In unserem Politikblog bei Ali Arbia geht es in letzter Zeit recht heftig zu, wie es sich halt gehört, wenn es um Politik geht. Ali verteidigt in seinem Beitrag eine abwartende und positiv gefärbte Sicht auf die politischen Vorgänge in Tunesien und generell auf den Wandel, der in der Presse gemeinhin den Namen “arabischer Frühling” erhalten hat. Zur Erinnerung, die von Ali als “moderat islamistisch” bezeichnete Partei/Bewegung Ennahda hat in Tunesien ungefähr 40% der Stimmen erhalten, wird einen maszgeblichen Einfluss auf die verfassungsgebende Versammlung haben und aller Wahrscheinlichkeit auch den nächsten tunesischen Präsidenten stellen.
Bild 1: Auch in Libyen hat man schon wieder Zeit gegen Juden zu demonstrieren. “There is no place for jews in Libya”, immerhin und netter Weise auch in Hebräisch übersetzt.
Photo by: Marco Longari/AFP/Getty Images
Ich habe dagegen eingeworfen, dass aus der Sicht Israels und seiner Sicherheit dieser politische Wandel bislang eine grosze Enttäuschung war und dass bei mir der Eindruck ensteht, dass anti-israelische und anti-semitische Vorstellungen, die ohnehin in der arabischen Welt weitverbreitet sind, sich nun verstärkt Bahn brechen. Indizien für diesen Wandel zum eher Schlimmeren sind aus meiner Sicht eine ganze Reihe von Beobachtungen und Ereignissen: haarsträubender Zitate des spirituellen Ennahda Führers Gannouchi, dem von Ennahda-Anhängern gemachten Vorschlag, dem diplomatischen Nicht-Verhältnis zu Israel Verfassungsstatus zu geben oder, dass nun auch im befreiten Libyen anti-jüdische Demonstrationen zu finden sind . Nach all dem Chaos und der Gewalt eines monatelangen Bürgerkriegs haben dort anscheinend schon wieder ein paar hundert Demonstranten Zeit und Kraft, gegen die vorgeschlagene Öffnung einer Synagoge in Tripolis zu demonstrieren und die Ausweisung von David Gerbi, eines erst jüngst in seine alte Heimat zurückgekehrten Exil-Juden, zu fordern. Gerbi hatte sich nämlich für eben diese Neu-Eröffnung stark gemacht. Und natürlich gab es auch im gröszten post-revolutionären arabischen Land, Ägypten, bereits heftige anti-israelische Ausschreitungen, die zur Erstürmung und Verwüstung der dortigen Botschaft führten.
Ali nun gab zwar zu, dass es ein gewisses anti-semitisches Ressentiment in dem einen oder anderen arabischen Staat hier und da geben möge, hielt aber mein Urteil von einer anti-semitischen arabischen Welt für völlig unwissenschaftlich und (ich denke, da lese ich jetzt nicht zuviel aus seinen Repliken) tentenziell rassistisch. Er forderte wissenschafliche Arbeiten und Belege und tat alles andere als vereinzelte “Geschichtchen” ab. Natürlich taucht auch in seinem Artikel kein einziger wissenschaftlicher Artikel in welcher Form auch immer auf, der etwa seine Vermutung stützen würde, dass Ennadha irgendwo in einem weitgespannten politisch-religiösen Dreieck zwischen Schweizer SVP , deutscher CSU und dem religiös fanatischen Flügel der amerikanischen Republikaner zu verorten sei. Ich versprach trotzdem eine ausführliche Literatursicht und bin auch durchaus fündig geworden. So, stay tuned.
Bild 2: Karikaturen, die wahrscheinlich zum Brandanschlag bei Charlie Hebdo führten. Die “Charia Hebdo” Special Edition: “100 Peitschenschläge, wenn ihr euch darüber nicht kaputtlacht” und “Mohammed überrumpelt von den Integristen: Ganz schön hart, von Idioten verehrt zu werden”
Anlass dieser “Vorankündigung” meines Beitrags ist aber eigentlich nur, dass “Charlie Hebdo”, zusammen mit dem “Canard enchainé” das gröszte französische Satiremagazin, Ziel einer Brandattacke war. Der wahrscheinliche Grund des Molotowcocktails war ein Charlie Hebdo Special zum Thema Wahlen in Tunesien. Dazu hatten sie sich in “Charia Hebdo” umgetauft und sich in Karikaturen auch sonst über den Wahlausgang in Tunesien lustiggemacht. Eine Modeseite nannte sich “Charia Madame” und ein mit einer roten Nase versehener Mohammed erklärte, “ja, der Islam ist mit dem Humor voll vereinbar”. Nichts von dem ist gehässig, das Meiste scheint mir relativ witzig und selbstverständlich verdient nichts davon, eine Redaktion in Schutt und Asche zu legen. Traurig.
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