Nicolas Scafetta und Bruce West sind zwei Physiker der Duke University, die vor kurzen erst ihren Eingang in die climate wars fanden. Beide arbeiten hauptsächlich an der Analyse nicht-linearer Dynamik komplexer Systeme, und das in ganz allgemeiner und abstrakter Art und Weise. Hört sich auf jeden Fall spannend an und ich kann dazu uberhaupt nichts sagen.
Seit einiger Zeit veröffentlichen die beiden nun zum Thema Sonne und Klima, wobei Sie meist zu einer deutlich höheren Abschätzung des Einfluss der Sonne auf die Klimaentwicklung im 20ten Jhd. kamen als die grosze Mehrheit der Autoren. Ich will die Diskussion gar nicht hier im Ganzen nacherzählen und jeder mag selber einmal nachschauen was Scafetta und West meinten (hier und hier und hier und hier und hier) und die Klima-Community darauf antwortete (hier und hier und hier und hier und hier und hier und erst jüngst hier). Einige der Links sind ebenfalls in der peer reviewten Wissenschaft erschienene “Comments on”-Erwiderungen auf Scafetta und West. Insbesondere ihre statistische “Beweise”, des EInflusses der Sonne aufs Klima sind eindeutig falsch (siehe Benestad/Schmidt ).
Bild 1: Von Satelliten beobachtete Entwicklung der Total Solar Irradiance nach Krivova/Solanki/Wenzler. Details beim Zusammenfügen der beiden Satellitendatensätze, ob ein homoeopathischer Trend erkennbar ist oder nicht.
Eine kleine Episode in dieser meist relativ wissenschaftlich gehaltenen Diskussion erscheint mir aber doch zunehmend bizarr und sei kurz im Detail erzählt. Im März 2008 hatten die beiden ein opinion piece in Physics Today. Ich kann über das Paper eigentlich nichts Gutes und nichts Schlechtes sagen. Es ist mir schlicht völlig unverständlich. Wenn hier jemand Experte in “komplexe Systeme” ist, bin ich wirklich an einer Expertenmeinung interessiert. Ich hoffe, es reicht wenigstens dazu, einigermaszen korrekt zu paraphrasieren, was die beiden da schreiben. Im Grossen und Ganzen scheinen Scafetta und West einerseits zuzugeben, dass, wenn man sich “nur” die Variationen der solaren Stärke anschaut, recht wenig von der globalen Erwärmung für die Sonne übrig bleibt. Aber (irgendwie) seien alle Variationen der Erdtemperatur bedeutungsvoll. So sagen sie explizit, es gäbe keinen Klimanoise :
Our conclusions depart from those of the GCM simulations. We maintain that the variations in Earth’s temperature are not noise, but contain substantial information about the source of variability,
und wenn man sich die Spektren der Variationen der Solar Irradiance (TSI) und die der globalen Temperatur anschaue, sei klar:
Establishing this direct connection between the complex dynamics of the Sun and Earth requires a new kind of linking–one associated with the transfer of information between complex networks, even when the linking is extremely weak, as it is in the Sun-Earth network.
Ich geb zu, dass klingt für mich wie Neusprech (Sun-Earth network?), aber ich gebe auch zu: Keine Ahnung. Witzig ist sicher, dass die in Sachen Klimawandel pseudoskeptisch veranlagten Webseiten zwar irgendwie verstanden haben, dass Scafetta und West Beitrag gegen das böse IPCC Establishment geht, aber auch, dass es so unverständlich ist, dass man vielleicht nicht zu laut jubeln sollte (sie hier bei CO2Science).
In einer Entgegnung haben nun drei IPCC Grosskopferte (Phlipp Duffy, Direktor in Palo Alto, Ben Santer und Tom Wigley), sich des Opinion piece nochmals angenommen, haben den ganzen “complexity transfer” Sermon unbeachtet gelassen (nach dem Motto, der Kaiser ist nackt) und auf die Basics hingewiesen: Nein, die solare Aktivität zeigt nicht den geringsten Trend in den letzten Jahrzehnten, also kein signifikanter Beitrag zu Temperaturerhöhung; Nein, die stratosphärische Abkühlung passt nicht zu einem solaren Signal sondern nur zum Wirken der Treibhausgase; “Complexity matching” hin oder her, der Anstieg der ozeanischen Temperaturen über einige Dekaden ist keine “increasing complexity” (whatever that is), sondern eine Frage der good old Energieerhaltung. Alles so Zeugs, was man ja hier auf Primaklima auch schon oft nachlesen konnte.
In der letzten Ausgabe von Physics Today gab es dann noch einen wahrscheinlich letzten Austausch von Argumenten. Und da habe ich doch das erste Mal den Eindruck, dass Scafetta/West ein wenig den Boden unter den Füssen verlieren:
The glacial epochs were induced by small changes in the redistribution of sunlight due to the Milankovitch astronomical cycles – variations in the eccentricity, obliquity and precession of Earth’s orbit; that fact suggests significant climate sensititivity to changes in TSI inputs.
Bei meinen Streifzügen im Internet bin jetzt schon mehrmals der völlig falschen Idee begegnet, dass man aus den Milankovitch Zyklen erstens eine Aussage über die wichtige Rolle der Sonne, eben auch während der letzten 50 Jahre, fallen könne und dass doch in diesen Milankovitch Zyklen irgendwelche winzigen Schwankungen stattgefunden hätten, die eben so winzig sind wie z.B. die heutigen Schwankungen.
Zuerst einmal: Wie winzig sind die heutigen Schwankungen? Tatsächlich sind Sie so winzig, dass die Mehrheit der Beteiligten von absolut gar keinem TSI Trend in den letzten Jahren ausgeht. Scafetta hat in Zusammenarbeit mit Richard Willson die beiden Satellitendatensätze so zusammengefügt, dass ein winziger Trend über die letzten 30 Jahre verbleibt, so winzig, dass man die verschiedenen Datensätze mit dem Auge sicher nicht unterscheiden kann. Eine brandneue Veröffentlichung der Gruppe um Sami Solanki meint, dass sei nicht die richtige Methode, Löcher in Satellitendatensätzen zu füllen. So oder so, wir sprechen von nichtmals 1W/m2 Trend im TSI (d.h. nichtmals 0.2W/m2 Top Of the Atmosphere).
Man vergleiche diese Zahlen mal mit dem Milankovitch Forcing. Während er in seiner Gefängniszelle in Belgrad als Kriegsgefangener der österreichischen k.u.k. Truppen einsass, rechnete er per Hand einerseits aus, wieviel Strahlung zu welcher Jahreszeit und welchem Breitenkreis einfiel, er entwickelte eben auch eine Idee, wieso bestimmte
Jahreszeiten und bestimmte Breitenkreise eben wichtiger sind als andere. Verschwindet dank starker Sommereinstrahlung in hohen nördlichen Breiten der Schnee vollständig, so sorgt eine Rückkopplung über die Albedo (der Boden wird dunkler und absorbiert mehr Wärme) dafür, dass sich diese Breiten dauerhaft erwärmen (und umgekehrt, kann die Sonne den Winterschnee nicht wegschmelzen, gibt es eine Rückkoppelung Richtung kälterer Bedingungen). Nun vergleichen also Scafetta/West in ihrer Antwort in Physics Today den TSI Trend, der wahrscheinlich nichtmals existiert, mit diesem Milankovitch Forcing. Wie also sieht das aus? Es müsste ja von ungefähr gleicher Grössenordnung sein, wenn sich daraus irgendein Vergleich ableiten liesse.
Bild 2: Sommer-(Jun-Sep)-einstrahlung auf 65°N über die letzten 1 Millionen Jahre hin.
Bild 2 gibt Auskunft. Es zeigt die Sommereinstrahlung (Jun-Sep) 65°N über die letzten 1 Millionen Jahre. Ohne jetzt die verschiedenen Komponenten der Exzentrizität, Erdachsenschräge (oder Obliquity) und der Präzession weiter analysieren zu wollen, diskutieren wir also Variationen in der Grössenordnung von 30-70W/m2, riesige Variationen und nicht im mindesten vergleichbar mit den winzigen TSI Zuckungen der letzten Jahre. Was sich Scafetta/West dabei gedacht haben? Keine Ahnung. “Complexity Transfer” may be.
Aber es kommt noch besser. Die Schwankungen der Treibhausgase während der Eiszeiten seien nicht von Menschen verursacht worden (hört, hört) und daher:
That fact contradicts the assumption implicit in all climate models adopted in the IPCC report 2007, that only humans can modify greenhouse gas concentrations.
Was soll man sagen? Neither implicit, nor explicit. Ein 100% Windei unglaublichen Ausmaszes für einen Wissenschaftler in einem anerkannten Journal. Da fällt dann kaum mehr auf, dass sie allen Ernstes den vom Heartland Institut (ein nach Selbstbeschreibung politische Lobby Gruppe neoliberaler Vorstellungen) herausgegebenen NIPCC Bericht von Craig Idso und Fred-Rauchen-ist-gesund-Singer als Zitat angeben. Da könnte ich demnächst auch meinen Vater als ZItat bringen: Der sagt auch immer, dass das Wetter nicht mehr das ist, was es mal war.
Kommentare (3)