Wissenschaftliche Einrichtungen klagen oft darüber, sie würden in der Öffentlichkeit missverstanden oder unzureichend gewürdigt. Wo liegt das Problem: bei einem „Public Understanding of Science” (PUS) oder eher beim „Scientist’s Understanding of the Public” (SUP)? Müssen wir die Wissenschaftler stärker in die Verantwortung nehmen, indem sie beispielsweise bei der Beantragung von Fördermitteln, in Berufungsverfahren oder bei der leistungsorientierten Bezahlung darlegen müssen, welche Erfolge sie bisher in der öffentlichen Kommunikation ihrer Forschung hatten?

Meinungen gefragt:
Diskussion der Thesen, Forderungen und Empfehlungen von 40 Delphi-Experten
(Leitfrage 5/7) im Rahmen der Trendstudie Wissenschaftskommunikationpräsentiert am Di 30.11.2010 auf dem 3. Forum Wissenschaftskommunikation (Mannheim)
Die Grafiken geben an, wie viele der Delphi-Experten der jeweiligen Aussage vollständig [grün], großteils [hellgrün], teils [orange] oder gar nicht [rot] zustimmen.
Aktueller Stand n = 21 (40).

Ergebnispräsetation online

Bei SUP ist der Nachholbedarf größer als bei PUS.

Die Vermittlungsleistung muss auditierbarer Teil jedes Forschungsprojektes sein.

Es muss Anreizsysteme geben, damit sich Wissenschaftler stärker in die öffentliche Rolle begeben, allerdings ohne Zwangsmaßnahmen.

Einrichtungen sollten bei der Personalauswahl auch auf solche Befähigungen achten.

Nicht jeder Wissenschaftler hat das Zeug zum Kommunikator.

Wissenschaftler sind Wissenschaftler und keine Journalisten. Auch vom Chirurgen wird nicht verlangt, dass er eine Operation allgemeinverständlich erklären kann. Er soll seine Arbeit ordentlich tun.

Einige Forschungen passen als Thema für die Berichterstattung, andere aber nicht. Ein Maßstab für Förderungswürdigkeit lässt sich daraus nicht ableiten.

Es wäre schlecht, wenn alle Professoren bei der Beantragung von Fördermitteln, in Berufungsverfahren oder bei der leistungsorientierten Bezahlung auf die Journalisten losgingen.

Pflicht zur Kommunikation?
Wie ist eure Meinung: Sollten Wissenschaftler je nach ihrem Engagement bei der Kommunikation mit der Öffentlichkeit belohnt beziehungsweise bestraft werden? Oder müssen wir akzeptieren, dass nicht jeder Wissenschaftler ein guter Kommunikator ist?

Kommentare (2)

  1. #1 Barbara Wankerl
    3. Dezember 2010

    Die genannten Thesen enthalten gute Ansätze – und der Begriff “Vermittlungsleistung” bringt es auf den Punkt. Es stimmt, nicht jedes wissenschaftliche Thema eignet sich gleichermaßen, damit in die Öffentlichkeit zu gehen. Bisher ist Public Outreach sozusagen die Kür in der Forschung; in den DFG-Informationen für Sonderforschungsbereiche heißt es dazu:

    “Im Rahmen eines Teilprojekts Öffentlichkeitsarbeit können Maßnahmen vorgesehen werden, mit denen die Ergebnisse des Sonderforschungsbereichs Zielgruppen außerhalb der Wissenschaft nahegebracht werden. Die Maßnahmen müssen von den Beteiligten des Sonderforschungsbereichs initiiert sein und sich klar auf die Arbeiten im Verbund beziehen.”

    Die Mittel für Öffentlichkeitsarbeit werden meiner Beobachtung nach noch selten in Anspruch genommen bzw. wenig professionell genutzt. Das hat verschiedene Gründe: Fehlendes Know-how und geringe Kompetenz im wissenschaftlichen Umfeld, dazu kommt der notorische Zeitmangel – in der Regel werden verfügbaren Personalressourcen für die Forschung gebraucht.

    Ich halte wenig davon, Kommunikation zu einer Pflichtveranstaltung für Wissenschaftler zu machen; allerdings wäre es sicher hilfreich, die Antragsteller zu ermuntern, Mittel für Öffentlichkeitsarbeit einzuplanen. Außerdem könnte “Kommunikationsgeld” auch dafür verwendet werden, für die Dauer des Projekts mit externen PR-Fachleuten zusammenzuarbeiten und neue Wissenschaftskommunikatoren aufzubauen – als Investition in die Zukunft.

    Vermittlungsleistungen mess- und vergleichbar zu machen dürfte schwierig sein. Aber der erfolgreiche Wissenstransfer in die Öffentlichkeit sollte von Gutachtern wahrgenommen und positiv bewertet werden. Damit kann gute Öffentlichkeitsarbeit zumindest das Zünglein an der Waage für die Projektverlängerung sein.

  2. #2 Alexander Gerber
    10. Dezember 2010

    @ Barbara Wankerl:
    Das von Ihnen erwähnte Beispiel der DFG-projektbegleitenden Kommunikationsmaßnahmen

    Public Outreach die Kür in der Forschung

    lässt sich meiner Meinung nach auch direkt auf die EU übertragen. Ich selbst stelle mir dabei eine Frage, die ich immer wieder als Hilferufe auf den Tisch kriege (wenn es mal wieder in irgendeinem Forschungsprojekt kommunikativ so gar nicht läuft): Welcher Zuwendungsgeber erwartet wirklich, dass die Projektkommunikation nachhaltig oder zumindest professionell von einem der fachlichen Projektpartner geleistet werden kann? Oft landet diese Aufgabe dann bei einer Uni-Pressestelle, die ganz andere Dinge auf der Agenda hat, als für irgendwelche assoziierten internationalen Projektpartner PR zu machen. Nennen Sie es also „Begleitforschung“, „Dissemination“ oder im Ausschreibungskontext „CSA“ – all dies sollten Baustellen für Profis sein, nicht für Forscher. Und da denke ich offen gesagt auch nicht gerade zuerst an die großen Netzwerkagenturen… ;-)

    Ich kann dies also persönlich voll unterschreiben:

    Kommunikation keine Pflichtveranstaltung für Wissenschaftler

    Antragsteller ermuntern, Mittel für Öffentlichkeitsarbeit einzuplanen

    …wobei etliche unserer Delphi-Experten das durchaus konträr sehen. Schließlich kann ja direkte Kommunikationsarbeit der Wissenschaftler auch ein Höchstmaß an Vertrauen und Authentizität schaffen. Wobei diese bekanntlich irgendwann in pure Medialisierung der Forschung umzuschlagen droht. Vermutlich kommt es also einfach auf die richtige Mischung an…

    Insbesondere Cluster oder im EU-Kontext die Networks-of-Excellence haben dutzendfach bewiesen, wie man gemeinsam genügend Ressourcen für eine professionelle und kontinuierliche Kommunikationsarbeit zusammenkratzen kann. Auch Ihr in München habt ja gezeigt, dass man ein nicht gerade auf den ersten Blick markt- und alltagsnahes Thema durch Vortrags-Sammlungen für Schulen oder Ausstellungen wie die im Deutschen Museum durchaus in die Breite kommuniziert bekommt. Vielleicht müsste die Forschungsförderung nur aus den „Best Practices“ besser lernen…? ;-)
    –ag