Wie General Electric in der Krise mit Innovation / F+E umgeht — jetzt exklusiv im Interview mit Georg Knoth (CEO GE) und Dr. Carlos Härtel (Leiter des europäischen GE-Forschungszentrums).

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Nur eine der zwölf Aktiengesellschaften des 1896 aufgelegten Dow Jones ist heute noch im Index, nämlich General Electric. Herr Knoth, was hat GE anders gemacht als die anderen elf?

KNOTH: Wenn es dafür überhaupt ein allgemeines Erfolgsgeheimnis gibt, dann ist es sicherlich die Fokussierung auf Technologie – als dem wohl wichtigsten Unterscheidungsmerkmal in der Wirtschaft – sowie auf Innovation, auf die Bereitschaft zur Veränderung und die Intensität, mit der wir Herausforderungen angehen. Nur so konnten wir beispielsweise Weltmarktführer in der wohl technologieintensivsten Branche überhaupt werden – Aviation. Auch das neue GEnx Triebwerk für den Dreamliner sowie die nächste Jumbo-Generation ist wieder solch ein ,Imagination Breakthrough’. Mehr als 1.000 Mal haben wir es bis jetzt verkauft. Möglich ist das ausschließlich durch Innovation. Zwar kommt es auch bei uns im Moment, in dieser historischen Krise, in vielen Bereichen zu Einsparungen, aber die Investitionen in F+E werden nicht zurückgefahren. Gleiches galt nebenbei auch für die Krise, die auf 9/11 folgte. Auch hier haben wir trotz unseres starken Engagements als Triebswerkshersteller und Leasinggesellschaft im Flugzeugsektor unsere Investitionen nicht zurückgefahren, sondern trotzdem in unser GEnx-Triebwerk investiert. Das war angesichts der globalen Krise im Flugzeugmarkt ohne Zweifel eine sehr schwierige Entscheidung, aber wie wir heute wissen, war sie genau richtig.

…wobei die nächste Krise ja nicht lange auf sich warten ließ: Der Aktienkurs von GE ist innerhalb weniger Monate um 50 Prozent eingebrochen. Ist die F+E auch diesmal wieder von den Einsparungen ausgenommen?

KNOTH: Richtig. Grundsätzlich dürfen wir natürlich langfristige Strategien nicht von kurzfristigen Schwankungen abhängig machen – das wäre grundlegend falsch. Der Grund für den starken Rückgang war ja, dass sich GE als großer Finanzdienstleister in einem sehr schwierigen Umfeld bewegt. Deshalb werden wir diesen Bereich auch etwas straffen und uns auf die für GE wichtigen Kernfunktionen konzentrieren. Denken Sie hier nur an unseren Factoring-Bereich, wo wir zum Beispiel in Deutschland in der Mittelstandsfinanzierung sehr erfolgreich sind.

Und wie weit geht die von Ihnen erwähnte ,Bereitschaft zur Veränderung’? Geht das bis zur Abtrennung kompletter Geschäftsbereiche?

KNOTH: Ja. Nehmen Sie doch nur den Bereich ,Plastics’ – den haben wir nach Saudi-Arabien verkauft, obwohl dieser Bereich im Konzern durchaus eine lange Tradition hatte. Letztlich hat dieser vom Rohstoff Erdöl abhängige Bereich aber langfristig nicht zu unserer Geschäftsstrategie gepasst.

Technologie, Innovation und Veränderung – dieser Fokus klingt noch stark nach Ihrem Unternehmensgründer, Thomas Edison. Ist dessen „Geist” denn wirklich noch zu spüren im heutigen Konzern?

KNOTH: Edisons Prinzip von vor 130 Jahren – ,I find out what the world needs and then I proceed to invent it’ – hat mehr
Gültigkeit denn je. Was braucht die Welt heute und zukünftig mehr als alles andere? Umweltfreundliche Produkte. Wir waren uns also klar darüber, dass Ökologie und Ökonomie alles andere als Widersprüche sind, brauchten dafür aber natürlich auch eine Strategie. Das Ziel lautet: bis 2010 einen Umsatz von 25 Milliarden Dollar ausschließlich mit unseren neuen ecomagination-Produkten zu machen. 2008 standen wir bereits bei 17 Milliarden.

Bei den Umwelttechnologien gilt ja gerade Deutschland als weltweiter Vorreiter. Inwieweit hat dies Ihre Entscheidung für den Standort des neuen Europäischen Forschungszentrums von GE beeinflusst?

KNOTH: Das war in der Tat ausschlaggebend. Deutschland ist mit seinen hochqualifizierten Fachkräften und international agierenden Unternehmen auch aus unserer Sicht einer der wichtigsten Greentech-Märkte. Natürlich darf man sich darauf nicht ausruhen, denn etwa China und Indien holen in rasantem Tempo auf. Wer hätte vor ein paar Jahren noch gedacht, dass China einen eigenen „Regional Jet” auf den Markt bringen würde – mit unseren Triebwerken übrigens. Die Frage für Deutschland wäre also: Tun wir wirklich genug, um unsere Vorreiterrolle in bestimmten Schlüsseltechnologien zu halten? Wenn ich nur an die Debatte um CCS denke, frage ich mich schon, warum sich Deutschland so schwer tut, einer unverzichtbaren Technologie im Kampf gegen den globalen Klimawandel auch politischen Rückhalt zu geben.

Wenn Sie von „Markt” sprechen, sehen Sie dann Deutschland eher als Absatz- oder Entwicklungsmarkt?

KNOTH: Beides! Natürlich ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt ein attraktiver Absatzmarkt – gerade auch in den Bereichen Medizintechnik und Erneuerbare Energien. Aber genauso bedeutsam ist Deutschland auch als Entwicklungsmarkt durch die erwähnten Standortvorteile in Forschung und Bildung. Nicht ohne Grund sind wir mit unserem neuen F+E-Standort für die Entwicklung von Turbinenschaufeln nach Regensburg gegangen. In Bayern gibt es eben ein hervorragendes Aviation-Cluster mit EADS, MTU, etlichen innovativen Mittelständlern und exzellenten Forschungseinrichtungen.

Welches sind denn aktuell die Forschungsschwerpunkte in Garching, Herr Dr. Härtel?

HÄRTEL: Wir arbeiten dort vor allem an alternativen Energien und Umwelttechnologien, elektrischen Energiesystemen,
bildgebenden Verfahren für die medizinische Diagnostik, Herstellungsverfahren für Faserverbundwerkstoffe, wie sie etwa in Windenergieanlagen oder umweltfreundlichen Flugzeugtriebwerken genutzt werden sowie an Sensortechnologien für sicherheitstechnische Anwendungen. Aktuelles Highlight ist die Entwicklung eines neuartigen Systems zur effizienten Nutzung von Abwärme.

Sie kooperieren dort sehr eng mit der TU München. Welche Rolle spielen für GE denn generell öffentliche Forschungseinrichtungen sowie Austausch, Auftragsforschung und Lizenzierung?

HÄRTEL: Über unser Forschungszentrum als Bindeglied tauschen wir uns intensiv mit Kunden, Partnern und anderen
Forschungseinrichtungen aus. Mit der TUM arbeiten wir an vier größeren Programmen. Ganz aktuell ist der gemeinsame Aufbau eines europäischen Exzellenzzentrums für die automatisierte Herstellung von Kohlefaserverbundstoffen, in das wir in den nächsten Jahren 5 Millionen Euro investieren. Aber auch mit vielen anderen Hochschulen und Partnern arbeiten wir erfolgreich zusammen. GE versteht sich als Teil des Forschungsstandorts Deutschland und möchte diese Rolle weiter ausbauen.

Gesprächspartner: Alexander Gerber

Georg Knoth ist seit September 2005 CEO von General Electric in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie Mitglied des europäischen Corporate Executive Councils von GE. Knoth ist seit inzwischen elf Jahren bei dem Weltkonzern und leitete zuletzt die Kapitalmarktaktivitäten in Südamerika. Der 43-jährige Diplom-Kaufmann (Universität Nürnberg-Erlangen) ist außerdem im Vorstand des ZVEI sowie der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland. General Electric ist der größte Mischkonzern derWelt und ist am Standort München-Garching mit seinem Europäischen Forschungszentrum präsent, einem von weltweit vier Zentren.

Dr. Carlos Härtel leitet seit Juni 2007 das neue europäische Forschungszentrum von GE (Global Research Europe), wo er bis dahin die Leitung des Labors für Alternative Energien innehatte. Härtel war maßgeblich am Ausbau von Partnerschaften mit Universitäten und Unternehmen beteiligt und gestaltete die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit verschiedenen Geschäftsbereichen von GE. Der 44-jährige gelernte Maschinenbauer (RWTH Aachen und TU München) hat am DLR in Göttingen promoviert und blickt auf eine mehrjährige Forschungstätigkeit an der ETH Zürich zurück, wo er sich 1999 habilitierte. Dr. Härtel verfügt über etliche Patente und hat mehr als fünfzig wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht.