Bevor es los geht, eine Vorbemerkung. Ich kenne den Iran nicht, überhaupt nicht. Ich habe null Ahnung und auch keine Vorurteile. Halt, vielleicht doch. Ich hatte sechs Jahre Alt-Griechisch auf der Schule und da sind die Perser nicht wirklich gut weggekommen: “Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten ….”. Na, so halt.
Bild 1: Mahmud Ahmadinejad, kommt supersympatisch rüber, in Modefragen immer eine Länge vorraus und führt sein Land entschlossen vom 20ten Jahrhundert in Richtung Frühmittelalter.
Habe ich politisch eine Meinung? Ich glaube, vor 4 Jahren wurde Ahmadinejad noch recht freundlich vom Westen empfangen, mittlerweile ist er die Wiedergeburt des Teufels. Wahrscheinlich ist aber, dass er sich in der Zwischenzeit nicht sonderlich geändert hat und auch vorher schon der widerliche Antisemit war, als der er mittlerweile Gott-sei-Dank verurteilt wird. Die schlimmste Gefahr Ahmadinejads sehe ich aber in der Irreführung der Jugend. Sie wird glauben, man könne vom furchteinflössenden, unsympathischen Aussehen eines Politikers auf seinen Charakter schliessen. Das ist aber nicht so, selbst wenn Ahmadinejad es schafft, seinen desaströsen Ersteindruck durch zu grosze C&A Sackos noch weiter zu ruinieren.
Gut, Tobias hat es bereits thematisiert, es gab den Verdacht, dass die Wahlen im Irak getürkt sind (liegen ja auch sehr nah beieinander, die beiden Länder, höhö). So wurde insbesondere bemerkt, dass das Verhältnis zwischen Ahmadinejad und Mousavi im Laufe der verschiedenen Hochrechnung pappstabil blieben (R2=0.999, das gibt’s eigentlich nicht in der Natur). Erstaunlich, da man ja denken könnte, dass der Iran sozial nicht so homogen ist und ferner die Kunst der Hochrechnung etwas weniger weit entwickelt ist, als sagen wir mal in der Bundesrepublik, wo die verschiedenen Wahlinstitute von einem R^2=0.999 von der ersten zur letzten Hochrechnung nur träumen können.
Ich habe daraufhin mal die Tabelle mit den Wahlergebnissen, die Tobias in seinem Beitrag mitverlinkt hat, hochgeladen und ein wenig genauer angeschaut. Die Wahlregionen sind für mich noch lesbar in der ersten Reihe aufgeführt, der Name der Stadt oder des Bezirks ist dann aber in Persan (spreche ich perfekt, tu mich aber schwer im Lesen) aufgelistet. Da mir die Namen Mühe machen (und R Statistics kann auch nicht Persan), habe ich die Wahlbezirke einfach durchnumeriert (von 1 bis 367) und dann für jeden Bezirk das Stimmverhältnis Mousavi zu Ahmadinejad geplottet (siehe Bild 1). Für meine Begriffe streut das Verhältnis estaunlich wenig. Ausser in drei Regionen ist das Verhältnis 1 zu 2 mit optisch recht wenig Streuung.
Bild 2: Die Wahlergebnisse aus dem Iran aufgetragen für die verschiedenen Provinzen und Bezirke. Das Verhältnis der Mousavi zu Ahmadinejad Stimmen multipliziert mit 100, d.h. alle Punkten unter 100 geben eine Mehrheit für Ahmadinejad an und alle darüber für Mousavi. Die roten Punkte geben die bevölkerungsreichsten Bezirke an (5% Quantile) und die grünen die bevölkerungsärmsten.
Zum Vergleich habe ich mal das Gleiche für die Bundestagswahlen 2005 für Merkel und Schröder gemacht. Stimmt, streut sicher ein bisschen mehr. Der grosze Peak bei den hohen Nummern entspricht Deutschlands Süden, wo die SPD bekanntlich eine exotische Randpartei ist. Ist das nun ein starker Hinweis, dass da im Iran was im argen liegt? Wohl kaum. Soziale/religiöse oder sonstige Hintergründe mögen im Iran sehr verschieden von der Bundesrepublik sein und zu einer stärkeren Homogenität der Wähler führen. Das ist nur eine Möglichkeit und tatsächlich würde ich eher auf das Gegenteil tippen. Erste Diagnose also: Ziemliche Homogenität.
Die iranischen Wahlbezirke sind in Tobias Tabelle ganz und gar nicht von gleicher Gröesze (aus mir unbekannten Gründen). Die kleinsten Bezirke haben um die 16 Tausend Wähler, während die gröszten in Teheran fast eine Millionen umfassen (darauf komme ich später nochmal zurück). Schaun wir doch mall, ob man wenigstens einen klaren Unterschied zwischen sehr kleinen (ruralen?) Bezirken und riesigen Stadtbezirken sehen kann. In rot (grosze Bezirke) und grün (kleine Bezirke) habe ich mal die 5% Quantiles aufgetragen (siehe nochmal Bild1). Zu meiner Überraschung gibt es kaum einen Unterschied. Ich hätte zugegeben angenommen, dass die Streuung der kleinen Bezirke aus rein statistischen Gründen viel grosser. Aber Pustekuchen. Na ja, was weiss ich schon über den iranischen Wähler.
Bild 3: Das Gleiche wie Bild 2 aber für die Bundesrepublik und das Verhältnis der Merkel zu Schröder-Wahlstimmen bei der Wahl 2005 für die 300 deutschen Wahlkreise.
Kommen wir nun zum definitiven Lackmustest auf Wahlbetrug, auf dummen Wahlbetrug, wohlgemerkt. Menschen sind lausige Zahlenerfinder und Random-Number-Generatoren. Warum ist nicht ganz klar, aber wenn wir Zahlen erfinden müssen, haben wir Vorlieben. Der Ockzident mag die 1 und die 3. Die 7 ist auch ganz beliebt, während der Chinese auf die 8 steht. An sich müssten die Ziffern von 0 bis 9 in den Stimmzahlen gleichverteilt sein (so meine erste Vermutung), es müsste je ein Zehntel der benutzten Ziffern eine 1, eine 2 etc. sein. Wenn aber jemand Hand angelegt hätte, tauchen vielleicht einige Ziffern häufiger auf. Keine Ahnung welche Ziffer, das im iranischen Kulturraum sein mag, aber schaun wer mal.
Wir nehmen also mal einfach alle Resultate von Ahmadinejad und Mousavi , zerlegen in Ziffern von 0 bis 9 und schaun mal nach:
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
327 517 447 379 339 328 311 306 316 323
Oups, ganz schön viele 1 dabei. Der statistische Test für solche Probleme heisst Chi-2 Test. Bei 3593 Ziffern und angenommener Gleichverteilung müssten ca. jede Ziffer 360 Mal vorkommen, die 1 kommt aber beachtliche 517 mal vor. Der Chi-2 Wert beträgt 121.8 und um mit 99.99% Sicherheit die Nullhypothese einer Gleichverteilung zurückzuweisen bedarf es lediglich eines Werts von 27.8. Kurz da geht es nicht mit rechten Dingen zu.
Soweit bin ich also gestern vom Abendessen bis zum Bettgehen gekommen. Rasch suchte ich noch die Nummer von Kofi Anan, nein so heisst der ja jetzt gar nicht mehr, von Ban Ki-Moon heraus. Ferner noch die von Liberation und Le Monde. Morgen wird die Bombe platzen. Ahmadinejad, ich hab dich an den Eiern. Der Retter der Demokratie im Zweistromland schlief höchst befriedigt ein.
Doch dann, heute morgen, passierte es. Ich schaute nochmal auf die Tabelle oben und bemerkte mit schlechter werdender Laune, dass die 1 die häufigste, die 2 die zweithäufigste etc sind. Da hätten sich Ahmadinejad’s Anhänger aber grosse Mühe gegeben. Und dann erinnerte ich mich langsam und dunkel an einen Artikel, den ich mal in La Recherche gelesen habe über den etwas kuriosen Umstand, dass in manchen Statistiken zum Börsenmarkt oder zu Bevölkerungsentwicklung immer so oft die Zahl 1 als erste Ziffer auftauchte, als nächstes die 2 usw.. Arrrg: Benfords Law hatte zugeschlagen.
Benfords Law besagt, dass bei ungefähr logarithmisch verteilten Zahlen (die viele typischerweise sehr unterschiedliche Prozesse beschreiben können), die erste Ziffer mit ca. 30% tiger Häufigkeit eine 1, dann mit 18% die 2, dann mit 12% die 3, etc. auftauchen. Warum ist das so? Ich empfehle die Lektüre des verlinkten Wiki-Artikels, es liegt daran, dass bei exponentiellen Wachstum (also Verdoppelung nach einem Zeitschritt T) sich die entsprechenden Zahlen sehr lange zwischen 1 und 2 auf der logarithmischen Skala aufhalten, dann zwischen 2 und 3, usw. Was hat das mit den Wahlergebnissen zu tun? Anscheinend sind die Wahldistrikte im Iran eher historisch/flächentreu verteilt. Es gibt wenige Wahldistrikte mit vielen Wählern (vor allem Teheran), deutlich mehr mittlere und sehr viele schwach bewohnte Bezirke. Nicht exakt logarithmisch, aber doch ungefähr. Würde man das Gleiche mit 1000km2 Quadraten in Deutschland machen, käme das Gleiche heraus. Es liegt im Wesen dessen, wie die Bevölkerung in einem Land verteilt ist.
Die Lösung, um nicht unter die Knute von Benfords Law zu geraten, ist also ganz einfach. Ich entfernte alle ersten Ziffern einer Zahl und machte die selbe Analyse wie oben nocheinmal (es mag intelligentere Methoden geben, aber das ist zumindest mal eine). Und herauskommt:
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
327 292 302 278 270 273 270 272 283 294
Kurz, es hat sich alles in Luft aufgelöst.
Ein paar Schlussbemerkungen und Lehren:
1) Die Beweise scheinen sich doch zu verdichten, dass massiver Wahlbetrug vorgenommen wurde. So berichtete Liberation auf der Online-Titelseite, dass ein Informant die echte Rangfolge der Kandidaten gar mit Mousavi (19 Millionen Stimmen), Mahdi Karoubi (13 Millionen), Ahmadinejad (5.8 Millionen) angegeben hat. Wenn das wahr wäre, dann ist die Fälschung wahrscheinlich weit umfassender als nur eine kleine Kosmetik am Endresultat, dann wären viele Zahlen, die letztlich die Endsummen in Tobias Tabelle bilden, gefälscht worden. Und die Summen gefälschter Zahlen müssen keineswegs mehr ein solch deutliches Signal in der Ziffernverteilung hinterlassen.
2) Eine andere Möglichkeit ist, dass alles was ich hier schreibe, natürlich der internationalen Gemeinschaft der Wahlfälscher bestens bekannt ist. Wenn sie fälschen würden, dann mit allem drum und dran. Man stelle sich eine Runde mit Ahmadinejad und ein paar Mullahs vor, die konspirativ die grosze Fälschung vorbereiteten und in der plötzlich einer hervorplatzt: Vergesst nicht Benfords Law richtig in den Zahlenreihen zu imitieren!
3) Auch wenn man einen ziemlichen Schmarrn verzapft, lernen kann man doch noch was.
PS Und wer noch etwas ernsthaft zum Thema Wahlen im Iran lesen möchte, dem seien diese Posts bei zoonpolitikon empfohlen: Hier und Hier.
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