Kommen wir nun zum zweiten Teil der Mär vom Meereis. Wir haben im ersten Teil gesehen, dass die Modelle eine gehörige Jahr-zu-Jahr Variabilität erzeugen und dass also Aussagen wie: “Das arktische Meereis 08 liegt deutlich über dem des Jahres 07, somit sei der Trend umgekehrt, ein Umstand, der von den Modellen niemals nicht beschrieben werde” völlig substanzlos sind. Hier wollen wir uns jetzt noch mehr im Detail damit beschäftigen, (1) wie unwahrscheinlich es eigentlich ist, dass man auch in der Phase des deutlichen Meereis-Rückgangs im Laufe eines Jahres sporadisch auf das Niveau der Jahre 78-00 zurückfällt (ein weiterer Klimaskeptiker-Strohmann besagt, dass so etwas im Widerspruch zu den Modellvorhersagen sei), und, (2) was man davon halten kann, wenn in den letzten Jahren die Zuwachsraten des Meereises vom September zum Winter hin Rekordmarken erreichen (ein “offensichtlicher” Widerspruch zu den IPCC Vorhersagen murmelt der Skeptiker-Strohmann).
Bild 1: Die Ausdehnung arktischen Meereises für die Zeitspanne von 2000-2050 in drei Ensemble-Läufen mit dem MPI/ECHAM5 Klimamodells angetrieben vom den Randbedingungen des IPCC A1B Scenarios. Wenn man auf das Bild klickt erscheint das Gleiche für das A2 Scenario.
In Bild 1 sieht man das prognostizierte Verschwinden des Meereises im A1B Scenario. Die Anomalien sind berechnet relativ zu der Klimatologie des Teils I, d.h. dem Mittel der Jahre 78-00. Der negative Trend startet irgendwann in den 2020er Jahren und man sieht ganz gut die enorme simulierte Variabilität. Noch nach dem Jahre 2030 geht’s kurzzeitig zurück auf 0 Anomalie-Niveau. Soweit so gut, der erste Strohmann ist somit schonmal zu Grabe getragen.
Bild 2: Vergleich des simulierten Winter und Sommer-Meereisrückgangs in den drei Ensemble Läufen des A1B Scenarios. Wenn man auf das Bild klickt erscheint das Gleiche für das A2 Scenario.
Eine andere Beobachtung ist aber interessant. Während zu Beginn (die ersten etwa 20 Jahre) der Zeitserie, die Anomalien ohne erkennbares Muster auf und ab meandern, taucht mit zunehmenden Meereisrückgang ab 2020 immer deutlicher ein saisonaler Zyklus auf. Spätestens ab 2030 kann man Jahr für Jahr abzählen. Wo kommt denn das her?
Bild 3: Die saisonale Anwachssrate von September zu März des Meereises aus den Ensembleläufen unter dem A1B Scenario. Zu Beginn nimmt das Meereis jedes ja zwischen 6-7 Millionen zwischen dem arktischen Minimum im September und dem Maximum im Februar zu. Mit dem sich beschleunigenden Rückgang des Sommer-Meereises wird diese Anwachsrate immer stärker. Wenn man auf das Bild klickt erscheint das Gleiche für das A2 Scenario.
Ganz einfach. Das Sommer-Meereis geht deutlich schneller zurück als das Winter-Meereis. Es wird für noch sehr sehr lange Zeit im Winter kalt genug sein, um grosze Teile der Arktis ab November mit Meereis zu bedecken, während im Sommer alle Feedback-Prozesse sich aufaddieren (insbesondere der Meereis-Albedo-Feedback) und dort den Rückgang beschleunigen (siehe Bild 2, das Sommermeereis geht im A1B ungefähr 1 Mill. Km^2 stärker zurück als das Wintermeereis). Konsequenz: Man beginnt einen Jahresgang in den Anomalien, die ja relativ zu einem festen Jahresgang der Jahre 1978-2000 berechnet sind, zu erkennen.
Bild 4: Monatliche Meereisanomalien basierend auf NSIDC Beobachtungen. Man beachte den saisonalen Zyklus am Ende des Rekords (2007/08) und die Rekord-Anwachsraten in denselben Jahren.
Weitere Konsequenz (vollständig trivial): Die Eiszuwachsraten zum Ende des Jahres nehmen zu. Ich habe in Bild 3 einfach die September (Eisminimum) zu Februar (Maximum) Zuwächse aufgetragen, die auf Grund des zunehmenden Jahresgangs natürlich immer grösser werden. Dieser Skeptiker-Strohmann ist also äusserst amusant. Zwei Dinge haben wir also eindeutig in den Modellen als typisches Merkmal des arktischen Meereis-Rückgangs identifiziert: (1) Ein verstärkter Sommer-Meereisrückgang, dadurch bedingt, (2) ein in den Anomalien auftauchender Jahresgang und dadurch logischer Weise (3) Rekordzuwachsraten des Meereises zum Ende des Jahres hin. Sagt das Modell.
Und die Beobachtungen? Bild 4 zeigt, was in den letzten Jahren passierte und dass das dort beobachtete Pattern 07/08 aufs allerschönste auf die Phase des im MPI Modell ca. 20 Jahre verspätet prognostizierten Eisrückgangs passt.
Solltet Ihr also in Zukunft wieder davon lesen, dass das Meereis wieder auf dem Mittel der Jahre xx läge, dass das Meereis wüchse wie nie zuvor, und das natürlich beides klar im Widerspruch zu den Modellen sei: Einfach hierhin verlinken.
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