Gestern habe ich kurz berichtet, was bei der Vorstellung des RWE Innogy Aufsichtsratsvorsitzenden und Patronus des deutschen Wildbestands Fritz Vahrenholt so passiert ist. Vorgestellt wurde Vahrenholt als Spiritus Rector eines Vortrags von Professor Murry Salby an der Helmut Schmidt Universität der Bundeswehr (siehe Video). Die Einleitung der beiden einleitenden Elektrotechnik-Professoren jazzt den völlig unbekannten Salby von einer mir ebenfalls völlig unbekannten Universität in Australien zu einem der Big Player in der Klima- und Kohlenstoffkreislauf-Forschung hoch. Allein das setzt schon die geradezu gespenstisch, unheimliche Note, die dem ganzen Vortrag im Zusammenspiel mit Salbys Mimik und Gestik etwas von einer düsteren, surrealen Kunstperformance gibt. Ist am Ende vielleicht alles Ironie? Doch der Reihe nach.
Video: Murry Salby tut so, als betreibe er Wissenschaft, und trägt seine diesbezüglichen Erfahrungen in der Helmut Schmidt Universität der Bundeswehr zu Hamburg vor. Unter den beeindruckten Zuhörern befindet sich auch der Patronus des deutschen Wildbestands, Fritz Vahrenholt.
Der Vahrenholt hat also den Salby vorgeschlagen. Die Bundeswehruniversität hat sogleich (um im Bild zu bleiben) stramm gestanden und den jungen Elektroingenieuren der Bundeswehruniversität einen Leckerbissen in Sachen akademischer Meinungsfreiheit geboten. Professor Murry Salby erläutert ein paar Details seiner Arbeit. Hier die Schlüsselergebnisse:
1) Der rezente CO2 Anstieg der letzten 150 Jahre ist einer natürlichen Schwankung geschuldet und hat mit den anthropogenen Emissionen erstmal nicht viel zu tun.
2) Die CO2 Variationen, die in den Eiskernen beobachtet wurden sind falsch und entsprechen nicht den atmosphärischen CO2 Werten der Vergangenheit. Sie sind in Wirklichkeit viel grösser. Während Schwankungen in den letzten 100 Jahren um einen Faktor drei unterschätzt sind, sind die eiszeitlichen Schwankungen um einen Faktor 15 unterschätzt. Ja, genau 15! Anstelle der ca. 100ppm geringeren CO2 Konzentration während des Glazials im Vergleich zum Holozän seien es (Salby wörtlich) mehr als 1000ppm.
3) Klimamodelle beschreiben lediglich einen einzigen Faktor der Energiebilanz der Erde. Dieser Faktor ist der Treibhauseffekt des CO2, welcher nach Salby nur 1% der gesamten Energiebilanz bestimmt und sind offensichtlich falsch.
Ich weiss nicht, wie ich so einen Vortrag ertragen könnte. Lachen, Weinen, Epilepsieanfall? Der Hörsaal ist scheinbar wie gebannt und der für mich interessanteste Teil, die nachfolgende Fragerunde, ist leider nicht auf dem Video dabei. Hat irgendeiner dem Salby gesagt, wie gaga das alles ist, oder standen tatsächlich alle unter dem Bann seiner pompösen Feynman Vergleiche. Salby spielt dermaszen offensichtlich die unendlich oft praktizierte Feynman-Variante des Galileo Gambit, das muss doch einfach irgendeiner in Hamburg gemerkt haben.
Zum Wissenschaftlichen nur ganz schnell das, was mir sofort in den Sinn gekommen ist. Hier und hier und hier findet sich mehr zu Salbys “Argumenten”.
Bild 1: Eine der berühmtesten Wissenschaftsgraphiken des 20ten Jahrhunderts. Der stetig steigende CO2 Datensatz vom Mauna Loa Observatorium in Hawaii, welcher von Charles Keeling in den 50er Jahren begonnen wurde.
1) Salby beschreibt die Diffusion des CO2 im Firnteil der Eiskerne. Das ist der Teil des Eises, der noch mit der Atmosphäre im Austausch steht. Seine Behauptung, dass in Wirklichkeit die eiszeitlichen CO2 Werte um einen Faktor 15 gröszer waren, beruht gleich auf mehreren Irrtümern. Er nimmt an, dass der zu einem Zeitpunkt im Eis gemessene CO2 Wert Resultat eines diffusiven Prozesses über sämtliche Zeitskalen sei (siehe Video ab Minute 16 und das über alle Frequenzen ausgeführte Integral in der dortigen Formel). Das ist natürlich nicht so. Nur der Firnanteil des Eisschildes erlaubt noch einen diffusiven Gasaustausch. Je nach Beschaffenheit des Eises kommt es in einer bestimmten Tiefe zum Abschluss der Gasbläschen. Der diffusive Prozess ist abgeschlossen und nur Zeitskalen, die maximal dieser Abschlusstiefe des Eises entsprechen, werden miteinander vermischt. Im Dome C EPICA Kern oder im Vostok etwa liegt die Abschlusstiefe heute bei einigen 1000 Jahren. Diese “close off depth” ändert sich aber in Abhängigkeit vom Klima und kann im trockenen, kalten Glazial durchaus einige 1000 Jahre mehr betragen. Wem das Argument zu theoretisch ist: Nehmen wir an, die letzten 500000 Jahre hätte jemand am Südpol gesessen und jedes Jahr eine riesige Glasflasche mit Luft gefüllt. Mit dem Gasinhalt der 500000 Flaschen könnte man dann nur schwer Aussagen über den Jahresgang des CO2 machen (der wäre in der ein Jahr offenen Flasche wegdiffundiert), aber die Amplitude zwischen Eiszeiten und Zwischeneiszeiten wäre davon unberührt. Ähnliche Überlegungen finden sich natürlich auch in der Literatur (hier bei Jakob Schwander z.B. ). Das macht Salbys gesamte Rechnung zu angeblich riesigen unterschätzten CO2 Amplituden während der Eiszeiten falsch.
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