Philipp Fisecker ist Medizinjournalist, und als solcher hat er im Auftrag der Ärztezeitung vor einigen Monaten einen schönen Artikel zur Homöopathie in Österreich geschrieben, für den er einige durchaus als kritisch bekannte Fachleute und auch mich selbst interviewt hatte. Leider wurde der Artikel schlussendlich nicht abgedruckt. Dafür gibt es ihn jetzt ganz exklusiv an dieser Stelle:
============================================================
Homöopathie in Österreich
Sie ist ein lukratives Geschäft – trotz mangelnder wissenschaftlicher Anerkennung. Aus welchen Gründen sich auch in Österreich die Homöopathie in Apotheken und Arztpraxen hält.
Von Philipp Fisecker
Im Jahr 2005 veröffentlichte die medizinische Fachzeitschrift „The Lancet“ eine groß angelegte Meta-Studie, durchgeführt von Aijing Shang und Kollegen, welche zum dem Ergebnis gelangte, dass „die klinischen Effekte von Homöopathie Placebo-Effekte sind“. Trotz zum Teil heftiger Kritik an den in der Studie angewandten Methoden, steht sie doch nicht alleine in der Aussage, dass homöopathische Arzneimittel keine über den Placebo-Effekt hinausgehenden Wirkungen aufweisen. Von vielen weiteren Studien mit ähnlichen Ergebnissen abgesehen, widersprechen die Prinzipien der Homöopathie den Grundlagen der modernen Naturwissenschaften. Das Ende des 18. Jahrhunderts von Samuel Hahnemann, dem Begründer der Homöopathie, aufgestellte Ähnlichkeitsprinzip – welches besagt, dass „Ähnliches von Ähnlichem geheilt werden soll“ – steht oft in der Kritik willkürlich zu sein und keine valide Basis in der Realität zu haben.
Auch eine zweite Basis der Homöopathie, die „Potenzierung“ von Urtinkturen, also deren schrittweise Verschüttelung mit einem Verdünnungsmittel wie Ethanol oder Wasser, oder Verreibung mit Milchzucker, steht in direktem Widerspruch zu den Kenntnissen der Chemie und Physik. Der Prozess der Potenzierung soll die im Wirkstoff enthaltenen heilenden Qualitäten an den Trägerstoff weitergeben und bei jedem weiteren Potenzierungsschritt verstärken. Dies führt oft dazu, dass in vielen homöopathischen Arzneimitteln die Menge der Verunreinigungen im Lösungsmittel die Menge der Urtinktur übersteigt, oder – bei höheren Potenzen – nach heutigem Stand der Wissenschaft überhaupt keine Spuren der Urtinktur mehr nachweisbar sind.
All dem zum Trotz hält sich die Homöopathie seit über 200 Jahren in der medizinischen Praxis und erfreut sich vor allem in den letzten Jahrzehnten wieder stetig wachsender Beliebtheit unter Ärzten und Patienten. An der Medizinischen Universität Wien wird sie StudentInnen als Wahlfach angeboten und im Curriculum des Pharmaziestudiums an der Grazer Karl-Franzens-Universität findet sich das Pflichtfach „Homöopathische Arzneizubereitung“. Es stellt sich nun also die Frage, warum diese Diskrepanz zwischen wissenschaftlichem Konsens und der täglichen Praxis in Österreich besteht.
Finanzielle Anreize
„Dabei geht es nicht um wissenschaftliche Standards. Die Homöopathie ist eine Pseudowissenschaft“, antwortet Univ. Prof. Dr. Michael Freissmuth, Vorstand des Instituts für Pharmakologie und Leiter des Zentrums für Physiologie und Pharmakologie an der Medizinischen Universität Wien. Es bestehe für Ärzte und Apotheker ein starker wirtschaftlicher Antrieb dafür homöopathische Behandlungen anzubieten. Es sei ein Businessmodell. „Mit Homöopathie lässt sich viel Geld verdienen, und es gibt eine laute und aktive Lobby von Stakeholdern, die sich diesen Kuchen teilen“, konstatiert O. Univ. Prof. Dr. Bernhard-Michael Mayer, Bereichsleiter Pharmakologie und Toxikologie am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Karl-Franzens-Universität in Graz. Es erscheint jedoch zynisch, gerade jenen rein profitgetriebenes Handeln zu unterstellen, die ihre Karriere in den Dienst der Patienten gestellt haben.
„Tatsächlich glaube ich, dass nur ein sehr geringer Teil der homöopathisch arbeitenden Ärzte zu dieser Kategorie gehört“, sagt auch Univ. Prof. Dr. Dr. Ulrich Berger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien und Präsident der Gesellschaft für kritisches Denken. Beim Großteil dieser Ärzte gebe es im Wesentlichen zwei andere Zugänge. Zum einen gebe es die Gruppe, die Berger als „pragmatische Placeboverschreiber“ bezeichnet. Sie verschreiben, auf Wunsch der Patienten nach „sanften Methoden“, Homöopathika gegen leichtere Befindlichkeitsstörungen und alle beteiligten Parteien gingen zufrieden aus der Interaktion hervor. Zum anderen seien dies die überzeugten Anhänger homöopathischer Lehren, die an ihre Wirksamkeit glauben. Wer heilt habe Recht, ist die Meinung von Univ.-Prof. Dr. Josef Smolle, Rektor der Medizinischen Universität Graz. „Allerdings ist die Frage, ob eine Methode heilt, äußerst kritisch zu stellen. Allein die Begeisterung von ÄrztInnen und PatientInnen ist noch lange kein Beweis dafür, dass etwas heilt.“
Kommentare (146)