Es gibt ja nur noch wenige, die das Buch “The Sleepwalkers” von Christopher Clark noch nicht gelesen haben (anyone?). Angeblich schon 170.000 verkaufte Ausgaben in der 12ten Ausgabe (!) allein in Deutschland. Ich bin fast durch und stolpere bei jeder Gelegenheit über Reviews und Besprechnungen dieses Buchs (der letzte etwa heute in der SZ). Es würde mich wirklich interessieren, ob es überhaupt schon einmal so einen durchschlagenden Erfolg eines an sich rein akademischen (1/5tel der Sleepwalkers sind selbstverständlich Literaturverweise, und das bei fast 900 Seiten) Geschichtsbuchs gegeben hat. Clark kann sich von den Tantiemen sicher bald zur Ruhe setzen.
Sicher sind wir gerade im 100ersten Jubiläumsjahr des Ausbruchs des ersten Weltkriegs. Das allein aber erklärt an sich nicht den riesigen Erfolg dieses Buchs, welches sich ja auf rein wissenschaftlichem Niveau der Frage nähert, wie es denn zum Ausbruch dieser Mutter aller Verbrechen und Kriege des 20ten Jahrhunderts überhaupt hat kommen können. Vielleicht mag es daran liegen, dass heute tatsächlich viele den Verlauf der letzten 20 Jahre seit dem Zusammenbruch des Sowjetreichs und der von ihr gestützten bipolaren Welt als eine Entwicklung hin zu einer multipolaren und chaotischeren World-War-I-Situation hin wahrnehmen? Ist also China das neue Deutschland um 1900 (inklusive Markenpiraterie und zweistelligen Wachstumsraten) und die heutige USA das damalige England (inklusive eines überspannten Militärapparats und einer heisslaufenden Paranoia)? So oder so, “Die Schlafwandler” ist ein hervorragendes Buch und verdient wahrlich seinen Erfolg. Leseempfehlung daher auch von mir.
So einen Geschichtsprofessor stellt man sich ja vielleicht sehr trocken vor und mein eigenes, ganz ähnliches Vorurteil wurde bei dem Besuch einer einzigen Vorlesung beim übergroßen Hans Mommsen in meiner Heimatuniversität Bochum dermaszen bestätigt, daß ich da nie wieder hingegangen bin. Gott, war das langweilig! Das muß nicht so ein. Hier ein Video von einem Vortrag von Christopher Clark zu seinem Buch. Oxbridge at its best. Hochkomisch, fesselnd und interessant.
Christopher Clark im Literaturhaus zu Oslo, November 2013.
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