Die Wissenschaft, so argumentieren deren Freunde, habe eine gewisse Selbstreinigungskraft, die sie immun gegen das Eindringen von Pseudowissenschaft, junk science und ähnliche Parasiten mache. Das System aus ex ante und ex post peer review, Replikation und ständiger kritischer Prüfung von etablierten Konzepten sorge dafür, dass sich das Wahre, Gute und Schöne in der Wissenschaft durchsetze und alles andere ausgeschieden oder schlicht ignoriert werde. Das ist nicht ganz unrichtig, doch darf man sich diese Selbstreinigung nicht als magischen Waschgang vorstellen, der wie von Zauberhand gute von schlechten Arbeiten trennt und letztere in den Kanal spült. Tatsächlich sind es Scharen von Teilzeit-Putzmänner und -frauen, die in oft mühsamer Kleinarbeit die akademischen Fettflecken identifizieren und aussondern: Als referees, als journal editors, als unbarmherzige Kritiker von Seminar- und Konferenzvorträgen sowie als gnadenlose Aufdecker von bereits publiziertem Unsinn.
Als schönes Beispiel für die letztgenannte Version kann ein aktueller Artikel dienen, den Alan Sokal (ja, der Alan Sokal) gemeinsam mit zwei Kollegen kürzlich im American Psychologist veröffentlicht hat. Er beschäftigt sich mit einer Theorie aus der positiven Psychologie, die der Psychologe Marcial Losada ab 1999 entwickelt hatte und die in einer Arbeit gipfelte, die dieser 2005 mit einer Kollegin im American Psychologist veröffentlichte. In dieser Arbeit legte Losada ein Modell der Dynamik menschlicher Emotionen samt experimenteller Verifizierung vor, aus dem er ableitete, dass es ein sogenanntes “kritisches Positivitätsverhältnis” gebe, also einen kritischen Quotienten aus bestimmten Maßen für positive und negative Emotionen eines Individuums, bei dessen Unterschreiten das Fortkommen des Individuums von erfolgreich zu miserabel kippt. Dieser kritische Quotient beträgt nach Losada exakt 2,9013, er wird seither auch als “Losada-Linie” bezeichnet, insbesondere von Losada selbst.
Eine universelle psychologische Konstante? Vier Nachkommastellen? Klingt verdächtig, wurde aber in den acht Jahren seit Veröffentlichung laut Google Scholar beeindruckende 990mal zitiert.
Doch dann kam der Waschgang.
Die Arbeit von Nicholas Brown, Alan Sokal und Harris Friedman ist ein Meisterstück der Dekonstruktion. Was sie detailliert nachweisen, ist nichts weniger als dass Losadas Theorie von vorne bis hinten Quatsch ist. Losada-Linie: R.I.P.
Hier die story bei Neuroskeptic.
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