Alle reden über die Notwendigkeit von interdisziplinärer Forschung, wo aber gibt es sie wirklich? Das habe ich mich mal wieder gefragt, als ich vor einiger Zeit einen Sozialwissenschaftler einer einschlägigen Fakultät zum Thema geschlechtsbedingte Persönlichkeitsunterschiede befragt hatte. Wie sich herausstellte, hatte er sein schätzungsweise 30 Jahre altes Weltbild, wonach alle Unterschiede zwischen Männern und Frauen rein umweltbedingt seien, ohne die leiseste Irritation in die Jetztzeit gerettet, um es an seine Studenten weiterzugeben.
Auf Nachfrage bekannte der Wissenschaftler, dass ihm zentrale Aufsätze zum Thema von biologisch orientierten Psychologen nicht bekannt waren, und dass er auch gar keine Lust habe, sich mit diesen zu beschäftigen. Er glaube schlichtweg, dass der soziologische Ansatz der bessere sei. Auf den Vorschlag, das Thema interdisziplinär anzugehen, meinte er, die Methoden seien zu unterschiedlich, um sie zu kombinieren.
Es ist wie in dem alten Witz: Möglich, dass der gesuchte Schlüssel im Dunkeln liegt, trotzdem sucht er lieber, wo das Licht seiner Laterne hinleuchtet.
Insofern finde ich es überzeugend, wenn Kollege Carsten Könneker in einem Beitrag zum Neurophilosophen Georg Northoff von der Universität Magdeburg die These vertritt, dass wahre Interdisziplinarität häufiger in einem Kopf als zwischen den Köpfen statt finde. Besagter Northoff hat nämlich in Psychiatrie und Philosophie habilitiert und gehört damit zu der jungen Garde von Wissenschaftlern in Deutschland (Henrik Walter, Kai Vogely usw.), die aus einer Doppelqualifikation heraus jetzt ernsthaft die philosophischen Konsequenzen der Neurowissenschaften analysieren.
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