Ich wähne mich in Wochenendanfangsstimmung, schlage die Zeitung auf und was muss ich lesen: einen Bericht über das neue Zentrum für Traditionelle Chinesische Medizin, das am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf soeben eröffnet wurde. Die Hälfte der Kosten trägt immerhin eine private Krankenversicherung, aber die anderen beiden Viertel zahlen das UKE und die Stadt Hamburg, also auch ich.
Wollen wir doch mal sehen, was die da so machen. Vielleicht gibt es Hoffnung, dass die Forscher mit ein paar guten Studien die Spreu der TCM vom Weizen (jajaja, ich weiß, diese Studie mit der Akupunktur – da half es ein bisschen, aber nicht sehr nachhaltig) endgültig trennen können.
Der Artikel in der Hamburger Morgenpost stammt aus der Feder von Nina Gessner, die mir wegen ihres gesunden Menschenverstandes schon mehrfach positiv aufgefallen war.
(Kleiner Exkurs für alle, die mit dem Hamburger Tageszeitungsangebot nicht vertraut sind: die MOPO ist Boulevard, aber ein ehemaliges SPD-Blatt. Sie wird recht viel gelesen, gerne auch in Kombination mit der SZ oder FAZ. Die einzige Alternative ist das Hamburger Abendblatt aus dem Hause Springer. Wer keinen Internetanschluss hat, liest sie, um über die Müllabfuhrtermine informiert zu sein. Oder um die ersten Bilder der niedlichen Elefantenbabys bei Hagenbecks zu sehen).
Die MOPO schreibt also:
Tatsächlich ist an dem 120 Jahre alten Uniklinikum eine neue Ära angebrochen. Eine Ära, in der die Schulmedizin nicht mehr als einzige Wahrheit gilt, sondern in der man sich alternativen Methoden öffnet. „Wir hatten in dieser Hinsicht lange die Augen verschlossen”, gibt der Ärztliche Direktor Prof. Jörg Debatin zu.
Statistisch sei es aber mittlerweile so, dass jeder zweite Patient alternative medizinische Konzepte suche.
Klar: wer sucht, hat recht.
Die Klinik habe die Pflicht, darauf einzugehen.
Entschuldigung, das habe ich nicht ganz verstanden. Pflicht? Warum? Und warum von meinem Geld?
Und auch wenn es für TCM nach westlichen Standards keine Beweise gebe, so gelte das Motto: „Wer heilt, hat recht!”, so Debatin.
Schön, da isses, das Totschlagargument der Alternativheiler!
Aber Herr Debatin, bei Ihnen habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Wissen Sie, wie man verlässlich herausfinden kann, OB etwas heilt? Vielleicht haben Sie schon mal davon gehört – genau: mit einer doppelblinden, randomisierten klinischen Studie.
Allerdings dürfte das Verblinden bzw. die Behandlung in der Kontrollgruppe nicht immer einfach sein:
Sie behandeln Schmerzen, Magen-Darm-Probleme, Haut- und Lungenkrankheiten, gynäkologische und neurologische Erkrankungen und greifen dabei zur Akupunktur-Nadel, zur „Moxa-Zigarre”, zu Massagen, chinesischen Kräutern und Atemübungen (Qigong).
Und warum bleiben die TCM-Heiler dann nicht in ihren Privatpraxen, sondern kommen an eine – vorsichtig ausgedrückt – renommierte Uniklinik?
Da haben wir’s:
Außerdem verwenden die Ärzte viel Zeit für Forschung.
Da bin ich mal gespannt, was das Zentrum selbst über seine Forschung schreibt.
Klinische Forschung soll nicht nur – wie häufig zur Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) – beschreibenden Charakter haben, sondern über den Status der Kasuistik hinaus gehen. Daher sind randomisierte und verblindete Studien zu erstellen, ggf. mit anderen Zentren gemeinsam. Grundlagenforschung strebt nach dem Verständnis der Wirkung der TCM. Sie testet z.B. neurobiologische Mechanismen der Akupunktur-Analgesie, Wirkungsweisen von Kräutern über Modulation der Funktionen des autonomen Nervensystems oder Wirkungen der chinesischen Arzneitherapie auf die Immunologie oder bei der Krebsbehandlung.
Das kann man so lassen.
Weitgehend neu ist der im Hamburger TCM-Zentrum geplante Ansatz, mit den physikalischen Methoden der Gas- und Flüssig-Spektrometrie sowie der Massenspektrometrie die ganzheitliche Wirkung der TCM-Behandlungen zu untersuchen.
Ehrlich gesagt sind die spektrometrischen Verfahren NICHT der Teil der Methodik, der mich interessiert hätte. Sondern vorher: wie werden die Patienten ausgesucht? Wie werden sie den Gruppen zugeordnet? Wie werden die Gruppen behandelt? Wer wertet aus?
Ob irgendwelche Proben dann mit Massenspektrometrie oder mit Gaschromatographie auf ihre Zusammensetzung untersucht werden, ist eigentlich schnuppe.
Aber – Kompliment – es hört sich verdammt wissenschaftlich an!
Und auf der Startseite steht gar:
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