Am nächsten Tag jedoch ging es beim Symposium weiter wie gehabt. Wir alle wurden angewiesen, nicht mit den Angehörigen oder TV-Teams vor Ort zu sprechen, wurden sogar durch plötztlich anwesende Sicherheitskräfte ins Hörsaalgebäude begleitet.
Stattdessen wurden dann im Verlauf des 4.6.1998 die sowieso für das Symposium geplanten OP-Demonstrationen an Opfern des ICE-Unglücks durchgeführt. Und ich erinnere mich leider noch sehr «gut» daran, wie ein Chirurg das Tablett mit seinen Instrumenten auf dem total plattgedrückten Gesicht eines Unfallopfers abgestellt hat – «der hat ja wohl nichts mehr dagegen».
Die ganze Stimmung auf dem Symposium war bezüglich der Unfallopfer dermassen respektlos, dass ich fast noch einmal gekotzt hätte.
In der Folge gab es für die Assistenz- und Oberärzt*innen der MHH psychologische Begleitung. Für uns Student*innen leider nicht. Wir haben uns diese privat organisiert, auf eigene Kosten.
Heuer wird noch einmal der Opfer des ICE-Unglücks gedacht. Das ist auch gut so. Aber leider bleiben ein paar andere Betroffene immer noch aussen vor, vor allem jene, welche damals im Hintergrund aktiv waren. An einige von diesen möchte ich hiermit erinnern.
Wir leiden immer noch. Unter Ignoranz und einer völlig überkommenen Form von patriarchialisch-hierarchischem Denken in der Medizin allgemein, in der Chirurgie speziell. Es hat sich diesbezüglich leider in 25 Jahren immer noch nicht viel geändert.
Vielleicht können wir alle diesen Jahrestag nutzen, daran etwas zu ändern.
Flo
P.S.:
Die damaligen Ereignisse waren einer unter mehreren Gründen, warum ich seinerzeit meine fast fertige Doktorarbeit in der Abteilung Traumatologie der MHH geschmissen habe.
Die anderen Gründe habe ich ja bereits an anderer Stelle bekanntgemacht.
Kommentare (12)