Ich denke eher nicht, aber es könnte relativ knapp werden. Das ist meine Kurzantwort auf die Titelfrage.
Seit dem Jahr 2000 und insbesondere dem Super El Niño 1998 sind die kontinentalen Temperaturen, insbesondere der Nordhemisphäre, auf einem sehr hohen Niveau geblieben und steigen weiter an. Der globale Temperaturanstieg aber blieb moderat (GISS) oder fast Null (HadCRU). Die bekannten leichten Unterschiede in der Berechnung der globalen Mitteltemperatur zwischen GISS und HadCRU führte dazu, dass etwa Phil Jones und das HadCRU nachwievor 1998 als wärmstes Jahr führen, während das GISS das global wärmste Jahr 2005 sieht. Was jeweils für den nächsten globalen Rekordbrecher fehlte, waren im wesentlichen hohe Temperaturen in den Tropen.
Seit mittlerweile einigen Wochen stehen fast alle Modelle und nun auch alle beobachteten Indikatoren auf “El Niño”. Diese gröszte natürliche Klimaschwankung variiert zwischen Warmbedingungen (Niño) und Kaltbedingungen (Niña) auf einer typischen Zeitskala von 3-5 Jahren. Bild 1 zeigt die aktuellen Temperaturbedingungen im tropischen Pazifik, die recht eng an den Äquator angeschmiegten Temperaturanomalien gehen momentan bis etwas über +1°C.
Bild 1: Temperaturanomalien im tropischen Pazifik zu Beginn des Monats Juli.
Um die Stärke und den Verlauf eines El Niño’s zu bemessen, wurden verschiedenen Regionen längs des Äquators abgesteckt, die so schöne Namen tragen wie Niño3,Niño3.4, Niño 1+2 etc.. Alle diese Temperaturindices stehen momentan auf Niño (siehe Bild 2).
Bild 2: Niño Indices im Laufe der letzten Monate
Für den weiteren Verlauf des El Niño Ereignisses wird es wichtig sein, wieviel warmes Wasser unter der Oberfläche in der so genannten Thermokline darauf wartet, an der Oberfläche aufzutauchen. Während eines Niño Events schwächen sich die Passatwinde deutlich ab, was zu einem Absinken der ozeanischen Sprungschicht im Ostpazifik führt und relativ warmes Wasser aus dem Westen im Ostpazifik an die Oberfläche bringt. Offensichtlich ist der Ostpazifik bereits auf dem Niveau der Thermokline anomal warm (Bild 3), was eine kontinuierliche Fortsetzung der Niño-Bedingungen zumindest für die nächsten Monate garantiert.
Bild 3: Temperaturanomalien im Profil über dem tropischen Pazifik.
Praktisch alle mittelfristigen Vorhersagen deuten auf ein Fortsezung und vollen Entwicklung eines moderaten bis normalen Niños, einige sogar auf einen starken, d.h. mit Temperaturanomalien mit > +1.5°C für die Niño 3.4 Region.
Bild 4: Vorraussagen verschiedener Modelle für den Niño3.4 Index.
Was bedeutet das alles für die globalen Temperaturen? Ich beziehe mich jetzt mal immer auf die GISS Temperaturen. Das Jahr 2009 liegt bislang bei einer Temperaturanomalie von +0.515°C (also Jan-Jun 09). Der Rekordhalter 2005 war nicht wirklich ein Niño Jahr und liegt im Jahresmittel bei +0.628°C. Bis zur Jahresmitte, also Juni 2005, lagen wir bei 0.615°C, das heisst +0.1°C über 2009. Um noch in diesem Jahr einen neuen Rekordhalter zu bekommen, müsste man die restlichen 6 Monate des Jahres 2005, die bei +0.64°C (also Jul-Dec 05) lagen, um mindestens +0.1°C übertreffen. Ein Sechs-Monatsmittel von +0.74°C ist zwar nicht unmöglich (der Monat Juni etwa liegt bei +0.63°C), aber alles in allem doch eher unwahrscheinlich. Sollte eine “normaler” Niño sich konstant durch den Winter 09/10 ziehen und der nächste Sonnenzyklus anziehen (immer für etwa ±0.1°C gut), dann ist eher das Jahr 2010 ein guter Kandidat für den nächsten Rekordbrecher.
Auf Realclimate, bei Tamino und James Annan gab es Diskussionen, ob man denn nun für die letzten Jahre eine Extra-Erklärung brauche um die relative Stagnation der Temperaturen seit ca. einer Dekade zu erklären. Kyle Swanson meint z.B., dass es seine Art Synchronisierung verschiedener Atmosphärisch-Ozeanischer Oszillationen gäbe (El Niño ist nur eine von mehreren, siehe etwa hier und hier meine Anmerkungen zur PDO), die die forcierte Klimaentwicklung, also den durch etwa den Treibhausgasanstieg verursachten Anteil des Klimas, mal über Dekaden schneller und mal langsamer ablaufen lasse. Wie die meisten Kommentatoren (Tamino, Annan) sehe ich nicht wirklich einen Erklärungsbedarf für die aktuelle Temperaturentwicklung. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass der sich entwickelnde Niño 09/10 zumindest mal diese Diskussion zum Ende bringen wird.
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