Frankreich ist Kinoland. Würde Frau Merkel sagen, dass sie gerne ins Kino geht, würde man an heitere Komödien und vielleicht “Das Leben der anderen” denken. In Frankreich ist Kino Kultur. Punkt. Wer nicht ins Kino geht, der liest auch nicht und hat keine Ahnung von Theater: Kurz, er spielt nicht mit den groszen Jungs und Mädchen.
Der Unterschied zu Deutschland geht noch weiter. Tatsächlich gewönne Frau Merkel absolut nichts, würde sie in einer PR Masznahme darauf hinweisen, dass Sie “La Strada” bewundert oder den dänischen Dogma 95 Stil für eine wichtige Erweiterung der filmischen Ausdrucksmöglichkeiten hält. Ein deutscher Kanzler sollte näher am Volke sein (ich sag nur Saumagen) und vor allem nicht zu sehr den Kulturmenschen heraushängen lassen.
Foto: Nicolas und Carla, beide stehend. Im Hintergrund eine Uhr.
In Frankreich gehören die Intellektuellen zur Dekoration des Präsidentenamtes, wie die Kronleuchter in den Elyseepalast. Der durch seine UNO Rede gegen die letzte Irak-Intervention bekanntgewordene Dominique de Villepin (das “de” hat er sich dazu gekauft) hat neben seiner sicher nicht ganz ausfüllenden Arbeit als frz. Aussenminister eine mehrere hundert Seiten umfassende Arbeit zu den letzten Tagen Napoleons verfasst, Luc Ferry ist ein sehr erfolgreicher Philosoph und Buchautor und war nebenbei Minister für Erziehung und Bildung. Mitterand hat sich mit einem Strauss von Intellektuellen umgeben, dass man bald gar nicht mehr wusste, ob das Kabinet tagte oder ein Oberseminar abgehalten wurde. Ich behaupte mal, dass all diese “Extravaganzen” ein deutscher Kanzler nicht überstehen würde.
Nicolas Sarkozy ou Monsieur Cinéma ?
envoyé par guybirenbaum. – L’info internationale vidéo.
Video: Nicolas Sarkozy rattert alle Namen des europäischen Autorenkinos runter und macht Geräusche dazu, was er an Ihnen so bewundert. Bergmann? C’est magnifique mais c’est lourd, hein?
Sarkozy kam unter anderem deshalb ganz gut an, weil er trotz allem Blingbling irgendwie erdverbundener wirkte als die ENA-Abgänger und Lichtfiguren. Nun wollte er aber auch mal. Bei einer Veranstaltung zum Thema Kino an Gymnasien (ciné-lycée) kam er mit ein paar Jungs in Schwatzen und zeigte auch mal was er drauf hat. Der Eindruck, dass da einer aber auch mal richtig auf die intellektuelle Kacke hauen wollte, stellt sich auch dann ein, wenn man das Französische nicht ganz versteht.
Liberation hat die Höhepunkte des cinéphilen Sarkos wunderbar herausgearbeitet. Er mag das italienische Kino der 50er (Carla hat ihm ihre Dvd-Sammlung geöffnet, vermute ich mal), führt aber mit Voyage à Rome einen frz.Film an. Er liebt Pasolini über alles, was doch immerhin etwas überraschend ist, da Sarko ein konservativer, markt-liberaler Präsident mit einer katholischer Stammwählerschaft und Pasolini ein schwuler Kommunist, der die Gedichtsammlung und Homage Le ceneri di Gramsci veröffentlichte, ist. Und Bergmann? “C’est lourd, hein?” übersetzt vielleicht “Ganz schon heavy, Alter”. Was bei Bergmanns “Schreie und Flüstern”, ich erinnere nur die Szene, wo sich die krebserkrankte Gutshausbesitzerin die Vagina mit einem Flaschenhals zerschneidet, eine sehr schöne Zusammenfassung ist. C’est lourd, hein?
Die armen Jugendlichen wissen gar nicht, wie sie wegkommen sollen (“Au revoir”, verzweifelter Blick). Doch Sarko rattert weiter Regisseurnamen herunter: Dreyer, c’est fantastique. Und zum Schluss: Ich schau jedes Jahr 100 Filme an! 100 Filme? Und wann wird mal Heia gemacht?
Ein wunderbares und sehr komisches Dokument, was Politiker so tun müssen, um sich ein Image zu basteln, wobei noch das Privateste zum Verkaufsargument verkommt.
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