte dann der (meiner Meinung nach) beste Vortrag bis dato: Harriet Hall sprach über „Märchen-Medizin”. Zunächst gab es auch hier den Hinweis, dass es gar keine „alternative Medizin” gibt – alles, dessen Wirksamkeit einmal bewiesen wird, wird automatisch Teil der „Medizin”. Der Rest ist Scharlatanerie.
Viele Leute vertrauen bei ihrer Entscheidung für ein Verfahren auf die Empfehlungen anderer, auf Auftoritäten oder auf die Werbung. Diese sind jedoch keine gute Referenz. Einzig medizinische Studien liefern objektive Ergebnisse. Aber Vorsicht! Einzelne Studien haben erst einmal nur wenig Aussagekraft, erst durch Meta-Analysen und systematische Reviews entsteht echte Sicherhait über die Wirksamkeit eines Verfahrens.
Aber auch die Plausibilität darf man bei der Beurteilung eines Verfahrens nicht aus den Augen verlieren. Kommt ein Verfahren mit einem stimmigen Grundkonzept daher, lohnt sich weitere Forschung. Werden aber Grundannahmen verlangt, die mit wissenschaftlichen Erkenntnissen unvereinbar sind, kann man sich Studien oft sparen.
So hat die Homöopathie eine Plausibilität, die sich nahe Null bewegt. Für die Akupunktur ist eine solche denkbar, allerdings nicht in dem Rahmen, den die Akupunktur bislang gemeinhin annahm (siehe weiter unten). Bei der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) ist die Plausibilität sehr hoch, da schon lange bekannt ist, dass Pflanzen Stoffe produzieren, die im menschlichen Körper wirksam sind.
Wie aber kann man diese Verfahren testen, und wo lauern Fehler? Dazu ein Beispiel: wenn man den Effekt von Akupunktur auf Rückenschmerzen testen möchte, so macht es wenig Sinn, die eine Hälfte der Patienten konventionell zu behandeln, z.B. mit Medikamenten und/oder Physiotherapie, und die andere Hälfte der Patienten zum Akupunkteur zu schicken. Hier wird die Akupunktur stets gewinnen, da bereits das gesamte Setting darauf hinwirkt. Der Akupunkteur hat für den Patienten viel mehr Zeit, er geht anders an ihn heran usw. Man muss sich also ein anderes Studiendesign überlegen.
Ein grosses Problem gab es in den letzten Jahren mit den sog. „Cochrane-Studies”. Diese kamen bei der Entscheidung zwischen evidenzbasierter Medizin (EBM) und CAM oft zu keinem eindeutigen Ergebnis, stattdessen hiess es: „we need more data”. Nur leider interpretierten die Vertreter der CAM dies oft fälschlich als Beleg, dass ihre Verfahren der EBM ebenbürtig seien.
Von der CAM selbst initiierte Studien wollen im Regelfall das „Alternativverfahren” von vornherein gar nicht erst in Frage stellen (wie es in der EBM Standard ist), sondern nur von dessen Wirksamkeit überzeugen. Infolgedessen werden oft nur wenige Daten erhoben, auch die Studiendesigns sind oft mangelhaft. Das Ergebnis ist dennoch oft, dass das Verfahren nicht besser ist, als ein Placebo. Was die Vertreter der CAM nicht daran hindert, zu sagen: „Hey, Placebo ist doch gut, also lasst uns das Verfahren weiter verwenden.”
Placeboeffekte sind jedoch oft konditioniert, deshalb findet man sie auch bei Tieren (ausgelöst durch vermehrte Zuwendung). Und ein besseres Gefühl des Patienten sagt auch noch lange nicht aus, ob es ihm tatsächlich auch objektiv messbar besser geht. Ein gutes Beispiel ist eine aktuelle Studie zum Asthma-Medikament Albutrol. Dieses wurde mit Placebo, Shem-Akupunktur und Nichtbehandlung verglichen. Ein besseres Wohlbefinden gaben etwa gleich viele Patienten bei allen drei Behandlungen an, lediglich bei Nichtbehandlung waren es signifikant weniger. Wurde aber apparativ das Atemvolumen gemessen, so war dies einzig durch das Medikament gebessert worden, Placebo und Akupunktur unterschieden sich nicht signifikant von der Nichtbehandlung.
Der letzte Vortrag des Vormittags (von dem ich mir auch den Titel für diesen Blogeintag ausgeliehen habe) wurde von Benedikt Matenaer gehalten, einem Anästhesisten, Palliativmediziner und Schmerztherapeuten, der auch eine Akupunktur-Ausbildung durchlaufen hatte (dieses Verfahren jedoch heute nicht mehr anwendet).
Um Akupunktur ernsthaft anzuwenden, muss man erst einmal an folgende – nicht bewiesene – Grundlagen glauben:
1. es gibt im menschlichen Körper einen Energiefluss namens „Chi”
2. dieses fliesst entlang sogenannter „Meridiane” durch den Körper
3. entlang dieser Meridiane gibt es Punkte mit speziellen Funktionen
4. Krankheit entsteht durch eine Disharmonie im Chi-Fluss
5. das Einbringen von Nadeln an den speziellen Punkten bringt den Chi-Fluss wieder in Ordnung
Dr. Matenaer hat diese Grundlagen vor allem deshalb nochmal so expliziert erläutert, weil selbst der Grossteil der Patienten, die sich mit Akupunktur behandeln lassen, diese nicht kennen.
Ein grosser Teil der Patienten kommt wegen Schmerzen zum Akupunkteur. Das Problem ist: gerade Schmerzen und ihre Wahrnehmung sind sehr individuell, der Einfluss eines Placebo-Effekts dementsprechend sehr gross.
Es gibt allerdings einige Punkte, die für eine Wirksamkeit der Akupunktur sprechen (wenn auch nicht in der oben geschilderten Art und Weise). So stimuliert das Einbringen der Nadeln die Ausschüttung von Endorphinen – Botenstoffen, die die Schmerzwahrnehmung verringern oder sogar ganz blockieren. Möglicherweise findet auch ein Overflow im Gehirn statt, wenn viele kleine Schmerzreize oder sogar Nicht-Schmerz-Reize das Gehirn so überfluten, dass andere Schmerzreize nicht mehr durchkommen. Auf dieser Basis dürfte sogar der Effekt der Klangschalen-Therapie beruhen: durch die andauernden sehr starken Vibrationen werden gewisse Eingangskanäle im Gehirn einfach dermassen überfordert, dass der Schmerz draussen bleibt. Einen vergleichbaren Effekt macht sich auch die mittlerweile in der Medizin etablierte TENS-Therapie zunutze, bei der die Stimulation durch schwache, aber rhythmische elektrische Impulse erfolgt.
Ausserdem erhöhen die Nadeln die Durchblutung in der Haut, dies führt zu einer Erwärmung des Areals, was wiederum die Muskulatur entspannt, wodurch wiederum die Schmerzen weniger werden.
Aber ganz wichtig: es gibt bislang keinen Hinweis darauf, dass die Wirksamkeit der Akupunktur an bestimmte Punkte bzw. Meridiane gebunden ist. Vielmehr zeigten Studien, dass der Effekt derselbe ist, egal wo die Nadeln gesetzt werden.
Im übrigen empfiehlt derzeit keine einzige medizinischen Fachgesellschaft in Deutschland die Akupunktur bei bestimmten Beschwerden. Die deutschen Krankenversicherer (gesetzliche) zahlen derzeit im Schnitt bis zu € 361.- pro Jahr für die Behandlung von Schmerzen bei Tumorpatienten. Für die Anwendung von Cannabis, dessen Wirksamkeit bei dieser Indikation in vielen Studien bewiesen wurde, wird gar nichts gezahlt. Und insgesamt zahlen die gesetzlichen Kven in Deutschland pro Jahr mehr als 500 Mio. Euro für die Akupunktur.
Nach dem Mittagessen ging es dann mit einem anderen Thema weiter: der Irrationalität des Menschen, wenn es um die Bewertung von Risiken geht. Zunächst betrachtete Walter Krämer das Verhalten einzelner Menschen bei der Bewertung von Risiken. Dabei spielt es eine grosse Rolle, wie gegenwärtig das Risiko ist, aber auch, ob man selber das Risiko kontrollieren kann, oder ob man schon damit konfrontiert wurde – sei es persönlich, aber auch in den Medien. So werden pro Jahr weltweit 100x mehr Menschen von Kokosnüssen erschlagen als von Haifischen getötet, trotzdem haben die meisten Menschen vor ersterem sehr viel mehr Angst, als vor Letzterem.
Ein weiterer Faktor ist der Anstieg der Risikobereitschaft, wenn man sich sicherer fühlt. So wurde vor Jahren ein Vergleich bei Münchner Taxis durchgeführt – es wurden diejenigen mit ABS vergleichen mit denen, die nicht über diese Technologie verfügten. Ergebnis: die Fahrzeuge mit ABS hatten mehr Unfälle, als die ohne. Der Grund hierfür lag in einer riskanteren Fahrweise der Fahrer der Taxis mit ABS. (Ein amerikanischer Psychologe schlug daraufhin vor, im Lenkrad jedes Autos einen kleinen Speer einzubauen, der bei einem Unfall dem Fahrer sofort ins Herz geschossen wird, damit würde eine derart vorsichtige Fahrweise ausgelöst, dass die Anzahl der Verkehrsunfälle drastisch zurückgehen müsste. (Aus meiner Sicht ein seltsamer Humor…))
Noch ein Beispiel für verzerrte Risikowahrnehmung: gemäss Untersuchungen stammen 99.99% aller Gifte und Pestizige in der Nahrung aus der Natur – sie werden von Pflanzen zur Abwehr von Fressfeinden und Schädlingen gebildet. In Holland fand man in einer Studie sogar heraus, dass Bio-Äpfel sogar stärker damit belastet waren, als die herkömmlich gezüchteten Exemplare. Der Grund liegt darin, dass die von aussen aufgebrachten Pestizide durch Regen sowieso fast restlos abgewaschen werden, aber immerhin die Pflanze dazu bringen, selber weniger Giftstoffe zu bilden (die dann in der Frucht sind). Die Bio-Früchte mussten sich alleine selbst verteidigen, bilden daher mehr Giftstoffe.
Nach diesem Ausflug in die Irrungen der menschlichen Ängste, transportierte Holm Hümmler das Thema dann auf die Ebene der Grossunternehmen, wo Risikobewertungen leider immer öfter nicht mehr durch rationale Kriterien erfolgen. Eine der bekanntesten Folgen war die Immobilienkrise. Der Vortrag war recht unterhaltsam, aber leider auch nicht wirklich relevant für das Konferenzthema. Wen er trotzdem interessiert, findet ihn hier.
Der letzte Schwerpunkt des 2. Kongresstages lag dann bei „Psyche und Pseudowissenschaft”. Der legendäre Ray Hyman berichtete exemplarisch von den Versuchsreihen des Karl-Friedrich Zöllner im späten 19. Jahrhundert zur Telekinese und wie sich dieser durch persönliche Erwartungshaltungen in seiner Urteilskraft hatte beeinflussen lassen. Dem stellte er die Untersuchungen James Randis von 1975 gegenüber, als dieser die „Fähigkeiten” Uri Gellers untersucht und schliesslich dessen Tricks aufgedeckt hatte.
Als nächstes stellte Chris French die Arbeiten von Daryl Bem vor, der in den letzten 10 Jahren Untersuchungen zu übernatürlichen Fähigkeiten vorgenommen, und seine Ergebnisse sogar im „Journal of Personality and Social Psychology”, einem Journal mit einem Impact-Factor von immerhin 4732, veröffentlicht hatte. Bem hatte 9 Versuchsreihen durchgeführt, davon wiesen 8 Ergebnisse auf, die parapsychologische Fähigkeiten zu beweisen schienen. Chris French und seine Mitarbeiter haben daraufhin versucht, die Ergebnisse mit exakt demselben Versuchsaufbau zu wiederholen, was ihnen jedoch nicht gelang. Die Studien wiesen auch massive methodische Schwachpunkte auf. So wurden Rohdaten immer wieder neu gruppiert, teilweise einzelne Testpersonen aus der Studie entfernt usw. Ausserdem fiel auf, dass bei Experimenten mit sehr positiven Werten weitaus weniger Probanden beteiligt waren, als bei Experimenten mit nur recht knapp signifikantem Ergebnis. Ein solches Phänomen findet man öfters in pseudowissenschaftlichen Veröffentlichungen: liefert ein Experiment (zufällig) recht schnell günstige Ergebnisse, wird es abgebrochen, um diese nicht zu gefährden. Läuft ein Experiment hin gegen nicht wie erwartet, so wird die Teilnehmerzahl so lange aufgestockt, bis das Ergebnis zumindest knapp für den gewünschten Nachweis ausreicht.
Die Ergebnisse der Studie wurden übrigens – wie so oft – mit der Quantenphysik erklärt.
Nette Randanekdote: das „Journal of Personality and Social Psychology” weigerte sich, ihre neuen Ergebnisse zu veröffentlichen. Begründung: man würde keine Wiederholungen veröffentlichen. Auch 3 andere Journals winkten ab – eines davon hatte sogar Bem selbst als Reviewer der neuen Arbeit bestellt. Wir lernen daraus: auch peer-reviewte Journale haben einen publication bias.
Zuletzt konnten wir dann einem Vortrag von Tomasz Witkowski über Pseudowissenschaften in der Psychologie lauschen. Ein berühmter Mythos besagt, dass wir Menschen nur 10% unseres Gehirns nutzen – was erwiesenermassen falsch ist. In der Bevölkerung stimmen rund 40% dieser Behauptung zu – und sogar 6% aller Neurowissenschaftler.Daher wundert es kaum, dass im Internet tausende Angebote zu finden sind, wie man (natürlich gegen Bargeld) die Hirnleistung verbessern kann. Rund 50% der Menschen glauben an die Wirksamkeit solcher Methoden.
Insbesondere Eltern werden gerne gelockt, die die Hirnleistung ihrer Kinder verbessern wollen. Besonders perfide ist dies bei Eltern von Kindern mit zerebralen Behinderungen, denen Heilungserfolge versprochen werden, die niemals erreicht werden können.
77% der Menschen glauben weiterhin, dass „positives Denken” eine Auswirkung auf körperliche Erkrankungen hat. Mehrere Studien mit Krebspatienten konnten jedoch zeigen, dass positives Denken keinerlei Auswirkungen auf die Überlebensdauer hat.
Ausserdem stellte Tomasz Witkowski noch eine seit März 2012 laufende Aktion der polnischen Skeptiker vor, die sich gegen die in Polen immer noch weit verbreitete diagnostische Verwendung des Rohrschach-Tests wendet, für dessen Validität bis heute jeglicher Beweis fehlt. Besonders erschreckend ist, dass die Ergebnisse aus diesem Test in Polen öfters einmal sogar als Beweis vor Gericht verwendet werden.
Tja, und am Abend des 2. Kongresstages fand dann noch eine dreieinhalbstündige Bootstour rund um Berlin-Mitte für die Kongressteilnehmer statt. Es gab ein tolles Berliner Spezialitätenbuffet (so bin ich auch endlich zu einer Currywurst gekommen), garniert mit tollen Gesprächen mit Gästen und Gastgebern. Und James Randi hat mir gedroht, mich in die Spree zu werfen – nachdem ich beim Anstehen am Buffet zur Dame hinter mir gesagt hatte, James Randi (der kurz vor mir in der Schlange stand) könnte uns ja die Wartezeit mit ein paar Löffelbiegetricks à la Uri Geller verkürzen. Daraufhin drehte sich James Randi um und meinte mit gespielter Empörung: „Take care, that I don’t throw you off that boat, young man.” Aber er grinste dabei breit (soweit durch seinen Rauschebart erkennbar). Keine Ahnung, ob er besser Deutsch versteht, als ich bisher angenommen hatte, oder er einfach auf die Nennung seines Namens mit dem von Uri Geller reagiert hat. Aber Humor hat er schon, dieser grosse alte Mann der Skeptikerbewegung.
P.S.:
Den Bericht von Tag 3 wird es wahrscheinlich nicht vor Montagabend geben, da ich am Sonntagabend erst einmal die Heimreise antreten werde. Aber er kommt bestimmt – versprochen!
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