Mit diesem fünften Gastbeitrag endet unsere kleine Serie zum WSC 2012. Ganz herzlichen Dank an Gastautor noch’n Flo!
WSC – Tag 3: Anleitung zur Subversion, Missbrauch der Wissenschaft gegen Frauen… und James Randi!
Mit etwas Verspätung komme ich nun endlich dazu, auch vom dritten Kongresstag zu berichten. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit noch vielmals für die Flüchtigkeitsfehler in meinem Bericht vom 2. Kongresstag entschuldigen – wenn ich daraus etwas gelernt habe, so dieses:
Du sollst nicht Blogeinträge verfassen zwischen 24 und 2 Uhr, insbesondere nach einem langen und anstrengenden Kongresstag, und vor allem niemals, wenn Du zuvor:
a) in den vorangegangenen Nächten schon viel zu wenig geschlafen hast und
b) am selbigen Abend mit anderen Skeptikern gefeiert hast.
Ich schlage hiermit vor, dieses zum ersten Gebot aller (skeptischen) Blogger zu erheben. 😉
Aber egal, ich bin jetzt zumindest leidlich ausgeschlafen, da sollt Ihr nun auch nicht mehr des finalen Berichtes darben.
Der dritte Kongresstag begann mit einer sehr speziellen Session, während derer James Randi nicht nur aus seinem Leben berichtete, sondern auch den Kongressbesuchern Rede und Antwort zu seiner Millionen-Dollar-Challenge stand. Unter anderem erzählte auch er die Geschichte, als er 1981 die Nachricht erhielt, dass ein Asteroid im Asteroidengürtel nach ihm benannt worden war. James Randi arbeitete damals recht eng mit Arthur C. Clarke, dem Schöpfer von „2001 – Odyssee im Weltraum” zusammen, und rief seinen SF-Freund natürlich sofort an. Dieser meinte nur lapidar: „Oh schön, so etwas passiert manchmal. Ich selber hatte diese Ehre schon vor vielen Jahren.”
Daraufhin rief James Randi die International Astronomical Union (IAU) an. Am nächsten Tag konnte er seinem Freund berichten: „Dein Asteroid ist nur 0.75 km gross, meiner jedoch 4 km”.
Soviel zur Bedeutsamkeit unseres heutigen Redners… 😉
Aber mal wieder ernsthaft. Im weiteren Verlauf des Vortrags durften wir alle Zeuge einer wirklich einzigartigen Vorführung des „Cold Reading” – einer sehr speziellen Subdisziplin der „Mentalmagie” – werden. Letztere hatte JR schon vor Jahrzehnten aufgegeben, nachdem ihm jemand in dern 60ern angeboten hatte, ihm 75 USD pro Woche zu zahlen, wenn JR ihm Tips für Pferderennwetten geben würde. Dies war der Zeitpunkt gewesen, an dem JR erkannt hatte, dass sein Publikum tatsächlich glaubte, er habe übersinnliche Fähigkeiten. Da er sich nicht weiter schuldig machen wollte, einen solchen Glauben weiter zu befördern, zog er sich aus diesem Teilgebiet der Magie weitgehend zurück.
Aber für die WSC-Teilnehmer machte er eine Ausnahme – am Vorabend hatte er sich mit der Tochter des GWUP-Vorsitzenden Armando Sarma getroffen und sie gebeten, aus einer in der Hotellobby herumliegenden Zeitung eine beliebige Zeitung auszuwählen, aus dieser eine beliebige Seite zu wählen, und von dieser Seite wiederum ein beliebiges Wort. Und in der Session am Sonntagmorgen schaffte es James Randi in wirklich beeindruckender Manier (und das schreibe ich auch als jemand, der sich seit einem Vierteljahrhundert in Amateurmagie versucht, und entsprechend eine Menge der zugrundeliegenden Techniken gut kennt), das fragliche Wort zu identifizieren.
Alleine diese Vorführung war m.E. die gesamte Kongressgebühr wert. Das war echt vom Feinsten!
Aber er erzählte uns auch ein paar Geschichten aus der 1-Millionen-Dollar-Challenge. So erhielt er vor ein paar Jahren einen Anruf eines Physikers aus Kalifornien. Dieser berichtete ihm, dass wohl gerade eben die Wette gewonnen worden war. Ein junger Mann war in dem Labor in Kalifornien erschienen und hatte telekinetische Fähigkeiten angegeben.
Er hatte auch gebeten, dass die Wissenschaftler für ihn eine Schachtel Streichhölzer besorgen sollten. Wie manche Wissenschaftler nun einmal sind, so hatten diese gleich eine ganze Grosspackung gekauft, ein einzelnes Päckchen ausgewählt, und den Rest verworfen (also weggeschmissen). Das nenne ich mal eine gute Randomisierung!
Der Proband hatte nun ein einzelnes Streichholz genommen und auf seinen Handrücken gelegt, wo dieses sich sofort senkrecht aufrichtete. Als JR dieses hörte, wies er seinen Assistenten an, ihm ein bestimmtes Buch von Martin Gardner aus seiner Bibliothek zu bringen. Dann fragte er den Anrufer, ob er diesem ein Fax schicken könnte. Der Anrufer antwortete: „Ja klar, aber warum?” JR antwortete, der Physiker solle mal einfach abwarten.
Das Fax wurde geschickt, der kalifornische Physiker bestätigte den Eingang, und begann zu lesen. Mittendrin war dann die Verbindung dann plötzlich unterbrochen. Der Anrufer hatte wohl erkannt, auf einen uralten Zaubertrick hereingefallen zu sein.
In der 2. Session des 3. Kongresstages ging es dann um Pseudowissenschaften in der Gesellschaft. Im ersten Vortrag zu diesem Thema, gehalten von Sven Ove Hansson (Begründer der schwedischemn Skeptikergesellschaft, die mit über 3’000 Mitgliedern eine der grössten Europas ist!), ging es um Skeptiker und Pseudoskeptiker.
Gemäss Definition sind Skeptiker vor allem Menschen, die die Welt an sich infrage stellen. Diese Definition stammt noch aus der Antike. „Skeptiker” waren dort Menschen, die die Frage stellten, ob die Welt, wie wir sie wahrnehmen, wirklich so ist, wie wir sie sehen, und die Frage stellten, wie wir zu dieser Frage Gewissheit gewinnen könnten (also ungefähr so wie im Film „Matrix”). Im Zeitalter der Aufklärung griff Descartes diese Frage wieder auf – mit dem berühmten Satz „Cogito, ergo sum” („Ich denke, also bin ich”).
Im Gegensatz dazu muss man die heutigen Skeptiker als „wissenschaftliche Skeptiker” betrachten. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Haltung ist die Bereitschaft, sich auch mit Dingen auseinanderzusetzen, die nicht für die Wissenschaft, aber umso mehr für die Öffentlichkeit interessant sind (das mach den Unterschied zum „gewöhnlichen” Wissenschaftler aus).
Es gibt aber auch „anti-wissenschaftliche Skeptiker”. Dieses sind Menschen, die sich oberflächlich „skeptisch” geben, aber leider immer wieder im Interesse gewisser Unternehmen handeln, also z.B. Klimaskeptiker oder Tabakskeptiker. Auch Kreationisten oder die Kritiker an der allg. bzw. spez. Relativitätstheorie gehören in diese Kategorie.
Dafür bedarf es einer selektiven Wissenschaftsleugnung. Der Feind ist eine etablierte wissenschaftliche Theorie, die das Weltbild der Pseudoskeptiker stört. Die feindliche Theorie ist im Regelfall komplex und schwer zu verstehen. Die Leugner akzeptieren nicht die wissenschaftlichen Standards, die für die Akzeptanz der von ihnen angegriffenen Theorie notwendig sind. Der grösste Teil der Leugner sind keine Experten im betreffenden Gebiet. Und in der Mehrzahl sind die Leugner männlich.
Die Leugner schaffen es ausserdem nicht, in etablierten Fachmagazinen zu publizieren; sie führen dies jedoch im Regelfall auf eine Verschwörung der internationalen Wissenschaftlergemeinschaft gegen sie selber zurück (und weniger auf ihre eigenen Unzulänglichkeiten). Daher wenden sie sich bevorzugt an die Öffentlichkeit. Sie machen dann falsche Angaben über ihren (nicht vorhandenen) Rückhalt in der wissenschaftlichen Gemeinschaft (und veröffentlichen dann bevorzugt lange Listen mit den Namen ihrer Befprworter, anstatt echte Argumente zu bringen). Viele dieser Leugner weisen dann auch (gemeinsame) politische Motive für ihre öffentlichen Argumentationen auf.
Deshalb müssen wir als Sekptiker uns stets fragen:
1. Was wissen wir sicher?
2. Wie sollten wir uns nach aktuellem Kenntnisstand verhalten?
Der nächste Vortrag des Vormittags kam dann von Chris Mooney, einem amerikanischen Bestseller-Autor, der uns mit der Leugnung der Realität (und damit auch der Wissenschaft) durch die Konservativen in den USA vertraut machte.
Bei diesem Problem ist vor allem eines wichtig: Republikaner leugnen nicht nur, sie greifen die Wissenschaft sogar direkt an. Dafür haben sie vor allem 2 Gründe: Geld und Religion. Ëin sehr krasses Beispiel ist, dass die Anhänger der Republikaner die akzeptierten Theorien zur Klimaerwärmung umso mehr ablehnen, je höher ihr Bildungsgrad ist (bei allen anderen Parteien in den USA ist dies genau andersherum!). Einen ähnlichen Effekt konnte man vor einiger Zeit bei einer Umfrage beobachten, bei der gefragt wurde, ob die Befragten der Meinung seien, der US-Präsident Barack Obama sei (wegen seines 2. Vornamens „Hussein”) ein Muslim. Dem stimmte wiederum eine grosse Anzahl der Anhänger der republikanischen Partei zu (insbesondere die Anhänger der „Tea-Party-Bewegung”). Diese Menschen wurden in diversen US-amerikanischen Fernsehsendungen bereits als „smart idiots” bezeichnet.
Den Nachmittag des 3. Tages läutete dann der Vortrag von Simon Perry ein. Er erzählte von einer Aktion, die er via Internet auf den Weg gebracht hatte, als die britische Chiropraktiker-Vereinigung (BCA) Simon Singh wegen übler Nachrede verklagt hatte.
Simon Perry war dabei systematisch auf die Homepages vieler britischer Chiropraktiker gegangen, und hatte sich genau die Versprechungen angesehen, die diese für ihre Behandlungen machten. U.a. wurde dort des öfteren damit geworben, dass mit chiropraktischen Interventionen Koliken bei Säuglingen behandelt werden könnten.
Für diese Behauptung gibt es jedoch keinerlei Nachweis. Ganz im Gegenteil: meherere Studien haben diese Behauptung bereits widerlegt.
Simon Perry mahnte daraufhin dutzende Chiropraktiker-Praxen in GB ab. Ebenso die Dachvereinigung BCA. Ohne Ergebnis. Also wandte er sich mit seiner Beschwerde an die zuständige Aufsichtsbehörde.
Kurz darauf wies die BCA alle Mitglieder an, ihre Internetseiten sofort vom Netz zu nehmen. Ausserdem sollten alle Info-Broschüren über die Anwendung chiropraktischer Methoden bei Kindern aus den Wartezimmern entfernt werden. Selbst die BCA nahm ihre Seite vom Netz!
Viele dieser Seiten sind bis heute nicht mehr online genangen!
Diverse Studien, die die BCA zur Wirksamkeit der Chiropraktik bei Koliken oder Asthma bis heute anführt, sind mittlerweile widerlegt.
Simon Perry hat in den letzten Jahren eine ähnliche Aktion beim CNHC („Complementary and Natural Healthcare Counsil”, ein von Prince Charles gegründeter Verband britischer Pseudomediziner) durchzuziehen, weil dieser plötzlich Fussreflexzonentherapeuten aufnahm. Diese Beschwerden verliefen jedoch im Sande, schliesslich erhielt Simon eine Nachricht, dass der Verband in nächster Zukunft keinerlei Beschwerden mehr von ihm annehmen würde.
Aber Simon hat mittlerweile ein Internet-Tool entwickelt, mit dem man sich in sehr einfacher Weise über solche pseudowissenschaftlichen Verfahren beschweren kann. Dieses heisst „FishBarrel” – und Simon hat uns auf dem Kongress versprochen, dieses Tool auf Anfrage jedem Land auf der Welt innert weniger Tage anzupassen.
Na: denn man tau!
Der nächste Vortrag von Rebecca Watson drehte sich um das Problem, wie leider immer wieder männliche Forscher die Wissenschaft missbrauchen, um negativ gegen Frauen vorzugehen. Hierzu führte sie ein paar Studien an, die tatsächlich so in den letzte Jahren in angesehenen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden:
– die Liebe der Frauen zum Shopping ist eine Rückentwicklung in die Zeit der Höhlenmenschen
– Männer präferieren blonde Frauen, weil sie ihnen das Alter besser ansehen können
– Männer bevorzugen deshalb Frauen mit grossen Brüsten, weil diese mit zunehmendem Alter grösser werden und Männer von Natur aus ältere Frauen bevorzugen
– es hat biologische Gründe, dass Frauen eher rosa bzw. rötliche Farben bevorzugen
Ich möchte mich hiermit definitiv jeglicher Gender-Debatte enthalten (wg. schlechter Erfahrungen), und beende somit meine Berichterstattung über dieses seltsame Thema. Aber die genannten Beispiele finde ich schon gruselig…
Zum Ende des letzten Kongresstages kamen dann James Randi, Ray Hyman und Massimo Polidoro zusammen, um eine der letzten Seancen des grossen Henri Houdini nachzustellen. Dieser hatte sich schon früh der Aufdeckung übersinnlicher Phänomene verschrieben. In der Sitzung konnten wir dann (nach einer kleinen mentalmagischen Einlage von Ray Hyman) abermals Zeugen des unglaublichen Talents des James Randi werden, der trotz seines fortgeschrittenen Alters (und trotz seiner überaus offensichtlichen Osteoporose und Polyarthrosen) zwei sehr beeindruckende Entfesselungen vorführte (zugegeben: für mich als langjährigen Amateur-Zauberer nicht so wirklich überraschend, aber dennoch absolut genial vorgeführt!). Danach stand er zum letzten Mal Fragen aus dem Publikum zur Verfügung.
Eine der Frage drehte sich darum, ob sich auf seine 1 Mio. Dollar-Challenge auch schon oft offensichtliche Betrüger gemeldet hatten. JR erzählte daraufhin die Geschichte von einem Mann aus dem Staate New York, der sich folgendermassen bei ihm gemeldet hatte: „Schicken Sie eine Person ihrer Wahl an einen Ort, maximal 20 Meilen von Ihrem Büro in Fort Lauderdale entfernt. Ich werde diese Person finden und an ihre Tür klopfen.” James Randi hatte diesen jungen Mann spontan zum Test eingeladen.
Der Kandidat kam dann auch am vereinbarten Tag pünktlich um 10 Uhr bei James Randis Büro an. Und erkundigte sich sofort, wo denn nun die Person sei, die er finden sollte. Daraufhin informierte ihn JR, dass er diese Person bereits am Vorabend zu dem geheimen Ort gebracht hatte (es handelte sich um James Randis Schwester, die in einem Hotel wartete).
Dies brachte den Kandidaten völlig aus der Fassung. Er versagte bei der Prüfung gnadenlos – er hatte nämlich einen Freund im eigenen Auto mitgebracht, der der zu findenden Person heimlich folgen und ihn über ihren Aufenthaltsort informieren sollte.
Ich selber habe mir zum Abschluss der Konferenz dann auch noch eine Frage an James Randi erlaubt: ob er denn nach all’ den Jahren, in denen so viele Kandidaten beim Versuch, die 1 Mio. Dollar zu gewinnen, gescheitert waren, noch immer ernsthaft daran glaube, dass eines Tages irgendjemand erfolgreich die Millionen-Dollar-Herausforderung bewältigen könne. Die Antwort war ein knappes, aber eindeutiges „Nein!”
Damit möchte ich meine kurze Reihe der Berichterstattung vom „World Skeptics Congress 2012″ in Berlin beschliessen. Ich bedanke mich hiermit vielmals bei Ulrich Berger, der mir seinen Blog als Plattform für meine Berichte zur Verfügung gestellt hat. Sie mögen nicht immer vollständig oder akkurat gewesen sein, aber ich hoffe dennoch, Euch einen ungefähren Eindruck von einer wirklich tollen Konferenz vermittelt zu haben.
Übrigens: 2013 steht wieder ein Kongress der europäischen Skeptiker an – der Ort ist zwar noch nicht definitiv, aber es sieht laut Armadeo Sarma, dem Vorsitzenden der GWUP, sehr stark nach Schweden als Gastgeber aus. Und ausserdem findet ja noch das Jahrestreffen der GWUP in Köln statt. Vielleicht sehen wir uns ja dort?
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