Letzte Woche war ich in Essen auf dem Jahreskongress der Gesellschaft für Virologie. Das ist keine deutsche Veranstaltung, sondern war ursprünglich ein Zusammenschluss deutschsprachiger Gesellschaften, also auch der Schweizer und Österreicher. Inzwischen ist die Kongresssprache seit über einer Dekade bei Englisch angekommen und in diesem Jahr waren im Rahmen eines Transregioprojektes mit China eine Menge Sino-Virologen vor Ort.


Der erste Zweck dieses Meetings war für mich ein Wiedereinstieg in die aktuellen Entwicklungen der Virologie an sich, da ich mich die letzten vier Jahre mit mehr klinischen Fragestellungen beschäftigt hatte. Und das hat auch gut geklappt. Ich habe eine Menge interessante Vorträge gehört und auch selbst über meine Daten in der Transplantationsforschung an Hepatitis C Infizierten Leberempfängern berichten dürfen.
Doch hier will ich über etwas anderes schreiben.

Üblicherweise hängen die Organisatoren am Ende eines solchen Meetings noch den einen oder anderen Starvortragenden an, um ein prämatures Abreisen der Teilnehmer zu minimieren. Und das war auch diesmal so. Wir kamen in den Genuss einer Keynote-Lecture von Peter C. Doherty.

i-5e35d6361ec6972a783e38b608ad1cc2-1143589197_7375.jpg

Bild: www.advance.org

Geboren in Australien nahe Brisbane studierte er an der Universität von Queensland Veterinärmedizin und erwarb dort den Bachelor und den Master. Anschließend zog es ihn nach Edinburgh, wo er seinen PhD absolvierte. Er arbeitete zusammen mit Rolf Zinkernagel an der Erforschung der MHC-Moleküle, wofür die beiden im Jahr 1996 den Nobelpreis erhielten. Diese zellulären Strukturen, sind für die Präsentation von pathogenen Proteinen ans Immunsystem zuständig. Diese Präsentation ermöglicht es dem Immunsystem zum Beispiel virusinfizierte Zellen zu erkennen und zu bekämpfen. Dabei werden Proteine des Krankheitserregers im Inneren der Zelle zu kurzen Schnipseln zerteilt und an die MHC-Moleküle gebunden. Dieser Komplex wird dann an die Oberfläche transportiert um dort von immunologischen Effektorzellen, den T-Zellen mit ihrem Rezeptor erkannt zu werden. Findet dies statt, so startet die T-Zelle ein Angriffsprogramm, das mit dem Tot der virusinfizierten Zelle und der Vervielfältigung der entsprechenden T-Zelle endet. Dies dient erstens der Eliminierung der virusproduzierenden Zelle und zweitens der Ausbildung einer „ Armee” von gleichartigen T-Zelle, die alle denselben Rezeptor tragen, um weitere virusinfizierte Zellen zu entfernen. Außerdem kommt es nach der erfolgreichen Ausmerzung der Viren zur Bildung einer Gruppe von Erinnerungszellen, die bei erneuter Infektion mit diesem Virus viel schneller einsatzbereit sind und eine Immunität gegen diesen Erreger vermitteln. Dieser Prozess wird auch bei der Vakzinierung ausgenützt.
Peter C. Doherty beschäftigt sich inzwischen mit dem Influenza-Virus und der gerichteten Immunantwort gegen denselben. Er war maßgeblich an der Erforschung der saisonalen Grippeviren beteiligt und ist mit dem WHO-Netzwerk der Grippeüberwachung assoziiert. Er war auch als Autor auf der Science-Publikation geführt, welche im Januar eine Pause der Forschungsarbeiten zur Transmission von hochpathogenen Influenzaviren, ankündigte.
Davon abgesehen beschäftigt er sich mit altersbedingten Effekten auf die Immunantwort gegen Influenzaviren. Er untersucht sowohl in ganz jungen als auch in sehr alten infizierten Patienten die altersbedingten Unterschiede in der Entwicklung und Etablierung der Immunantwort. Ein Satz aus seiner Präsentation lautete:” I’ve been working a lot with children’s immune responses to influenza. Children are a great model-organism for humans.” Übersetzt (Anm. des Autors): „Ich habe viel mit Immunantworten gegen Influenza in Kindern gearbeitet. Kinder sind ein großartiger Modellorganismus für Menschen.” Das ist ein typischer Wissenschaftlerwitz, der keineswegs die Kinder herabstufen soll, sondern vielmehr verdeutlichen soll wie wichtig es ist, auch mit Patienten zu arbeiten, die nicht den „Üblichen” entsprechen, da es eben massive Unterschiede gibt zwischen einem Dreißigjährigen „Normalpatienten” und einem zwei- oder 90-jährigen Patienten.
Zum Beispiel konnte P.C. Doherty zeigen, dass eine frühe Infektion mit Influenza dem typischen Verlust spezifischer Zellen im Alter entgegenwirken kann. So konnten in geriatrischen Patienten nur noch sehr wenige spezifische T-Zellen mobilisiert werden, wohingegen Gleichaltrige mit einer lange zurückliegenden Infektion, vergleichbare Antwortlevel erreichten, wie die Mittelalten.
Ein großartiger und humorvoller Mensch, der nach einem langen, erfolgreichen und arbeitssamen Leben ein bemerkenswert lockeres Wesen erhalten konnte. Vielleicht liegt das an seinen australischen Genen?

Kommentare (3)

  1. #1 Theres
    März 19, 2012

    “Zum Beispiel konnte P.C. Doherty zeigen, dass eine frühe Infektion mit Influenza dem typischen Verlust spezifischer Zellen im Alter entgegenwirken kann. ”
    Eieiei, das heißt ja, dass frühe Infekte – bei Influenza – tatsächlich was helfen … das wird ein seltsames Völkchen sicherlich zitieren, wenn sie es finden.
    Aber: heißt das, das die Impfwirkung bei alten Leuten schwächer wird – oder schließe ich hier zu schnell?

  2. #2 CP
    März 19, 2012

    Ich war auch auf dem Meeting und durfte in den Genuss vieler guter Vorträge kommen. Schade, dass solche großen Tagungen nur einmal im Jahr stattfinden…

  3. #3 Felix Bohne
    März 20, 2012

    @CP: Das ist ja witzig! Ich fand auch den letzten Talk von Vandamme zur Evolution der humanen Retroviren klasse.
    Grüße