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In den zurückliegenden Jahren hat sich die Printmedienbranche viel mit dem Thema Neuroforschung beschäftigt. Neben der wissenschaftlichen Erforschung menschlicher Rezeptionsprozesse von Medienbotschaften ging es auch darum, die Besonderheiten von Printmedien als Werbeträger für Anzeigen darzustellen (Synopse hierzu:

Neuroforschung_Print.PDF

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Neuroforschung gibt es selbstverständlich nicht erst seit Verwendung der funktionellen Bildgebung. Als wissenschaftliche Disziplin ist für diese Themen seit jeher die angewandte Wirtschaftspsychologie (Markt- und Werbepsychologie) mit dem Thema zugange. Im Gegensatz zu anderen Branchen hat sich die Medienwirtschaft zuletzt intensiv hiermit auseinandergesetzt. Mit dem Ergebnis dieser 15 zentraklen Befunde für Printmedien (zusammengefasst im Überblick):

1. Die Zeitschrift oder Zeitung (Print) ist “zeitsouveränes” Medium: individuell gestaltbare Nutzungszeitpunkte erhöhen die Chance, neben journalistischen Beiträgen auch Anzeigenwerbung zu “lernen” (TV gibt i. d. R. den Zeitpunkt vor, der manchmal nicht günstig zur Rezeption ist).

2. Es gibt ein 3-Sekunden-Fenster der Wahrnehmeung (nach E. Poeppel arbeitet das Gehirn bei der Encodierung bzw. der Erstellung von Sinneinheiten in Zeiteinheiten von 3 Sekunden): stakkatohafte TV-Werbung z. B. arbeitet so an den menschlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten vorbei, während Print(-Anzeigen) diesen entgegenkommt.

3. Print schafft starke Marken, die Orientierung bieten: Ob Bild, der Spiegel, FOCUS oder die BUNTE – Das Gehirn denkt nicht erst lange nach, sondern orientiert sich und sondiert rasch auf Basis dessen, was es kennt (die Aktivierung des anterioren insulären Kortex der linken Hirnhemisphäre in Entscheidungssituationen belegt dies).

4. Print bietet ein emotional neutrales, kontextunabhängiges Umfeld: während stark emotionalisierende TV-Umfelder die Werbewirkung schwächen (Interferenz) schafft Print ein angenehmes Rezeptionsklima.Die Stimmungs-Kongruenztheorie lehrt uns, dass durch Medien indizierte Stimmung für das Lernen von großer Bedeutung ist: in gedrückter Stimmung präsentierte Botschaften werden zu einem späteren Zeitpunt – bei freudiger Stimmung- schlechter rekapituliert- und entsprechend umgekehrt. 

5. Lesen involviert: die aktive Zuwendung zum Medium (hohe Ich-Beteiligung) erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, Werbung aktiv zu nutzen.

6. Print aktiviert: Lesen führt zu stärkerer Augenbewegung, erhöht so die Aktivität im visuellen Kanal.

7. „Images are stills”: nicht bewegte, vielmehr statische Bilder werden episodisch abgelegt. Print lässt diese leichter rekapitulieren (ein Grossteil der Werbung ist auf Markenwahlbestätigung ausgerichtet).

8. Imagetransfer und “Belohnung” (aktiver nucleus accumbens im limbischen System): starke Print-Marken belohnen ihre Leser und fördern den positiven Transfer auf Gelesenes bzw. die Anzeigenrezeption.

9. Komplementarität: Print strukturiert und bietet Orientierung, TV schafft primär Stimmungen: unterschiedliche Qualitäten, die sich allerdings durchaus gut ergänzen können.

10. Lesen führt zu intensiverem Erfassen, besserem Behalten zentraler Aspekte und somit nachhaltigerer Wirkung als TV-Sehen.

11. Print löst weniger häufig (aversive) Reaktanz aus (lokalisiert in der sog. “Insula”): TV-Werbung wird häufig als lästig empfunden, man versucht, sie zu vermeiden.

12. Während Print-Werbung über die Zeit weitere Werbewirkung entfaltet, gibt es bei TV-Werbung einen raschen Abfall der Werbewirkung.

13. Auch Print, nicht nur TV, wirkt emotional: Print-Marken aktivieren Teile des medialen präfrontalen Kortex, der für die Verarbeitung von Emotionen verantwortlich ist. Emotionale Encodierung bietet z. B. zentrale Vorteile für die Markenkommunikation.

14. Ich-Nähe: die Entscheidung für eine Print-Marke erfordert höheres Commitment, schafft höhere Bindungsqualitäten und auch auf diesem Wege ein besseres Rezeptionsklima für Werbemittel.

15. Bewegte Bilder in TV verlangen zusätzliche Komplexitätsreduktion, verbunden mit hohem Energieaufwand im Gehirn, den man gerne vermeidet. Stationäre Bilder in Print werden dagegen im Gehirn anstrengungslos verarbeitet, man sucht sie daher auch weniger zu vermeiden, ihnen auszuweichen.

Hinter diesen Befunden stehen eine Vielzahl neurowissenschaftlicher Untersuchungen, in Deutschland insbesondere der Universitäten München und Münster. Ich habe hier mal eine Übersicht der in den letzten Jahren (seit 2005) erschienen Publikationen zum Thema Neurmarketing zusammengestellt – sie zeigt, dass das Thema in jüngster Zeit doch sehr viel Aufmerksamkeit erfahren hat. Selbstverständlich nicht nur zu Fragen der Medienwirkung …

Literatur Neuromarketing seit 2005.PDF

Beitrag zur Anzeigenwirkung (nachgereicht 5.11.09)
Anzwirk.PDF

Kommentare (1)

  1. #1 Michael
    November 6, 2009

    Brain Sciences zur Wirkung von Printmedien, insb. auch zur Anzeigenwerbung, hat bereits vor der bildgebenden Neuroforschung ein ubeeindruckendes Volumen an Untersuchungen – zumeist aus dem angl-amerikanischen Raum – aufgewiesen. Insbesondere die Attributionsforschung ist dabei zu nennen (z. B. low- vs. high-involvement processing). Hierzu habe ich meinem Beitrag nachträglich noch eine zurückliegende eigene Untersuchung zur Anzeigenwirkung (inkl. zugrundeliegender Literatur) beigefügt.

    Michael Pusler