Bei den anschliessenden Fragen der anwesenden Journalisten wurde als allererstes danach gefragt, wann LHC denn nun genau in Betrieb genommen wird; wann die ersten echten Experimente durchgeführt werden und wann voraussichtlich mit der Entdeckung des ersten Higgs-Teilchens zu rechnen ist.

Carlos Rubbia antwortete darauf fast schon ein bisschen ärgerlich, dass man nun schon 14 Jahre an diesem gewaltigen Projekt baut; das es sich um eine völlig neue Technologie handelt und das man deswegen auch nicht ständig nach dem “Wann” fragen sollte. Bei solchen innovativen Projekten kann es lange dauern, bis alles so funktioniert, wie man sich das vorstellt. Man solle die Forscher also am besten in Ruhe die Probleme lösen lassen. Auch David Gross ist davon überzeugt, dass das Higgs-Boson nicht die erste Entdeckung des LHC sein wird. Vor allem deswegen, weil die Datenauswertung durchaus 2-3 Jahre dauern kann und LHC ja auch noch andere Ziele hat (z.B. die Suche nach Teilchen der ebenfalls bis jetzt weitesgehend unbekannten dunklen Materie).

Auch die Frage nach der Zukunft kam auf. Sind nach der Entdeckung des Higgs-Teilchens die grossen Teilchenbeschleuniger überflüssig? Was kann, was wird die Teilchenphysik als nächstes in Angriff nehmen? David Gross erklärte, dass an den nächsten Schritten schon lange gearbeitet wird. Analog zum LHC, bei dem zwei Strahlen aus Protonen zur Kollision gebracht werden, soll ein Beschleuniger gebaut werden, bei dem Elektronenstrahlen aufeinanderprallen. Carlos Rubbia warf ein, dass Teilchenphysik nicht nur mit Teilchenbeschleunigern betrieben werden kann. Immer noch ungelöste Probleme wie den Protonenzerfall lassen sich auf andere Art und Weise viel besser untersuchen. Er plädierte dafür, sich nicht auf eine bestimmte Forschungsrichtung und -art festzulegen:

“Lasst die Natur uns sagen, wie es weitergehen soll. Lassen wir uns das gesamte Spektrum der Möglichkeiten offen!”

Zum Schluss wurde unter anderem auch die Frage nach dem Stromverbrauch des LHC gestellt. Wer erzeugt die gewaltigen Mengen an Energie, die für die Experimente benötigt werden? Hier konnte Lyn Evans eine überraschende Antwort geben: Wie ich oben schon erwähnt habe, ist die komplette LHC-Maschinerie auf 1.9 Kelvin gekühlt. Das wird gemacht, um den Supraleitereffekt auszunützen: bei sehr tiefen Temperaturen verlieren elektrische Leiter jeden Widerstand und Strom kann verlustfrei geleitet werden. Das ermöglicht erst das optimale Funktionieren des LHC – es führt aber auch dazu, dass LHC weniger Strom verbraucht als die früheren Experimente am CERN!

Ein Thema wurde natürlich auch angesprochen – wenn auch nur kurz: wird LHC nun die Erde zerstören oder nicht? David Gross nannte diese Hypothese

“vollkommen absurd und dumm”

Ich will hier nicht nochmal wiederholen, was er zu diesem Thema gesagt hat – alle Argumente und Erklärungen, warum LHC die Erde nicht zerstören wird, wurden hier bei Scienceblogs schon ausführlich diskutiert. David Gross hat jedenfalls nochmal darauf hingewiesen, dass CERN trotz allem, was dagegen spricht, die ganze Angelegenheit ausführlich untersucht hat und keinerlei irgendwiegeartete Gefahr feststellen konnte.

Die letzte Frage der Pressekonferenz beschäftigte sich mit möglichen industriellen Anwendungen, die sich aus der Forschung am LHC ergeben könnten. Lyn Evans meinte, dass LHC vorrangig für die Wissenschaft gebaut wurde und nicht für die Industrie. Es sei aber immer möglich, dass sich interessante “spin-offs” ergeben.

Eines dieser “Nebenprodukte” die am CERN im Zuge der teilchenphysikalischen Forschung entwickelt wurden, dürfte übrigens jeder kennen: das Internet!

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Kommentare (1)

  1. #1 Thiemo Nagel
    Juli 2, 2008

    Am CERN befindet sich nicht der kaelteste Ort des Universums! Moeglicherweise ist der kaelteste Ort des Universums in irgendeinem Labor auf der Erde (es wurden bereits Temperaturen kleiner 0,000001K erreicht), aber sicher nicht am LHC. Das Kryosystem des LHC ist mit 1,9K zware kaelter als die meisten Objekte des Universums, aber waermer als z.B. der Boomerang-Nebel (1K).