Die PCF, die Parti Communiste Francais, hat ihre besten Zeiten sehr sehr lange hinter sich gelassen. Sie lagen noch in den 70ern unter dem mittlerweile legendären Betonkopf Georges Marchais (hier ein Klassiker des frz. Fernsehens, in dem Marchais einen Journalisten zusammenfaltet wie in Deutschland noch nie einer zusammen gefaltet wurde: Taisez-vous Elkkabach ) bei 20% und liegen mittlerweile unter 2%. Ihre härtesten Konkurrenten um die Wählergunst sind agressivere und vor allem jüngere Gruppierungen, die in den klassischen Hochburgen der PCF in den Banlieus der französischen Grossstädte wildern. Trotzdem bekommen sie immerhin noch zwei Dinge wirklich gut hin. Sie geben nachwievor eine grosse und durchaus ausserhalb der “Gemeinde” gelesene Tageszeitung heraus: L’Humanité. Und sie organisieren seit einer gefühlten Ewigkeit jedes Jahr die Fête de l’Humanité. In einem Park im Norden Paris (La Courneuve) wird für kleines Eintrittsgeld ein Zeltfest mit Konzerten, Diskussionen und Grillfleisch gefeiert.
Bild 1: Monsieur Hoffmann, wann kommt denn endlisch die Katastropheee?
Nun wollen auch die alten Kommunisten ein wenig Öko werden und sorgen sich um die Luftqualität und so Zeug, was doch eigentlich der Bourgeoisie vorbehalten war. So wurde ich von der “Humanité” eingeladen auf der legendären “Fête de l’huma”, ein paar Worte zur Wissenschaft zu sagen. Bevor ich dran war, gab es noch eine Diskussion mit ein paar Stars der linken Szene und das Zelt war gut besucht. Am Ende schleppten sich einige 70 Jährige ans Mikrofon, um etwas zu fragen. Statt sowas Langweiliges zu tun wie Fragenstellen, hielt jeder eine kurze Rede und rief zur Revolution und Solidarität auf. Das hatte, so gestrig und wackelig es daher kam, doch etwas Rührendes und Wahrhaftiges, gerade in Zeiten, in denen grosszügig ganze Bevölkerungsteile aufgrund genetischer Zweitklassigkeit zur Emigration “überredet” werden sollen.
Bild 2: Liebe Genossen, ein Bayesian approach zur Abschätzung der Klimasensitivität Lambda ergab, dass die Revolution erst in 20 Jahren losgehen kann.
Anyhow, direkt nach einer flammenden Rede eines 80 jährigen, der durchblicken liess, dass er jederzeit notfalls zum bewaffneten Kampf bereit sei, stackste ich also bermudahosig auf die Bühne. NIEMALS sollte man vor mehr als zehn Personen in kurzen Hosen auftreten. Zumindest nicht, wenn man irgendwie ernstgenommen werden möchte. Die Internationale blieb aber am Ball und lauschte meinen Ausführungen zu Klimasensitivität und radiativen Forcing. Kein Wunder. Wer sich die Marx und Engels Gesamtausgabe reingepfiffen hat, lässt sich doch nicht von ein paar unverständlichen Ausdrücken von einem Bermudahosenträger aus der Fassung bringen.
Was waren die Fragen der Humanité Journalistin?
Woher wissen wir, dass der Mensch das Klima ändert?
Antwort: Oberflächentemperaturen, Satellitenbeobachtungen, Verständnis der Physik der Treibhaugase und Paleo.
Was halt ich von den Argumenten der Klimaskeptiker (d.h. in Frankreich immer Claude Allegre)?
Antwort: Nichts.
Gab es eine Verschwörung zur Diskreditierung der Klimawissenschaften vor Kopenhagen?
Antwort: Blödsinn.
Wie kommt man auf die 2°C Zielsetzung?
Antwort: Pi mal Daumen und per politischen Kompromiss (Unruhe kam auf).
Was sind die Konsequenzen der Klimaänderung in der dritten Welt? Antwort: a) Weiss ich nicht. b) Ist ziemlich unsicher c) Könnten regional auch mal positiv sein.
Bild 3: Mein Vortrag war recht gut besucht. Kurz danach haben sich die Massen aber schnell verflüchtigt. Es bestand recht wenig Interesse noch The Prodigy zu hören. Die Zuhörer waren emotional schon völlig leer gepumpt von meinen “fetten” Ausführungen. Yoooo.
Und fertig. Danach bin ich mit meiner Ältesten übers Festival geschlendert. Wahrscheinlich war das das erste Mal, dass sie freiwillig zu einem Vortrag von mir mitgekommen ist. Schliesslich sind wir ja gratis reingekommen! Jede PCF Unterabteilung, also PCF Toulouse Süd, PCF Le Havre, PCF Paris 12 Arrendissement, usw. hat ein Zelt errichtet und bot jeweils Musik, Getränke und meist auch Gerichte aus der Region an. Aber wir sind ja bei der “Internationale” und deswegen gibt es die Kommunisten aus Bolivien (kleines Zelt und Maiskolben), die Kommunisten aus Venezuela (riesiges Zelt, Ochsen am Spiess, es lebe Chavez!), die Kommunisten (?) aus Irland (Sinn Fein, ich dachte immer, die würden gesucht und kommen dann alle in den Knast?), 20 verschiedene kommunistische Unabhängigkeitsorganisationen für Kurdistan (hassen sich vermutlich alle gegenseitig), und, tatatata, deutsche Kommunisten: Die Linke war da (siehe Fotos) und zwar aus ganz Deutschland! Thüringen, Sachsen, Brandenburg, alle eben. Sie hatten viel mitgebracht. Deutsche Schlager und deutsches Bier. Der Franzose war zuerst irritiert, die sensationelle Qualität und der sensationelle Preis einer kleinen Thüringischen Privatbrauerei haben dann aber gewisse Mängel bei der musikalischen Begleitung vergessen machen. Die Schlange ging bis zum Zelt der algerischen Kommunisten.
Bild 4: Kommunisten aus ganz Deutschland (Thüringen, Sachsen und Brandenburg) brachten mir armen Exil-Deutschen hinreissende schöne Schlager aus den 70ern (?) und echtes Bier (in Frankreich leider nicht käuflich zu erwerben) mit.
Nun sind zwar alle Kommunisten, aber es sind auch französische Kommunisten. Kurz das Essen muss schon ok sein, bevor die Revolution durchgezogen wird. So gab es Austern und Meeresfrüchte, Champagner und einen Grand Cru aus dem Bordeaux. Es fehlten nur Zigarren und Kaviar um den Klassenfeind endgültig in die Knie zu zwingen.
Bild 5: Die PCF aus Reims vertrieb Champagner. “Gegen die Immobilienblase und für die Bläschen der Solidarität im Champagner” propagiert die Banderole. Vielleicht klappt es ja doch noch mit dem Kommunismus?
Bild 6: Sich Sarkozy widersetzen und Hoffnung erzeugen! Die PCF aus Rungis vertrieb Austern und erlesene Meeresfrüchte mit einem Pouilly Fumet Fumé zu fantastischen Preise. Rungis ist der grösster Lebensmittelmarkt Europas im Süden von Paris. Na, ob da mal nicht ein paar Austern vom LKW gefallen sind?
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