Biologen und Physiker stehen für zwei Arten, die Welt zu erforschen. Hier im Labor treffen sie aufeinander. Kann das gut gehen? Der ideale Wissenschaftler wäre wohl eine Kreuzung aus beidem.
Hier gibt’s nicht nur Biologen. Auch wenn ich im MPI für molekulare Zellbiologie und Genetik bin, das Forschungsobjekt in diesem Labor ein Hefepilz ist und einfach alles nach Biologielabor aussieht (Petrischalen usw.).
Eine der ersten Überraschung war: Fast die Hälfte der Mitarbeiter ist von Hause aus Physiker. Auch wenn Laborleiterin Iva Tolic-Norrelykke selbst Biologin ist, so kommt Postdoc Nicola Maghelli aus der Physik, genau wie Doktorand Manuel Neetz, die beiden Diplomanden Bernhard und Falk sowie die Gastwissenschaftler Nenad und Vladimir.
Also nutze ich die Gelegenheit nachzufragen, was denn die beiden Forschungsrichtungen auszeichnet, was die einen besser können als die anderen. Oder anders: Warum gibt es hier eigentlich so viele Physiker (frage ich, der ich selbst Bio studiert habe).
Das Gefühl für den Organismus
Biologen sind die Hüter des Forschungsobjekts. “Wir haben das richtige ‘Gefühl’ und das Wissen wie man mit lebenden Organismen umgeht. Wir wissen, wie man die Hefen glücklich macht”, sagt Postdoc Sven. Die Biologen sind diejenigen, die sich mit den Zellkulturen auskennen. Sie haben gelernt wie man neue Zellstämme kreiert, weil sie mit Techniken wie PCR, Klonierung oder Züchtung vertraut sind. “Sie können besser Zelltypen und -stadien unterscheiden, erkennen eher was normale und abnormale Prozesse innerhalb der Zelle sind”, sagt Iva. Was nicht bedeutet, dass Physiker das nicht könnten. Mit der Zeit lernen sie es auch.
Physiker sind Experten, wenn es darum geht die Daten zu analysieren. Sie sind die Meister der Zahlen und Diagramme, die Datenanalyzer: Sie wissen wie man Dinge berechnet, sie suchen die quantitativen Antworten. Sie werten das Bildmaterial aus und entwickeln neue experimentelle Set-ups.
Vielleicht hilft einem das weiter, um den Unterschied zwischen beiden Welten z verstehen:
Biologen sehen sich ein Bild an. Physiker werfen lieber einen Blick auf die dazu passende Kurve.
Biologen suchen nach Mustern im Bild oder Filmmaterial und versuchen die Prozesse, die sie kennen, wiederzuerkennen. Die Physiker sehen die Diagramm und Kurven und scheinen die Zahlen dahinter zu sehen.
Der Blick auf das Ganze und die Details
Doktorand Miguel Coelho ist Biochemiker. Er sieht sich ein bisschen zwischen beiden Lagern stehen. Von dieser warte aus, blickt er auf beide. “Biologen interessieren sich mehr für das allgemeine Verhalten, während Physiker dazu neigen Details und einzelne Mechanismen zu untersuchen.” Es ist vielleicht auch ein Sache des Blickwinkels. Die einen gucken von unten, Bottom-up, die anderen von oben, Top-down.
Manuel Neetz, Doktorand: “Wenn man neu ist, könne wir durch selbstgeschrieben Programme, technische Entwicklungen und theoretische Modelle unseren Beitrag leisten.” Die Biologen seien diejenigen, die die Fragen stellen, die die Probleme und Projekte, die es zu erforschen gilt, aus der profunden Kenntnis des Organismus definieren.
In der Gruppe schlägt sich das so nieder, dass die Datenauswertung meistens zusammen mit einem Physiker gemacht wird. Physiker sind auch diejenigen, die oft bei Planung der Experimente hinzugezogen werden. Sie wissen am besten, welche Mikroskope, mit welchen Einstellungen geeignet sind.
“Ich glaube, es ist leichter sich in Biologie einzuarbeiten als in die Physik. Das Wissen ist weniger hierarchisch und man braucht keine Mathematik”, sagt Manuel. Wenn es allerdings darum gehe ganz praktisch Genetik oder Biochemie im Labor zu betreiben, sei die Erfahrung im Labor, die Biologen meist schon haben, durch kein theoretisches Wissen zu ersetzen.
Das andere Plus und Minus
Auch wenn es für einen Physiker einfacher zu sein scheint, sich in die Biologie einzuarbeiten als umgekehrt, gibt es durchaus ein paar Verständigungsprobleme. Niocla erinnert sich amüsiert: “Mich irritierten anfangs die Bezeichnungen der Mikrotubuli, die ja ein plus- und ein minus-Ende besitzen. Das verwirrte mich, weil ich mir nicht erklären konnte, was das mit Elektrizität zu tun haben sollte.” Biologen geben damit die Richtung des wachsenden Proteinfilamentes an.
Ein Punkt, den ich von Physikern immer wieder höre, ist die Komplexität eines Lebewesens mit dem sie zu kämpfen haben. Physiker mögen es, alles auf das notwendigste zu beschränken. Sie wollen klassischerweise Komplexität aus einem System herausnehmen (haben aber natürlich inzwischen auch Tools entwickelt, um ihrer Herr zu werden.) Diplomand Bernhard Sebastian: “Den Ausgang von Experimenten kann man daher in der Physik vergleichsweise gut abschätzen. Passiert etwas unvorhergesehenes kann man das im Nachhinein recht gut erklären.”
Bei einem Lebewesen wird das schwierig. Habe man eine lebende Zellen vor der Nase, gehe all das exakte Wissen samt Theorien “zum Teufel”. “Obwohl die Mischung stimmt, weiss man oft nicht so genau was passieren wird”, sagt Bernhard. Und noch öfter klappe einfach gar nichts. Ursache könnte dann alles mögliche sein: Von einer vergessenen Zutat bis zur Abstrahlung des Handys auf dem Schreibtisch.
Was Biologen alles mit so komplexen Gebilden wie Zellen machen, verblüfft ihn immer wieder, sagt Bernhard. “Es ist mir oft ein Rätsel”, gibt er zu. “Sie kennen Verfahren und Dinge, die sich meinem Weltbild entziehen.” Das kann mancher Biologe sicher auch von der Welt der Physiker behaupten.
Wenn man beide erfolgreich zusammenbringe, sagt Miguel, bekomme man neues Wissen und ein Verständnis biologischer Phänomene, die von sorgfältiger statistischer Analyse in einem relevanten biologischen Kontext getragen werden. Oder um es kurz zu machen: “Wenn Du beides kombinieren kannst, bekommst du den perfekten Wissenschaftler für die Life Sciences”, sagt Sven.
Nachtrag 24.11.:
War mir bisher gar nicht aufgefallen. Auch wenn das hier eine einzige Arbeitsgruppe ist, wird hier schon unterschieden. Es gibt die “bio-people” und es gibt die “physics-people”. In den Kurzvorträgen am Montag im Gruppenseminar tragen entweder die “bio-people” vor oder die “physics-people”.
Kommentare (3)