David Archer ist Professor für Ozeanographie an der Universität Chicago und vor allem einer der weltweit führenden Experten des ozeanischen Kohlenstoffzyklus. Er ist Gründungsmitglied von Realclimate, der wichtigsten Webadresse zum Thema Klimawandel. Hier auf Primaklima hatte ich bereits einmal auf einen seiner Vorträge am Perimeter Institute hingewiesen.
Bild 1: David Archer, University of Chicago und Autor von “The Long Thaw”.
David Archer hatte bereits ein allgemeinverständliches Werk zur Physik des Klimawandels geschrieben, welches wohl aus dem Skript einer Anfängervorlesung heraus weiterentwickelt wurde. Schon dieses Buch gefiel mir ausnehmend gut, didaktisch, ohne in den Tick vieler amerikanischer Wissenschaftspublikationen zu verfallen, alles ad infinitum zu wiederholen. (siehe auch hier mit interaktiven Spielmodellen zum Thema Klima).
Sein neues Werk heisst nun “The Long Thaw” (vielleicht “das langandauernde Abtauen”, das ist ein Mist mit den Übersetzungen) und ist, ich sag es gleich, ein kleines Meisterwerk der Wissenschaftsdidaktik. Im Vergleich zu seinem ersten Buch legt er deutlich mehr Gewicht auf die langen Zeitskalen, die der Klimawandel betrifft und die auch meiner Meinung nach, das eigentliche Problem darstellen.
Bild 2: The Long Thaw erklärt die geologische Dimension anthropogener CO2 Emissionen.
Ist das CO2 erstmal in der Atmosphäre, bleibt es da für sehr sehr lange Zeit. Archer zeigt in “The Long Thaw” warum er glaubt, dass das CO2 dort sogar noch länger bleibt, als man gemeinhin so meint. Von der Atmosphäre muss das CO2 durch drei bottlenecks um langsam dem System zu entweichen.
1) Von der Atmosphäre in den Ozean: Im Ozean gelöst, bildet das CO2 erstmal Kohlensäure, H2CO3. Dieses dissoziiert in Karbonat (CO3–)und Bi-Karbonat (HCO3-) Ionen wobei H+ Ionen freigesetzt werden. Mit anderen Worten, das dissoziierte CO2 macht den Ozean sauer, ein keineswegs zu verachtender “Nebeneffekt” des anthropogenen Parforce Ritts mit dem Kohlenstoffzyklus. Die Geschwindigkeit dieses Hereinmischens ist im Wesentlichen gegeben durch die Geschwindigkeit mit der der Ozean der Atmosphäre frisches ungesättigtes Ozeanwasser anbieten kann. Archer gibt eine typische Zeitkonstante von 300 Jahren an.
Bild 3: Das PETM=Paleocene-Eocene Thermal Maximum, ein leider sehr weit entferntes (55Millionen Jahre vor heute), aber doch perfektes Beispiel, was passiert, wenn grosze Mengen CO2 in die Atmosphäre gelangen. Interessant ist nicht nur die Amplitude des durch die geschätzen 5000 GTC verursachten Klimawandels, sondern insbesondere die Zeitskala. Das CO2, das höchstwahrscheinlich viel viel langsamer in die Atmosphäre geriet, als es das heute tut, und somit die Temperatur brauchten mehrere 10.000, wenn nicht 100.000 Jahre um zum Ausgangszustand zurückzukommen. Oben die Sauerstoff-Isotopen forminiferischer Kalkschalen, Indikator ozeanischer Temperaturen. Unten, die Kohlenstoffisotopen, Indikator der riesigen CO2 Flüsse, die zu dieser Zeit in die Atmosphäre gerieten. Der Ursprung dieser CO2 Flüsse bleibt umstritten. Mehr zum PETM in “The Long Thaw”. Bild entnommen Tripati and Elderfield, Science, 2005.
2) Der Ozeanische Puffer: Die Versäuerung des Ozean durch CO2 hat sehr gute Chance einer ganzen Reihe Kalkschalen-bildender Geschöpfe im Ozean den Garaus zu machen, insbesondere Korallen und Coccolitophoren (Plankton). Deren Kalkschalen (CaCO3) gehen in Lösung und neutralisieren so einen Teil der von der Kohlensäure-Dissoziation mobilisierten H+ Ionen. Die rein chemische Reaktion mit dem Karbonatpuffer des ganzen Ozeans wird das atmosphärische CO2 langsam (Gröszenordnung 5000 Jahre) auf irgendwas zwischen 20-40% des ursprünglichen atmosphärischen Wertes herunterbringen.
3) Vom Ozean ins Sediment: Doch das reicht nicht um das CO2 vollständig zu absorbieren. Wir müssen warten bis noch mehr CaCO3 in den Ozean gerät und zwar durch das Auswaschen kontinentalen Gesteins. Diese Reaktion wird gemeinhin fuer die groszen natürlichen Schwankungen des CO2 Gehalts der Atmosphäre über geologische Zeitskalen mit verantwortlich gemacht und solange werden wir dann wohl auch warten müssen. Archer gibt an, dass etwa 10% des einmal in die Atmsphäre entlassenen CO2 praktisch unendlich (Gröszenordnung 100.000 Jahre) in der Atmosphäre verbleiben wird.
Sicher gibt es gerade im letzten Schritt gröszere Unsicherheiten zu berücksichtigen, aber Archer behält Blick auf das Wesentliche. Die Menschheit spielt auf geologischen Zeitskalen mit DEM Schlüsselmolekül unserer Erde, dem Kohlenstoff. “A tiny fraction of the carbon on Earth is living carbon. If the living carbon on Earth were smeared out over the entire surface of the Earth (a grisky thought) it would be just a few millimeters thick. This thin layer og goo is able to accelerate the chemical reactions on the planet to rates thousands of times faster than they would go otherwise. It controls the chemistry and the climate of the surface of the Earth, its atmosphere, oceans, and soils. It aggressively seeks out new chemical reactions to exploit, and has figured out how to harvest light from the star the planet is orbiting. Who would have thought of this?”
Bild 4: Meerespiegel-Änderungen in der Vergangenheit erlauben eine grobe Abschätzung was ein echtes klimatisches Gleichgewicht für den Meeresspiegel bedeuten. Die vom IPCC prognostizierten Änderungen des Meeresspiegels von ein paar Zentmetern bis 2100 sind nur ein Bruchteil der Gleichgewichts-Response.
Von den 5000GigaTonnen, die noch in fossiler Form in der Erdkruste schlummern, wuerden in einem Busyness-as-usual Szenario bis 2100 ca 2000 GTC freigesetzt. Geschwindigkeit und Absolutmenge des freigesetzten Paleo-Kohlenstoffs werden das Schicksal dieses Planeten für die nächsten Jahrtausende mitbestimmen. Während etwa für die nächsten Dekaden der Meeresspiegel-Anstieg fast ausschliesslich von der Ausdehnung des erwärmten Ozeans herrührt (der IPCC gibt max. 50cm bis 2100 an die fast nur Wärmeausdehnung de Ozeans enthalten) ist die langzeitliche (Jahrhunderte und Jahrtausende) Perspektive von den riesigen Eisschilden bestimmt. Die Paläo-perspektive von Archer’s Buch ist unerbittlich. Das letzte Mal, als die Erde im Gleichgewicht mit einem +2°C wärmeren Klima (die +2°C sind ja das optimistische Ziel aller CO2 Reduktionsziele) war, gab es keinen Grönländischen und West-Antarktischen Eisschild und der Meeresspiegel war dutzende Meter höher.
Wer zu all dem mehr erfahren will, muss dieses Buch lesen. Knapper und klarer geht es nicht mehr und ich bin wirklich begeistert über Archers Stil. Sofort kaufen und lesen!
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