Wien, 7. April 2016
Offener Brief an das Bundesministerium für Bildung und Frauen
Sehr geehrte Frau Bundesministerin,
mit großer Verwunderung haben wir festgestellt, dass in einem Schulbuch, das von Ihrem Haus freigegeben wurde, Christian Felber als Wirtschaftstheoretiker in eine Riege mit John Maynard Keynes, Karl Marx, Milton Friedman (nicht „Friedmann“) und Friedrich August von Hayek gestellt wird. Es handelt sich um das Buch Geospots (für die 7. und 8. Klassen der AHS, ISBN: 978Z3Z7058Z8873Z9). Auf Seite 89 werden in einer Grafik die Vertreter einflussreicher Wirtschaftstheorien fotografisch dargestellt. Als Vertreter der Gemeinwohlökonomie ist dies eben Christian Felber.
Wir teilen das Ziel, unterschiedliche Wirtschaftstheorien und Fragestellungen der Ökonomie vorzustellen, auch etwa die, in denen es um Gemeinschaftsgüter geht. Eine geeignete Person dafür ist nach den Kriterien einer entsprechenden internationalen Bedeutung sowie weithin anerkannter wissenschaftlicher Arbeit zu wählen. Diese Kriterien würde etwa die Nobelpreisträgerin für Wirtschaftswissenschaften Elinor Ostrom erfüllen, die erforscht hat, wie Menschen sich organisieren, um gemeinschaftliche Probleme zu lösen. Da die Frage nach dem Gemeinwohl bzw. den Gemeinschaftsgütern oft im Zusammenhang mit Kritik an der Globalisierung zu sehen ist, wäre es auch möglich, Joseph Stiglitz oder Paul Krugman anzuführen. Wollte man den Akzent auf Verteilungsfragen legen, bieten sich Thomas Piketty oder der aktuelle Nobelpreisträger Angus Deaton an.
Als Ökonomen lehnen wir die Auswahl von Christian Felber, der vorwiegend als politischer Aktivist auftritt, über keine ökonomische Ausbildung verfügt und keine wirtschaftswissenschaftliche Publikation vorweisen kann, daher ab. Die von Felber propagierte Gemeinwohltheorie erfüllt nicht die üblichen Kriterien der Wissenschaftlichkeit.
Die in der Grafik angeführte Pluralität in der Wirtschaftsforschung findet in den textlichen Passagen dann keinerlei Berücksichtigung. Wäre es tatsächlich die Absicht des Verlags, auf die Darstellung unterschiedlicher Sichtweisen zu verzichten, so sollte wenigstens kenntlich gemacht werden, dass der Text lediglich eine von mehreren möglichen Sichtweisen bzw. Meinungen darstellt.
Wir fordern Sie daher auf, dieses Lehrbuch in seiner derzeitigen Form nicht weiter für den Einsatz an österreichischen Schulen zuzulassen!
Mit freundlichen Grüßen,
Univ.-Prof. Dr. Harald Badinger, Wirtschaftsuniversität Wien
Univ.-Prof. DDr. Ulrich Berger, Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. René Böheim, Johannes Kepler Universität Linz
Univ.-Prof. Dr. Jesus Crespo Cuaresma, Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Fritz Oliver, WIFO
Univ.-Prof. Dr. Alexia Fürnkranz-Prskawetz, Technische Universität Wien
Univ.-Prof. Dr. Klaus Gugler, Wirtschaftsuniversität Wien
ao.Univ.-Prof. DI Dr. Franz X. Hof, Technische Universität Wien
Dr. Helmut Hofer, IHS
PD Dr. Serguei Kaniovski, WIFO
Univ.-Prof. Dr. Christian Keuschnigg, Universität St. Gallen, FGN-HSG
Dr. Monika Köppl-Turyna, Agenda Austria
Univ.-Prof. DDr. Ingrid Kubin, Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Habil. Simon Loretz, IHS
Prof. Dr. Bernd Marin, Webster Vienna Private University
Univ.-Prof. Dr. Christoph Moser, Universität Salzburg
Univ.-Prof. Dr. Reinhard Neck, Alpen-Adria Universität Klagenfurt
Univ.-Prof. Dr. Harald Oberhofer, Wirtschaftsuniversität Wien, WIFO
apl. Prof. Dr. Hans Pitlik, WIFO
Univ.-Prof. Dr. Rupert Sausgruber, Wirtschaftsuniversität Wien
Univ.-Prof. Dr. Philipp Schmidt-Dengler, Universität Wien
o.Univ.-Prof. Dr. Dr.hc.mult. Friedrich Schneider, Johannes Kepler Universität Linz
Univ.-Prof. Dr. Andrea Weber, Wirtschaftsuniversität Wien
Univ.-Prof. Dr. Christoph Weiss, Wirtschaftsuniversität Wien
Univ.-Prof. Dr. Hannes Winner, Universität Salzburg
Univ.-Prof. Dr. Rudolf Winter-Ebmer, Johannes Kepler Universität Linz
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