Es gab eine Reihe sehr ernsthafter Bewerbungen für den Klimaschmock des Monats im Dezember. Jörg hat einige der Einsendungen vorsortiert und ordentlich Werbung für die verschiedenen Kandidaten betrieben. Auch auf internationaler Ebene gab es sehr hoffnungsvolle Präsentationen beim Casting. Insbesondere die TV-Wetteransager hielt es kaum noch vor ihren Karten und so bekommt man von Donald Bäcker jetzt zusammen mit dem Islandtief und seinen Ausläufern auch eine zwei Minuten Analyse zum Klimageschehen geliefert, die der klimaskeptische Teil der Menschheit als “mutig” feiert und der eher naturwissenschaftlich-physikalische Teil als etwas fragwürdig empfindet.
Trotzdem konnte auf der Zielgerade dann doch noch ganz klar die “Reductio ad Hitlerum” respective “Reductio ad Stalinensis” einen allseits gefeierten Sieg erringen. Hier noch einmal Godwins Law im Original: “As an online discussion grows longer, the probability of a comparison involving Nazis or Hitler approaches 1.”
Bild 1: Nur notdürftig durch einen Bart getarnt, erklärt Stefan Rahmstorf hier, wie die Klimaguerilla agieren wird. Krieg den Kohlekraftwerken, Friede den Solarzellen!
In der Klimadiskussion ist dieses Vorgehen an sich ein alter Hut, wir leben aber in der Zeit des Recyclings und so muss die ewig gleiche “Ihr-seid-alle-Nazis/Stalinisten-Sauce” immer und immer wieder aufgewärmt werden: Wer sich für Reduktionen von CO2 Emissionen ausspricht, ist ein Klima-Nazi. Wer meint, dass das infrarote Absorptionsvermögen von mehratomigen Molekülen hinreichend bekannt ist, ist ein Klima-Faschist. Wer aus theoretischen und empirischen Überlegungen meint, man könne die Klimasensitivität abschätzen, gehört zur Klima-SS. Wer gar meint, dass eine Vita, wie die von Fred Singer, in der der Betreffende ohne die geringste Expertise in der entsprechenden Materie erst vom sicher unschädlichen Einfluss von FCKWs aufs Ozonloch und dann vom sicher nicht-existierenden Einfluss von Tabak auf so etwas wie Lungenkrebs schwadroniert, einem nicht wirklich Vertrauen einflösst, wenn dann auch noch der sicher nicht-existierende Einfluss von Treibhausgasen aufs Klima hinzugefügt wird, der ist eben ein Klima-Stalinist. Und so weiter, und so fort. Wer auch immer meint, es gäbe Erkenntnisse, hinter die man nicht mehr unnötig und freiwillig zurückfallen sollte, der ist eben ein “-ist”, entweder Fasch-, Kommun- oder Totalitar-ist. Oder noch einfacher, man schmiert dieses Schildchen gleich an einfach jedem an den Hut, dessen Meinung einem nicht passt.
Gemäss diesem bereits bei Thilo diskutierten Artikel, muss das PIK und überhaupt die Klimaforschung jetzt vom Verfassungsschutz (oder auch hier bei Jörg Zimmermann) beobachtet werden. Mehrheitlich hätten sich Klimaforscher am PIK vom Boden der FDGO abgehoben und basteln an einer Klimadiktatur. Klimaforscher-Milizen besorgen sich automatische Waffen, heben heimlich die Gräben aus, an denen die widerständigen Reste der bisherigen Regierung fusiliert werden, und verteilen die Posten in der zukünftigen Regierung (man hat mir die Stelle des 2ten Staatsekretärs im Umweltministerium angeboten, ich poker aber noch). Beleg dafür: Ein Mediziner und ein Rechtsanwalt haben mal was gegen die Demokratie gesagt und ausserdem redet der Schellnhuber immer von der “grossen Transformation”. Ob er damit eher an die steuerliche Vergünstigung von Doppelverglasungen oder an die Einführung von Arbeitslagern denkt, ist nicht ganz klar, im Zweifelsfall kann man aber mal eine faschistische Grundeinstellung vermuten.
Bild 2: Hans-Joachim Schellnhuber erläutert bei der letzten Betriebsratsitzung des PIK sein drei Punkte Programm: 1) Machtübernahme in den nächsten 24 Monaten 2) Reduzierung der Weltbevölkerung um 95% relativ zum Stand von 1998. 3) Er und seine Söhne werden für die nächsten 200 Jahre die Welt regieren. Beweis für diese auf den ersten Blick überraschende Agenda: Er hat das Wort “grosse Transformation” benutzt.
(PS. Das urspünglich hier befindliche Bild von HJ Schellnhuber wurde auf Anraten/Bitten der Pressestelle des PIK ausgetauscht).
Den Vogel schiesst aber definitiv Werner Krauss in einem Beitrag auf der Klimazwiebel ab. Aus was weiss ich nicht welchen Gründen (sowas ähnliches wie “Ich weiss auch was” könnte gut ein Grund sein), wird zuerst eine mehr als gequälte Verbindung zu den Science Wars der 90er gesucht. Es ging damals im Wesentlichen darum, ob es so etwas wie wissenschaftliche, reine Fakten eigentlich gäbe oder ob schlicht alles was wir so betreiben, von Fermats Vermutung bis zu linksdrehenden Milchsäuren, “nur” ein ephemeres Produkt einer mittelgroszen Lebensform auf einem mittelgroszen Planeten in der “habitable zone” eines G2V Sterns ist. Es sei hier auch nur am Rande erwähnt, dass sich die Erkenntnisphilosophie bei dem damaligen Streit unter anderem den zum herzlichen Gelächter Anlass gebenden Vorwurf gefallen lassen musste, dass sie des öfteren nicht so recht weiss, wovon sie spricht, wenn sie Ausdrücke der Naturwissenschaften durch den Wolf dreht.
Bild 3: Von links nach rechts: Stefan Rahmstorf, Hans-Joachim Schellnhuber und Mojib Latif auf dem deutschen Klimatag 2004. Mojib Latif wurde später von den Konferenzbildern entfernt, da eine seiner Simulationen zu schwache Erwärmung gezeigt hatte. Tja, so geht das bei den Klimastalinisten.
Was hat, Was könnte das Thema mit dem Klimawandel und seiner politischen Verarbeitung zu tun haben? Was könnte ein erkenntnistheoretisches Problem (Nehmen wir die Dinge wirklich wahr oder beschreiben wir nur ein von uns verschwommen wahrgenommenenen Schatten der Dinge an sich?), das seit Platons Höhlengleichnis einen sooooolchen Bart hat, damit zu tun haben, wie die aktuelle Klimadebatte abläuft? Keine Fangfrage, die Antwort ist: Absolut Nichts. Der Werner Krauss aber meint: doch, doch, das ist irgendwie das Gleiche und dann folgt das in Bronze zu giessende gemeinsame Band zwischen denen, die meinen dass die Naturwissenschaften die “Dinge an sich” beschreiben und ein Periodensystem in Beteigeuze ähnlich aussehe wie das auf Erden, und denen, die meinen, es handele sich beim Klimawandel und seinen Ursachen um ein wissenschaftliches Fakt:
the hardcore climatologists resemble Stalinists (sometimes you have to lie to the people in order to make them do the right thing), while the constructivists resemble social democrats (political negotiation instead of war).
Aehhh. Bitte? Also Klimatologen und insbesondere deren Hardcore Vertreter (Wasndasn?) sind Stalinisten und Konstruktivisten sind Sozialdemokraten? Welchen von den 4 Worten und Begriffen wird in diesem Satz mehr Unrecht getan, den Sozialdemokraten, den Stalinisten, den Konstruktivisten oder den Klimatologen? Würde der Satz sinnvoller, wenn man einfach die Begriffspaare zufällig anders zusammenwürfelt?
Z.B. : “The hardcore constructivist resemble climatologist (sometime you have to be constructive in order to construct something) and the social democrats resemble Stalinists”. So scheint der letztere Teil der bizarren Analogie ein wenig weniger wirr, zumindest hat man das doch schon mal in den 60ern von Kiesinger und Adenauer gehört. Weitere Permutationen müssen noch kritisch geprüft werden. Die ganze Idee, einfach auf Teufel-komm-raus irgendwelche naturwissenschaftlichen und/oder philosophischen Meinungen mit politischen Bewegungen gleichzusetzen, sollte aber wohlwollend im Auge behalten werden. Nur mal als erster Versuch: Der erste Hauptsatz und die klassische deterministische (sic!) Mechanik sind klar diktatorisch, ohne aber direkt ein Schreckensregime zu organisieren. Vielleicht entsprechen sie eher der Breschnew Ära der Sowjetunion. Der zweite Hauptsatz schreibt hingegen vor, wo’s lang geht (von unwahrscheinlicheren zu immer wahrscheinlicheren Zuständen) und das hat schon was Faschistisches. Hingegen ist die ganze Festkörperphysik und weite Teile der angewandten Mathematik irgendwie sehr common sense und entspräche in etwa dem Arbeitnehmerflügel der CDU. Je länger ich drüber nachdenke, umso mehr muss ich anerkennen, dass wir da vielleicht einen ganz neuen Ansatz im Verhältnis zwischen Geistes- und Naturwissenschaften erleben durften. Natürlich soll so ein kleiner Stalinismus Vergleich nur zum Nachdenken anregen und reiht sich in seiner ganzen Nachdenklichkeit doch perfekt in eine fast endlose Liste von Webseiten (etwa hier oder hier unter unzähligen) ein, die das Wort “Klima” praktisch nicht mehr ohne sein Suffix “-faschismus” denken können. Bleibt also sicher die an den Klimaschmock des Monats Dezembers zu richtende Frage, warum da Leute, die sicher meistens keine Probleme beim Nachdenken haben, so ein Zeug verzapfen müssen.
PS Normalerweise wird jeder bei mir sofort verwarnt und dann gesperrt, wenn er hier mit Nazi-Vergleichen daherkommt. Ich bleibe der festen Überzeugung, dass man den veränderten Strahlungstransport durch die Atmophäre und seine Konsequenzen diskutieren kann, ohne auch nur in die Sichtweite des dritten Reichs respektive des Stalinschen Gulags zu kommen. Heute machen wir es mal umgekehrt. Jeder Beitrag ohne einen unsinnigen an den Haaren herbeigezogenen “ismus” Vergleich, wird gnadenlos gestrichen. Also reisst euch zusammen.
PPS Und wie halte ich es mit der Demokratie und dem Klimawandel? Meine ich vielleicht auch, alter Klimabolschewik, der ich bin, dass die Demokratie der Reduktion der CO2 Emissionen im Wege steht. Die Antwort scheint mir offensichtlich. Kann sein, kann auch nicht sein. Ob ein in den sozialen Auseinandersetzungen des 19ten und 20ten Jahrhundert herangereiftes politisches System wie die heutige Form der politischen Demokratie auf neue und relativ grosse Herausforderungen angemessen reagieren kann, hängt von 100erten von Unwägbarkeiten ab. Dass sie es sicher können wird, scheint mir nicht klar. Das gleiche gilt übrigens für jede andere aktuell auf der Erde existierende Regierungsform, von der nordkoreanischen Personenkultdiktatur, der chinesischen Oligarchie zu Formen arabischen Tribalismus. Es gibt bislang praktisch keinen Unterschied zwischen einem mit den Menschenrechten über Kreuz liegenden China und den Verteidigern der Demokratie, den USA, bezüglich der tatsächlich ergriffenen Massnahmen zur CO2 Reduktion. Und warum sollte es? Jared Diamond, der hier auch als potentieller Demokratiefeind bezeichnet wird, sagt genau das. Ob oder ob nicht ein politisches System Umweltschutz betreibt oder so etwas wie langfristigen Klimaschutz hat mit vielen Faktoren zu tun (nämlich welche Vor- oder Nachteile die jeweiligen Eliten aus solchen Massnahmen erhoffen oder befürchten), aber nur sehr wenig oder rein gar nichts mit dem Stand der Menschenrechte oder der genauen Regierungsform. Schade, aber so ist das nunmal. Insbesondere sei ein Blick auf die prognostizierte Klimaentwicklung der nächsten 50 Jahre gemäss der im IPCC veröffentlichten Ergebnisse gestattet. Zwischen einem Business-as-usual Scenario und dem einer “grossen Transformation” à la H-J Schellnhuber gibt es auf der Skala einer bis zweier Generationen praktisch keinen Unterschied. Was ist der Vorteil klimaschützender Massnahmen für eine Regierung Merkel oder eine Regierung Jiabao?
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