Ob neurobiologische Ergebnisse unser Menschenbild verändern, hängt maßgeblich davon ab, welchem Menschenbild wir anhängen; was wir als Erklärungsmuster akzeptieren und unter welchen Gesichtspunkten wir Experimente interpretieren. Sicher wird die Neurobiologie kein neues Menschenbild „entwickeln“ was nicht schon gedacht wurde, denn zwischen materialistischem Monismus und dem Idealismus wurde alles schon formuliert.
Aber natürlich können durch naturalistische Erklärungsmuster, so man sie akzeptiert, Akzente und Nuancen in der menschlichen Eigenwahrnehmung verändert werden und in diesem Kontext lohnt es auch einen Blick die neurobiologischen Experimentierstätten zu werfen. Die Erforschung der neurobiologischen Grundlagen des menschlichen Bewusstseins erstreckt hierbei sich über mehrere Bereiche:
– zum einen wird die Evolution von bewussten Zuständen untersucht (Phylogenie), hier geht es vor allem um die Frage, welche Hirnstrukturen haben sich im Laufe der Evolution unter welchen Bedingungen und welchen Anpassungsprozessen entwickelt. Vor allem geht es um die Frage, ob Bewusstsein sich graduell oder in Sprüngen durch bestimmte emergente Eigenschaften entwickelt haben
– zum anderen die Ontogenese, wie entwickelt sich ein kindliches Gehirn bis zu einem Zustand, wo es Selbstbewusstsein hat, und wie verläuft diese Entwicklung?
– welche Zustände von Bewusstsein gibt und wie können diese unterschiedlichen Zustände untersucht werden. In diesem Forschungsgebiet werden Körperbewusstsein und Wahrnehmungsbewusstsein unterschieden von Selbstbewusstsein
Weiter stellt sich die Frage, wie man menschliches Selbstbewusstsein als ein Bewusstsein von den eigenen mentalen Phänomenen adäquat beschreiben kann? Hierbei kann eine empirische Wissenschaft wie die Neurobiologie einen Beitrag zur Erforschung des Bewusstseins in sofern leisten, als dass sie a) versucht aufzuzeigen, wie die entsprechenden Phänomene bei Menschen realisiert sind (neuronale Basis); b) fruchtbare Anwendung von Begrifflichkeiten, Operationalisierung, ermöglicht.
„Die Neurobiologie des Bewusstseins ist demnach mit zwei Problemen konfrontiert: Erstens stellt sich die Frage, wie der „Film-im-Gehirn erzeugt wird und zweitens bedarf es einer Erklärung, wie das Gehirn gleichzeitig das Gefühl erzeugt, dass es einen Besitzer und Beobachter dieses Films gibt.“
Man kann einige Aspekte von bewussten Vorgängen korrelieren mit der Aktivität spezifischer Hirngebiete. Genauso wie es bereits eine funktionelle Neuroanatomie der Gedächtnissysteme des Gehirns gibt, wird es (wahrscheinlich) eine Neuroanatomie von bewussten Vorgängen geben.
Wachheit und Aufmerksamkeit sind keine synonyme für Bewusstsein, sondern notwendige Bedingungen, wie übereinstimmend bildgebende Verfahren und Untersuchungen an neurologischen Patienten belegen.
Eine Neurobiologie von bewussten Zuständen sollte in diesem Kontext vor allem dreierlei leisten können:
Zum einen sollte die erklären, wie – notwendiger Weise – bestimmte Bewusstseinszustände im Gehirn erzeugt werden und was die damit hergehenden korrelierten neuronalen Muster sind (dahinter steht die Frage, wie das Gehirn einheitliche Wahrnehmungen erzeugt);
Sie sollte aber auch ergründen, wie diese erzeugten „Szenen“ dem Organismus nützen;
Wie kommt zu Sinnesempfindung im Sinne von Qualia und welchen „Nutzen“ hat dies für den Organismus?
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