Von Marc-Denis Weitze, Projektkoordinator

Bis 2022 will Deutschland aus der Kernkraft aussteigen und das Energiesystem zum Teil auf erneuerbare Energien umstellen. Neben Windkraft und Biomasse wird die Sonnenenergie dafür entscheidend sein. Und die Ausgangslage ist gar nicht so schlecht: „Wissenschaftlich und technologisch nimmt Deutschland derzeit eine Spitzenstellung in der Solartechnologie – Fotovoltaik und Solarthermie – ein. Sowohl in Bezug auf die Energieerzeugung als auch den wirtschaftlichen Erfolg durch Export von Spitzentechnologie erscheint daher die Solartechnologie als ein prioritäres Handlungsfeld“, stellten die deutschen Wissenschaftsakademien bereits 2009 fest (Leopoldina / acatech / BBAW: Konzept für ein integriertes Energieforschungsprogramm für Deutschland, Halle / München / Berlin 2009, S. 27).

Die direkte Nutzung der Sonnenenergie liegt auf der Hand: Die Sonne spendet 15.000-mal mehr Energie als die gesamte Menschheit verbraucht. Dies sollte zur langfristigen Sicherung der Energieversorgung ohne weitere CO2-Emissionen beitragen können. So groß das Potenzial der Sonnenenergie ist, so groß sind bis heute aber die damit verbundenen wissenschaftlich-technischen Schwierigkeiten. Noch gilt Fotovoltaik als besonders teure regenerative Energie.

Helfen könnten neue Ansätze bei der Fotovoltaik und der künstlichen Fotosynthese, etwa biomimetische bzw. Kohlenstoff-basierte Verfahren. Bei der natürlichen Fotosynthese wandeln Pflanzen mit Hilfe von Sonnenlicht Kohlendioxid und Wasser in organische Verbindungen um. Die Umwandlung erfolgt in mehreren Schritten. Zuerst werden Lichtquanten absorbiert. Ihre Energie dient zur Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. In einer zweiten Lichtreaktion verwendet die Pflanze den Wasserstoff zur Synthese hochenergetischer organischer Moleküle (ATP). Deren Energie dient dann in einer komplexen enzymatischen Reaktion der Reduktion von CO2 zu Kohlenhydraten.

Ziel der Künstlichen Fotosynthese ist es, den Wirkungsgrad des natürlichen Systems langfristig zu erhöhen, etwa mittels Gentechnik oder Synthetischer Biologie. Ein Workshop der U.S. National Academies untersuchte bereits die molekularen Prozesse in biologischen Systemen, um zu prüfen, ob sie sich für die Energiesysteme der Zukunft anwenden lassen. Derart bio-inspirierte Energieforschung nutzt Bio- und Nanotechnologie, wobei Molekularbiologie und Mikrobiologie wesentliche Beiträge leisten (https://dels.nas.edu/global/bcst/bioinspired-energy).

Im Unterschied zu Gentechnik oder Nukleartechnik handelt es sich bei der Künstlichen Fotosynthese aber um ein noch nicht durch feste Meinungen „vorbelastetes“ Feld. Das kontroverse Potenzial dieser Technologie scheint auf den ersten Blick eher gering. Bestätigt wurde das auch von einem acatech-Projekt zur frühzeitigen Einbindung der Öffentlichkeit in diesem Feld. In Zukunft könnten jedoch durch den möglichen Einsatz von Gentechnik oder Schwermetall-Katalysatoren auch durchaus kontroverse umweltrelevante und ethische Fragen aufkommen. Die wissenschaftlichen Ausgangspunkte und technischen Realisierungsmöglichkeiten sind bislang aber nur in Ansätzen erkennbar.

Ziel des Akademienprojekts „Künstliche Fotosynthese: Forschungsstand, wissenschaftlich-technische Herausforderungen und Technikzukünfte“ ist daher, unterschiedliche Forschungsansätze frühzeitig sichtbar zu machen und den konkreten Forschungsbedarf in Deutschland aufzuzeigen. Spätestens 2050 sollte die die Künstliche Fotosynthese technisch nutzbar sein. Dieser Blog soll Einblicke in die Arbeitsweise und Ergebnisse dieses Projekts geben und zur Diskussion stellen.

Über den Autor:
Dr. Marc-Denis Weitze leitet den Themenschwerpunkt Technikkommunikation in der Geschäftsstelle von acatech und koordiniert das Akademienprojekt „Künstliche Fotosynthese: Forschungsstand, wissenschaftlich-technische Herausforderungen und Technikzukünfte“. Studium der Chemie und Philosophie in Konstanz und München, dort Promotion in Chemie. Tätigkeiten als Wissenschaftsjournalist und für das Deutsche Museum.

Kommentare (8)

  1. #1 rolak
    7. Juni 2016

    Auf Berichte zu den Fortschritten bei der Sonnen-Ernte bin ich schon sehr gespannt – viel Spaß & Erfolg!

  2. #2 Anderer Michael
    9. Juni 2016

    Gefördert von der Philip-Morris-Stiftung.Und ich dachte, das Thema Sponsoring der Tabakindustrie sei vom Tisch.

    • #3 acatech
      14. Juni 2016

      Das vorausgegangene acatech-Projekt (https://www.acatech.de/de/projekte/laufende-projekte/kuenstliche-fotosynthese.html) wurde durch die Philip-Morris-Stiftung (https://www.philipmorris-stiftung.de/) teilfinanziert, das aktuelle Akademienprojekt hingegen nicht.
      Die Stiftung fördert Projekte, „die das übergreifende Themenfeld „Mensch und Zukunftswandel” in den Mittelpunkt ihrer Forschungsarbeit stellen“ und „Strategien zur Bewältigung der permanenten Veränderungen (..) entwickeln und um(..)setzen. Auf der Basis neuer wissenschaftlicher oder technischer Entwicklungen sollen sie Vermittlungsarbeit leisten, um die Gesellschaft auf kommenden Wandel vorzubereiten.“ Die Künstliche Fotosynthese könnte hier einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Energiewende leisten. Derzeit fördert die Stiftung etwa den Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation.

  3. #4 Dr. Webbaer
    9. Juni 2016

    Howdy – und nur weil sich bisher keiner gemeldet hat, Feedback im Web darf, nein muss! sein; hierzu ganz kurz:

    Die direkte Nutzung der Sonnenenergie liegt auf der Hand: Die Sonne spendet 15.000-mal mehr Energie als die gesamte Menschheit verbraucht.

    Variante:
    Die friedliche Nutzung der Kernkraft liegt auf der Hand, gerade vor dem Hintergrund der bekannten CO2-zentrierten Prädiktion der Klimatologie.

    ‘15.000-mal mehr Energie’ klingt nicht so-o “sexy”, astronomische Maßstäbe zugrundegelegt.

    MFG
    Dr. Webbaer

  4. #5 Thilo
    11. Juni 2016

    Wie soll man sich künstliche Fotosynthese konkret vorstellen? Werden da Wälder aus künstlichen Pflanzen aufgestellt, die effektiver synthetisieren als echte Pflanzen? Und was soll produziert werden, einfach Energie oder bestimmte Materialien?

    • #6 acatech
      14. Juni 2016

      “Künstliche Fotosynthese” ist ein Sammelbegriff für Verfahren, die Licht in Wertstoffe oder Energieträger uwandeln.

      Dabei gibt es derzeit viele unterschiedliche Forschungsrichtungen:
      Biotechnologen versuchen, Pflanzen oder Algen effizienter zu machen.
      Chemiker nutzen Katalysatoren, die in der Natur nicht vorkommen, um Wasser zu spalten oder COS zu reduzieren.
      Und ausgehend von der Silizium-Photovoltaik sucht man neue Materialien, die Licht in Elektrizität wandeln (z.B. organische Halbleiter oder Perowskite).

      Welche Innovationen daraus in den nächsten Jahren entstehen werden – das weiß noch niemand.

  5. #7 Joseph Kuhn
    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/
    19. Juni 2016

    @ Anderer Michael:

    “Gefördert von der Philip-Morris-Stiftung.Und ich dachte, das Thema Sponsoring der Tabakindustrie sei vom Tisch.”

    In der Gesundheitsforschung ist das auch zunehmend der Fall, viele Institutionen, z.B. das Deutsche Krebsforschungszentrum, haben inzwischen interne Bestimmungen, dass sie keine Gelder aus der Tabakindustrie oder ihrem Umfeld annehmen.

    In anderen Forschungsfeldern ist zum einen der unmittelbare inhaltliche Konflikt nicht gegeben, zum anderen hat man sich dort meist auch nicht mit der Strategie der Tabakindustrie beschäftigt, durch die Förderung von Wissenschaft und Kultur gesellschaftliche Akzeptanz herzustellen. Die WHO Framework Convention on Tobacco Control (FCTC), die u.a. auch dazu auffordert, solche “sozialen” Aktivitäten der Tabakindustrie zu denormalisieren, ist in den meisten Instititutionen außerhalb des Gesundheitswesens und des Sports vermutlich gar nicht bekannt.

  6. #8 Anderer Michael
    21. Juni 2016

    Das Thema des vorgegangenen Projektes war künstliche Photosynthese.Dieses Projekt lief bis Februar 2016 und wurde von der Philips-Morris-Stiftung gefördert. Zwar nur mit 50.000 Euro. Dies dürfte aber wohl Teil einer sogenannten ” Landschaftspflege” sein, um mal mit den Worten des Lobbyisten Schreiber zu sprechen. Dazu passt vermutlich auch die aktuelle Zusammenarbeit mit dem Bundespräsidenten.
    Ich mache es Ihnen nicht zum Vorwurf. (Wie sollte ich angesichts des Verhaltens des Bundespräsidenten).